Anschlag auf Passagierjet:Zu spät aufgepasst

Laxer Umgang mit der Terrorgefahr? Präsident Obama bemüht sich um Entkräftung der Vorwürfe und verspricht drei Tage nach dem vereitelten Al-Qaida-Anschlag umfassende Aufklärung.

Reymer Klüver

Lange Schlangen vor den Sicherheitsschleusen der US-Flughäfen sind nur die eine Folge des vereitelten Terroranschlags auf Northwest-Flug 253. Auch politisch wird die Attacke ein Nachspiel haben. Die Obama-Regierung ist fieberhaft bemüht, dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie den Schutz vor Terroranschlägen zu lax angegangen sei - eine Vermutung, die die republikanische Opposition in den Raum gestellt hat: "Da gibt es viel zu untersuchen", sagte der Chef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, noch am Wochenende.

Barack Obama, Hawaii, AFP

Bei der Pressekonferenz auf einem Marinestützpunkt auf Hawaii betonte US-Präsident Barack Obama, dass seine Regierung zur Bekämpfung des Terrorismus "jedes Element, das in unserer Macht steht" nutzen werde.

(Foto: Foto: AFP)

Während seines Urlaubs auf Hawaii versprach Obama am Montagabend umfassende Aufklärung und eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen. Er betonte zudem, dass seine Regierung "jedes Element, das in unserer Macht steht", nutzen werde, um Terroristen "im Jemen, in Somalia oder wo auch immer" zu bekämpfen.

"Keiner ist zufrieden."

Heimatschutzministerin Janet Napolitano räumte ein, dass das Sicherheitssystem versagt habe: "Es hat nicht funktioniert. Keiner ist damit zufrieden." Nur Glück hat offenbar eine Katastrophe verhindert: Nach CNN-Informationen sind Experten in den FBI-Labors von Quantico bei Washington inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass die Sprengstoffmenge ausgereicht hätte, ein Loch in die Bordwand des Airbus zu reißen - was einen Absturz verursacht hätte.

Vor allem ein Umstand schürt die Diskussionen unter US-Sicherheitsexperten. Der Sprengstoff PETN, den Umar Farouk Abdulmutallab zur Explosion bringen wollte, hätte leicht entdeckt werden können, wenn existierende Ortungsinstrumente eingesetzt worden wären.

Der Sprengstoff wäre aufgefallen, wären Abdulmutallab oder sein Gepäck auf Sprengstoffspuren überprüft worden. Doch das geschieht nur bei begründetem Verdacht oder bei Überprüfungen nach dem Zufallsprinzip. Das ist in Schiphol, dessen Sicherheitsvorkehrungen die USA sehr loben, nicht anders als an amerikanischen Flughäfen.

"Völlige Fehlleistung" des Sicherheitssystems

Das PETN wäre auch entdeckt worden, hätte Abdulmutallab einen Ganzkörper-Scanner passieren müssen. Doch nur 14 von 200 Kontrollpunkten in Schiphol sind damit ausgestattet. Nicht anders ist die Situation an amerikanischen Flughäfen. Zur Zeit setzt die US-Verkehrssicherheitsbehörde TSA 40 derartiger Scanner an 19 Flughäfen ein - eine verschwindend geringe Zahl. Bis 2014 sollen für die 2200 Sicherheitsschleusen auf US-Flughäfen 878 dieser Geräte angeschafft werden.

Bruce Hoffman, ein führender US-Terrorexperte, spricht von einer "völligen Fehlleistung" des Sicherheitssystems. Es sei höchst beunruhigend, dass Abdulmutallab den Sprengstoff an Bord habe schmuggeln können - trotz der 30 Milliarden Dollar, die die TSA seit 2004 in Sicherheitsmaßnahmen gesteckt habe, und trotz der fast sechs Milliarden Dollar, die Fluggesellschaften weltweit dafür aufbrächten.

"Obwohl die Technologie existiert, solche Bedrohungen abzuwenden, wird sie nicht eingesetzt", stellte die Vorsitzende des Heimatschutzausschusses im Repräsentantenhaus, Jane Harman, fest - und kündigte eine parlamentarische Untersuchung im Januar an. Ihr Pendant im Senat, Joe Lieberman, kritisierte die Lücken im Informationssystem der Sicherheitsbehörden.

Unverständlich sei, dass Abdulmutallabs Name in eine Liste von Terrorverdächtigen komme, aber sein Visum nicht überprüft werde. Die Washington Post berichtete, dass Computerexperten im National Counterterrorism Center, der zentralen Antiterrordatei der US-Behörden, bereits daran arbeiteten, diese und andere Lücken im Sicherheitssystem zu schließen. Zudem sollen die Terrordateien und die Sicherheitsmaßnahmen an den Flughäfen überprüft werden.

Drei Tage nach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug hat sich die "Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel" zu dem Attentat bekannt. Zugleich kündigte sie weitere Angriffe auf westliche Ziele an. US-Präsident Obama schwor, die Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen.

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