"Es wird eine Zeitrechnung vor dem 22. März geben - und eine Zeitrechnung nach dem 22. März." Am 22. März dieses Jahres richteten islamistische Selbstmordattentäter ein Blutbad auf dem Brüsseler Flughafen an, und die neue Zeitrechnung, die Belgiens Premierminister Charles Michel anschließend ankündigte, sollte eine Ära massiver Sicherheitsmaßnahmen an Airports sein.
In Brüssel sind die Kontrollen tatsächlich erheblich verschärft worden, Passagiere werden schon außerhalb der Abfertigungshalle überprüft. Derlei ist zum Beispiel in Israel seit Jahrzehnten gängige Praxis - ein Attentäter soll das eigentliche Ziel, die belebten Shoppinggassen und Abfertigungszentren, gar nicht erst erreichen.
Terror in der Türkei:Anschlag am Flughafen: In Istanbul liegt der Alltag in Scherben
Mittlerweile 41 Tote, mehr als 200 Verletzte: Wieder erschüttert der Terror die Türkei, diesmal am Flughafen von Istanbul. Dort geben sich die Menschen trotzig, aber die Emotionen brechen durch.
Der Flughafen Erbil im Nordirak, das Nadelöhr der kurdischen Autonomieregion zur Außenwelt, ist durch gleich vier Sicherheitsringe geschützt. Die Kurden liegen im Krieg mit dem IS, entlang einer 1100 Kilometer langen Front. Sie haben sich so intensiv wie möglich darauf vorbereitet, dass die Terrormiliz, die an dieser Front nicht gut aussieht, den Krieg lieber ins Innere der Autonomieregion tragen könnte, einen Selbstmordanschlag in Erbils Christenviertel gab es schon. Am ersten Flughafen-Checkpoint bereits prüfen Soldaten Fluggäste und Besucher, am zweiten werden die Ankommenden gefilzt, Sprengstoffhunde und Bombenspezialisten sind im Einsatz. Bisher hat sich das ausgezahlt.
Schärfere Einlasskontrollen, andere Probleme
Das Problem aller Strategien dieser Art: Der Sicherheitskordon lässt sich ausweiten, um den Innenbereich des Flughafens besser zu schützen. Aber die weiche, verwundbare Stelle, jene also, wo Passagiere und Besucher ankommen - und je schärfer die Einlasskontrollen sind, umso größere Menschentrauben bilden sich -, wird dadurch nur verlagert.
Außerdem haben schon die islamistischen Taliban in Afghanistan bei ihren Angriffen auf Hotels oder Polizeistationen jene Taktik entwickelt, welche die Terroristen in Istanbul jetzt in ähnlicher Form anwandten: Sie sprengen oder schießen sich beim ersten Kontrollpunkt den Weg frei, sie selbst oder weitere Terroristen gelangen ins Innere des Sicherheitsperimeters und ermorden dort so viele Menschen wie möglich. Wer wenigstens dies verhindern will, muss seine Checkpoints fast militärisch sichern.
Sicherheitslücken in Deutschland
Davon ist die EU aber Lichtjahre entfernt. Die Airports in Frankfurt, München, Paris, Rom oder London sind die großen Drehkreuze des Luftverkehrs in Europa, sie in Festungen umzubauen könnte zu wirtschaftlichen Verlusten in Milliardenhöhe führen. Wenig erstaunlich, dass EU-Verkehrs-Kommissarin Violeta Bulc betont hat, das Risiko und der Nutzen neuer Kontrollsysteme seien sorgfältig abzuwägen. Immerhin seien die Sicherheitsstandards europäischer Flughäfen bereits heute sehr hoch.
Das sieht nicht jeder so. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte nach dem Anschlag von Istanbul, dass Deutschland "die Passagierkontrolle, die Achillesferse der Luftsicherheit, privaten Sicherheitsfirmen anvertraut", so Jörg Radek, GdP-Chef für die Bundespolizei. Die Ausbildung dieser Security-Unternehmen sei mangelhaft, bei Tests gebe es erhebliche Sicherheitslücken, die Personalfluktuation sei zu hoch. Radek: "Diese Aufgabe gehört wieder in staatliche Hand." Der Weg zu mehr Sicherheit, so scheint es, beginnt im Kleinen.