Anschlag in Ankara:Türkische Gemeinde befürchtet Gewalt in Deutschland

  • Nach dem verheerenden Anschlag in Ankara befürchtet die Türkische Gemeinde, dass es auch in Deutschland zu Auseinandersetzungen zwischen Kurden und nationalistischen Türken kommen könnte.
  • Der Grünen-Vorsitzende Özdemir greift den türkischen Präsidenten scharf an: Erdoğan wolle, dass die Lage in der Türkei eskaliere.

Türkische Gemeinde: "Wehret den Anfängen"

Nach dem Bombenanschlag in Ankara und einer zunehmenden Eskalation in der Türkei hat der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, vor gewaltsamen Auseinandersetzungen von Kurden und nationalistischen Türken auch in Deutschland gewarnt. "Als Erdoğan Staatspräsident wurde, hat diese Polarisierung in Deutschland angefangen", sagte Sofuoglu dem Kölner Stadt-Anzeiger.

"Sobald in der Türkei etwas passiert, gehen die Leute auf die Straße. Und so wie die Stimmung jetzt gerade in der Türkei ist, befürchte ich eine weitere Eskalation auch hier", sagte Sofuoglu weiter. Er beobachte Aufrufe zu ungenehmigten Demonstrationen in den sozialen Medien. Anhänger der verbotenen kurdischen PKK riefen zur Vergeltung auf. Die radikalen Gruppen seien zwar auf beiden Seiten in der Minderheit. Der Chef der Türkischen Gemeinde fügte jedoch hinzu: "Wehret den Anfängen."

Bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am Samstag waren mindestens 97 Menschen getötet worden, mehr als 500 wurden verletzt. Die türkische Regierung verdächtigt die Islamistenorganisation Islamischer Staat (IS). Aber auch die Kurdenorganisation PKK oder zwei linksradikale Gruppierungen werden als mögliche Täter genannt. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP hält der Regierung hingegen Versäumnisse vor und gab ihr eine Mitschuld an dem Anschlag.

Özdemir fordert Aussetzung der Gespräche mit Erdoğan

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte die Europäische Union auf, nach dem Anschlag die Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf Eis zu legen. "Wir dürfen bis zur Wahl am 1. November nichts tun, was als Stärkung von Erdoğan verstanden werden könnte", sagte Özdemir der Funke Mediengruppe.

Özdemir sieht in dem Attentat in Ankara eine gezielte Provokation. "Wer immer das war, hat sich bewusst eine Friedensdemonstration von Gewerkschaften, HDP und auch CHP als Ziel ausgesucht", sagte er der Passauer Neuen Presse. Hier solle Chaos gestiftet werden. "Ausgerechnet einen Tag, bevor die PKK einen einseitigen Waffenstillstand verkünden wollte, wird dieser feige Anschlag verübt."

Erdoğan warf er vor, kein Interesse an einer Waffenruhe mit der PKK zu haben. "Er will, dass die Lage eskaliert und die Menschen auf eine autoritäre Herrschaft setzen." Offensichtlich werde daran gearbeitet, geordnete und faire Neuwahlen am 1. November zu verhindern.

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