Anschlag auf Mallorca:Terrorbotschaft für Touristen

Zum ersten Mal mordet die baskische Eta auf der Ferieninsel Mallorca. Sie will damit nicht nur den Staat herausfordern, sondern auch alle Urlauber abschrecken.

Javier Cáceres und Sebastian Schoepp

Es war Donnerstag 15.40 Uhr, als der letzte Touristenflieger auf dem Flughafen Son Sant Joan abhob, ein Billigflieger aus Irland bohrte sich in den strahlend blauen Himmel Mallorcas und trat die Reise nach London an. Danach war der Airport dicht, wurden auch sämtliche Häfen der Insel gesperrt. "Operación Jaula" nannten es die Behörden, "Operation Käfig": Kein Schlupfloch sollte offen bleiben. Gut drei Stunden dauerte die Operation, sie galt Mitgliedern der baskischen Terrororganisation Eta, die zwei Stunden zuvor in Palmanova ein Fahrzeug der spanischen Guardia Civil in die Luft gejagt haben, zwei Polizisten sind dabei gestorben. Sie sind die ersten Mordopfer der Eta auf Mallorca.

Anschlag in Mallorca, Reuters

Der Anschlag der Eta ist auch ein schwarzer Tag für die Tourismusindustrie.

(Foto: Foto: Reuters)

Für sich allein schon ein Drama. Doch ein schwarzer Tag ist es auch für die Tourismusindustrie. Auch das dürfte dem Regierungschef der Balearen, dem Sozialisten Francesc Antich, durch den Kopf gehen, als er am Ort des Geschehens eintrifft, die Arme verschränkt und zu Boden blickt. Seine Worte und sein Mitgefühl gelten freilich den jüngsten Opfern der nationalistischen Barbarei der Eta.

Seit 50 Jahren bombt und mordet die Eta, ihr Krieg hat mehr als 1000 Opfer gefordert, Tausende Verletzte. Früher kämpfte sie gegen die Franco-Diktatur, heute gegen die spanische Demokratie. Mit allen Mitteln, denn aus Sicht der Terroristen sind sie vom Zweck geheiligt.

Schon früher hatte die Eta Urlaubsziele angegriffen, Hotelsiedlungen ins Visier genommen. So wie am Donnerstag. Die Bombe war zwar darauf angelegt, "bloß" Zivilgardisten zu töten, ihr mörderisches Werk vollbrachte sie mit Präzision. Eine zweite Bombe, die an einem Guardia-Civil-Auto nahe des ersten Anschlagsortes befestigt war, konnte die Polizei am Abend entschärfen.

Aber Terrorismus ist auch eine Kommunikationsstrategie, sagen Experten, und wenn die Bomben eine Botschaft haben, dann nicht nur die, dass die Eta 50 wird, sondern auch, dass Urlauber aus Mitteleuropa eingeschüchtert werden: Kommt nicht her, ihr seid nicht sicher. Die Explosion ereignete sich in Palmanova, inmitten der Golfplätze und Strände nahe der Touristenhochburg Magaluf, 500 Meter von der Brandung entfernt, hinter der Strandlinie.

Mallorca ist aus der Sicht der Terroristen ein perfektes Ziel. Keine Insel ist den Mitteleuropäern heiliger. Mallorca ist der Totem des Spanien-Tourismus. 80.000 Menschen wollten allein am Donnerstag auf die Insel reisen. Einmal juxte ein bayrischer Abgeordneter, man sollte Mallorca als 17. Bundesland übernehmen.

Spektakuläre Schläge gegen die Führungszirkel

Weil die Menschen sich an Orten wie diesem so heimisch fühlen, durch deutsche Zeitungen, den Ballermann, das deutsche Satelliten-TV. Auf den Bildern im Fernsehen sind bleichgesichtige Urlauber mit zerfurchten Stirnen zu sehen, die sich über die Balkons ihrer Ferienwohnungen und Hotels lehnen, das Desaster begutachten, dort festsitzen wie später Tausende Urlauber am Flughafen. Und sich vielleicht nach dem Sinn dieser Aktion fragen. Erfolglos. Denn es gibt keinen.

Keine 30 Jahre alt wurden die beiden ermordeten Polizisten Carlos Enriquez, 27, und Diego Salva, 28. Die Bombe verwandelte ihren Nissan Patrol in ein verkohltes Stück Blech, spanische Medien berichten, dass Körperteile eines Polizisten bis auf einen Baum geschleudert wurden. Das ist die Art, wie die Eta-Terroristen zeigen, dass sie noch da sind.

