Süddeutsche Zeitung

Anschlag in Halle:Tag des Mitgefühls

Trauer und Zurückhaltung sind angemessen nach so einer Tat.

Von Detlef Esslinger

Es war schon immer beschämend, dass in Deutschland jede Synagoge geschützt werden muss, dass es ohne Poller und gepanzerte Türen nicht geht. Am Mittwoch erwies sich das Beschämende als das Lebensrettende, und doch bleibt es ein unfassbar bedrückender Tag: ein Mordanschlag auf eine Synagoge voller Menschen, an Jom Kippur, in Deutschland. Wer den 100 000 Juden im Land ein Zeichen der Zuneigung und der Solidarität geben will, hat vielleicht Zeit, auf dem Weg zu oder von der Arbeit Blumen an der örtlichen Synagoge abzulegen.

Trauer, Mitgefühl und Zurückhaltung ist das, was angemessen ist an solch einem Tag. Wer jedoch kommt auf die Idee, in dieser Lage zu verbreiten, es gebe noch eine Geiselnahme in einem Supermarkt? Indem sie Ressourcen binden, spielen die Ichweißwas-Twitterer letztlich einem Täter in die Hände, vermutlich, ohne sich dessen im Klaren zu sein. Polizisten sind für sie womöglich lediglich das, was man auf Fotos erkennt: Gestalten mit Helm und schusssicherer Weste. Zugleich jedoch sind sie alle Ehemänner und Väter wie jeder andere auch - die nach ihrem Dienst heil wieder nach Hause kommen wollten, wie ebenfalls jeder andere auch.

Dienst, man sagt das Wort oft so dahin. Aber mehr Dienst, als ihn die Polizisten in und um Halle am Mittwoch leisteten, ist kaum möglich.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4633075
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.