Anschlag in Dortmund:Panik im Bus - Stille im Stadion

  • Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus fällt es den Dortmunder Spielern schwer, sich auf das Spiel zu konzentrieren.
  • Im Bus sei nach den Explosionen Panik ausgebrochen, einige Spieler haben sich auf den Boden geworfen.
  • Im und rund ums Stadion war es teilweise gespenstisch still. Fans wie Johannes Zwanzig wollen aber am Mittwoch trotzdem ins Stadion gehen - um ein Zeichen zu setzen.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund, und Vivien Timmler

Bei einem Auswärtsspiel in Köln ist der Mannschaftsbus von Borussia Dortmund mal mit Steinen beworfen worden. Ein großer Stein hat eine Scheibe des Busses getroffen. So ein Einschlag kann sehr laut sein, so laut, dass der BVB-Kapitän Marcel Schmelzer am Dienstagabend um 19.15 Uhr genau daran denken musste und sich spontan gefragt hat, warum schon wieder jemand mit Steinen auf den Bus werfen muss. Es hat sehr laut geknallt im Bus, als dieser gerade die Ausfahrt vom Hotel L'Arrivee auf die Wittbräucker Straße nahm, aber es hat dann ein paar Sekunden gedauert, ehe klar wurde, dass es sich um eine Explosion gehandelt hat.

Im hinteren Bereich des Busses ist vom Druck der am Straßenrand detonierten Sprengsätze eine Scheibe geborsten. Die Splitter trafen den spanischen Spieler Marc Bartra. Bartra habe laut zu schreien begonnen, berichtete Schmelzer dem BVB-Sprecher Sascha Fligge. Etwa zeitgleich beobachtete der Spieler Sven Bender aus dem Seitenfenster eine der Detonationen, woraufhin er den Busfahrer laut anhielt, Gas zu geben und bloß nicht anzuhalten. Im Bus ist dann Panik ausgebrochen. Einige Spieler haben sich auf den Boden geworfen, andere in ihre Sitze gekauert. In Erwartung weiterer Explosionen harrte man der Dinge, dann wurde alles wieder ruhig.

Rund um den Signal Iduna Park hatten die Fans zu diesem Zeitpunkt noch nichts von den Explosionen mitbekommen. "Wir haben noch etwas zu trinken gekauft und sind dann zum Stadion gelaufen. Es war alles wie immer, alle haben sich auf das Spiel gefreut", sagt BVB-Fan Johannes Zwanzig. Gegen acht Uhr sei es dann aber plötzlich ruhiger geworden. "Sowas habe ich am Stadion noch nie erlebt. Die Leute haben nicht wild durcheinandergeredet oder so, es war einfach nur komplett still", sagt Zwanzig. Er habe sich dann mit seinen Freunden dafür entschieden, so schnell wie möglich ins Stadion zu kommen. Dort hätten sie sich am sichersten gefühlt.

Die Fans im Stadion wussten zu diesem Zeitpunkt schon, dass es einen Vorfall mit dem Mannschaftsbus gegeben hatte. Eine Nachricht vom Twitter-Account des BVB wurde auf den Video-Leinwänden angezeigt. "Daraufhin haben alle ihre Handys rausgeholt und versucht, an Informationen zu kommen. Aber das war kaum möglich, das Netz war total überlastet", sagt Kevin Kie. Er saß um kurz vor acht bereits auf der Ost-Tribüne und habe sich gewundert, warum auf dem Spielfeld nichts los sei. Normalerweise schreiten Rasenpfleger das Grün ab, in Kürze hätte Roman Bürki für seine Aufwärmeinheit den Rasen betreten.

Bürki saß aber im Bus neben Marc Bartra und blieb im Gegensatz zum Spanier unverletzt. Bartra wurde ins Krankenhaus gebracht und operiert. Ihm war die Speiche im rechten Handgelenk gebrochen, außerdem hatten sich Splitter in seinen Arm gebohrt. Der Spanier war im Krankenhaus schon wieder auf den Beinen, der Schock wirkte womöglich schwerer als die Verletzung. Er wurde erfolgreich operiert, kann aber nicht mitspielen, wenn die Champions-League-Partie gegen AS Monaco an diesem Mittwoch um 18.45 Uhr nachgeholt wird.

Der Bus wurde im vorderen und hinteren Bereich oberflächlich zerstört. Er hat verstärkte Scheiben, ist aber nicht gepanzert. Vor dem Bus fuhr wie immer ein Polizist auf einem Motorrad. Auch er wurde bei den Detonationen verletzt. Drei Sprengsätzen waren in den Büschen versteckt, die die Ausfahrt vom Hotel auf die Hauptstraße zu einem Nadelöhr machen. Vorne im Bus saß der Trainer Thomas Tuchel, er ist unverletzt.

Die anderen Spieler haben am Dienstagabend noch etwa eineinhalb Stunden am Hotel verbracht und sind dann nach Hause gefahren. Pierre-Emerick Aubameyang wurde von seinem Bruder abgeholt. Sven Bender, Marcel Schmelzer und Nuri Sahin verließen das Hotel-Areal über die von Polizei- und Feuerwehr-Autos gesäumte Hauptstraße und wurden von Polizisten mit Gewehren in den Händen zu einem Kleinbus des Vereins begleitet, der sie heimfuhr.

"Es fällt uns schwer zu spielen"

Im Stadion habe es zu keinem Zeitpunkt Panik gegeben, heißt es von Seiten der Fans übereinstimmend. Lediglich als die monegassischen Fans unmittelbar nach der ersten Durchsage des Stadionsprechers einen Fangesang anstimmten, gab es Tumult. "Man konnte nicht verstehen, was die gerufen haben, und da sind ein paar Fans schon sauer geworden", sagt BVB-Anhängerin Dagmar Fuchs. Sie stand auf der Südtribüne im Block 82, unmittelbar über Block 13, wo viele der Ultras stehen. "Die haben sofort angefangen zu pfeifen, und dann waren die Monegassen auch ganz schnell wieder still."

Wenige Minuten später stimmten die Monegassen erneut Lieder an, dieses Mal war jedoch klar zu erkennen, dass sie "Dortmund, Dortmund, Dortmund" riefen. "Das ganze Stadion hat applaudiert und mitgemacht, Respekt an die Fans, das war eine starke Geste", sagt Kevin Kie. Auf der Südtribüne seien viele Fans überwältigt von dem Zuspruch der Monegassen gewesen. "Alle waren berührt von der Geste, eine Frau neben mir hat sogar angefangen zu weinen", beobachtete Dortmund-Fan Carolin Kühn.

Auch das Krisenmanagement im Inneren des Stadions sei sehr professionell gewesen, berichtet Kevin Kie. Noch vor der offiziellen Spielabsage seien alle Durchgänge frei gemacht und durch Absperrungen verengte Gänge geräumt worden. "Man hatte schon ein mulmiges Gefühl, aber Angst hatte von den Leuten im Stadion kaum jemand", so Kie.

Vor dem Stadion sei es dann aber wieder gespenstisch still gewesen. Kaum jemand habe geredet. Ein anderer Fan berichtet, die Stimmung sei angespannt gewesen, er selbst habe die ganze Zeit befürchtet, dass es auch in der Nähe des Stadions zu einer erneuten Detonation kommen könnte.

Am Mittwochabend zu Hause zu bleiben kommt für die meistens Fans aber nicht infrage. "Wir dürfen uns als Fans von so einer Aktion nicht abhalten lassen", sagt Johannes Zwanzig. "Wenn wir nicht hingehen, ist das das falsche Zeichen an die Leute, die das gemacht haben, wer auch immer es war." Auch Kevin Kie und seine Freunde werden am Mittwochabend wieder auf der Osttribühne stehen, die erworbenen Karten haben auch bei dem Nachholspiel Gültigkeit. "Ich gehe hin, aber mein Borussenherz blutet. Bartra ist verletzt und fällt erstmal aus, auch die anderen Spieler sind sicher nicht bei der Sache und wir haben einen klaren Nachteil", befürchtet er. "Aber wenn die Fans die Mannschaft mit etwas unterstützen können, dann mit bedingungslosem Zusammenhalt. Jetzt erst recht."

Am Mittwochmorgen um 9 Uhr traf sich die Mannschaft am Trainingsgelände des BVB. "Es fällt uns schwer zu spielen, aber der Terminplan lässt keine andere Möglichkeit zu", sagte BVB-Sprecher Fligge.

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