Im Moment halten sie das für besonders wichtig. In den vergangenen Monaten sind der französischen und spanischen Polizei spektakuläre Schläge gegen die Führungszirkel der Bande gelungen, Frankreich war und ist das bevorzugte Rückzugsgebiet der Bande. 750 Terroristen sitzen in Haft. Das bewog spanische Medien und Politiker, vielleicht etwas zu laut über ein baldiges Ende der Terrorbande nachzudenken.

Daraus, eine Befreiungsbewegung zu sein, bezieht die Eta immer noch ihr Selbstverständnis - auch wenn das außer ihr keiner mehr glaubt. Deshalb richtet sich ihre Aggression meist gegen jene, die die "Etarras" für Repräsentanten des gehassten Madrider Zentralstaats halten: Politiker und Polizisten, besonders Zivilgardisten. Die kasernierte Polizei galt einst als Symbol des franquistischen Unterdrückungsapparates, nimmt heute aber normale Polizeiaufgaben wahr und kann von niemandem ernsthaft als Bedrohung gesehen werden, der an einem friedlichen Zusammenleben interessiert ist.

Am Mittwoch hatte die Eta eine Bombe vor einer Kaserne dieser Guardia Civil gelegt, in Burgos, in Nordspanien. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden im ganzen Land verstärkt, weshalb die Kaltblütigkeit der Eta, gleich am nächsten Tag wieder zuzuschlagen, Sicherheitsexperten verblüfft. Nur etwa acht Minuten vom Anschlagsort auf Mallorca entfernt wollte der oberste Repräsentant des Staates, König Juan Carlos, am Wochenende seinen Urlaub beginnen. Im Marivent-Palast, wo die Königsfamilie traditionell ihre Sommerferien verbringt. 1995 versuchte die Eta einmal, den Monarchen mit einem Präzisionsgewehr zu erschießen. Doch der Plan flog auf.

Dass ausländische Touristen zu Schaden kommen, nimmt die Eta eher billigend in Kauf; Fremde sind - anders als bei islamistischen Terroristen - nicht ihr Hauptziel, sondern ein Kollateralschaden. Sie führen keinen "heiligen Krieg", sondern kämpfen für eine Unabhängigkeit, die im Baskenland in dieser Form aber niemand mehr will.

Dicht genug kann das Sicherheitsnetz kaum gestrickt sein

Das ist übrigens ein Grund, warum deutsche Gerichte den Eta-Terror nicht automatisch als "höhere Gewalt einstufen, die Geld-zurück-Forderungen von Touristen rechtfertigen könnte, die sich vor Anschlägen fürchten. Einzelne Attentate zählen nach Meinung von Juristen zum "allgemeinen Lebensrisiko".

Das Auswärtige Amt in Berlin warnt Spanien-Reisende auch eher etwas allgemein zur Vorsicht. "Anschläge sind nicht auszuschließen", heißt es dort, allerdings habe das spanische Innenministerium "verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an belebten Plätzen und wichtigen Infrastruktureinrichtungen ergriffen".

Dicht genug kann das Sicherheitsnetz kaum gestrickt sein, denn die Stärke der Eta war es stets, unberechenbar zu sein. Im März 2001, außerhalb der Saison, tötete sie im Touristenort Rosas an der Costa Brava einen Polizisten. Im August desselben Jahres verletzte sie 13 Menschen mit einer Bombe im Ferienort Salou.

Ein schwerer Anschlag auf den Flughafen Málaga wurde in letzter Minute vereitelt. Im Jahr darauf nutzten die Terroristen ein Feuerwerk in Santa Pola südlich Alicantes zum Bombenlegen: Ein sechsjähriges Mädchen und ein Mann starben. In Fuengirola wurden im selben Jahr vier Briten verletzt, als eine Bombe im Hotel Piramides hochging.

Bei Anschlägen auf zwei Hotels an der Costa Blanca wurden im Juli 2003 insgesamt 13 Menschen verletzt, darunter ein Deutscher. Die Eta beschränkte sich aber nicht aufs Mittelmeer. Sie bombte in Galicien, an den windigen Stränden Kantabriens und in ihrer Heimat San Sebastián. Im Juli 2008 stellte die Polizei an der Costa del Sol ein Auto mit Bombenbauwerkzeugen sicher, die für ein Großattentat auf ein touristisches Ziel ausgereicht hätten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: