Moskau nimmt Abschied von Kremlkritiker Nemzow
Nach dem Attentat auf den charismatischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow wollen am Sonntagmittag bis zu 50 000 Menschen im Zentrum von Moskau an einer Trauerkundgebung für den ermordeten Kremlgegner teilnehmen. Die Route soll auch über die Bolschoi-Moskworezki-Brücke in Sichtweite des Kreml führen - den Ort, an dem Nemzow am Freitagabend erschossen wurde. Nach der Trauerkundgebung wird der Sarg mit dem Leichnam im Sacharow-Menschenrechtszentrum aufgebahrt.
Zuletzt hatte es Streit um den Ort der Oppositionskundgebung gegeben. Die Regierungsgegner hatten kritisiert, dass sie nicht wie regierungstreue Gruppierungen im Stadtzentrum demonstrieren durften. Die Opposition hatte allerdings einer Verlegung der Kundgebung an den Rand Moskaus zugestimmt, um kein Verbot zu riskieren. Die Erlaubnis der Kundgebung gilt als überraschend. Auf einen ursprünglich für Sonntag geplanten Marsch gegen die Politik von Kremlchef Wladimir Putin verzichtete die Opposition.
Ermordung von Putin-Kritiker Boris Nemzow:Tag der Angst
Am 27. Februar 2014 übernahmen russische Soldaten die Kontrolle auf der Krim, er soll in Russland zukünftig ein Feiertag sein. Die russische Opposition wird nach der Ermordung Boris Nemzows an diesem Tag nun jährlich daran erinnert werden, wie gefährlich ihr Engagement ist. Ihr sollte die Solidarität des Westens gelten.
Überwachungsvideo zeigt Tatort
Der Moskauer Fernsehsender TWZ veröffentlichte ein Überwachungsvideo vom Ort und von der Zeit der Tat. In der Aufnahme ist nach Darstellung des Senders zu sehen, wie Nemzow mit seiner Begleiterin am Freitag gegen 23.30 Uhr (21.30 Uhr deutscher Zeit) von einem Mann verfolgt wird. Eine Kehrmaschine verdeckt dann die Sicht auf das Paar und den Mann. Wenig später ist zu sehen, wie der mutmaßliche Täter auf die Straßen läuft und in ein Auto einsteigt und flüchtet. Etwa zehn Minuten danach trifft die Polizei ein.
Spuren in die Ukraine und die nationalistische Szene
Es würden die Aufnahmen der Videoüberwachung gesichtet sowie die Telefonverbindungen im Umfeld des Tatorts rekonstruiert, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde Wladimir Markin. Die Täter könnten das Ziel gehabt haben, die Lage in Russland zu destabilisieren. Verfolgt wird demnach auch eine islamistisch-extremistische Spur. Demnach soll Nemzow Drohungen erhalten haben, weil er sich nach dem Terroranschlag auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo mit den Journalisten solidarisch gezeigt hatte.
Die Ermittler gehen zudem einer möglichen Spur in die Ukraine nach. Die Fahnder halten es für möglich, dass außer Kontrolle geratene Kräfte in der Ukraine für den Auftragsmord verantwortlich seien. Markin sagte, dass nicht zuletzt die geschäftlichen Kontakte des früheren Vize-Regierungschefs untersucht würden. Putin-Gegner vermuten die Täter stattdessen eher in der nationalistisch-russischen Szene, in der Nemzow wegen seiner Parteinahme für die Ukraine viele Feinde hatte.
Mord an einem der prominentesten Kritiker Putins
Der russische Oppositionspolitiker und frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow war in der Nacht zum Samstag in der Nähe des Kremls erschossen worden. Der 55-Jährige gehörte zu den prominentesten Kritikern von Putin. Zuletzt hatte er sich mit seiner Kritik an der russischen Ukraine-Politik Feinde gemacht. Nemzow hatte nach Informationen des früheren georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili an einem Bericht über die russische Verstrickung in den Krieg in der Ostukraine gearbeitet.
Zum Tod von Putin-Kritiker Nemzow:Einer von zu vielen
Der russische Oppositionelle Boris Nemzow wurde in Moskau unweit des Kreml erschossen. Kurz vor seinem Tod hat er in einem Interview das Ende des Ukraine-Kriegs gefordert. Er ist einer von vielen Putin-Kritikern, die ihr Engagement mit dem Leben bezahlen.
Weltweites Entsetzen über Tod von Nemzow
Die Lage in Russland ist angespannt. "Ich kann es nicht glauben. Was ist aus Russland geworden? Die Aggression wächst", sagte der Oppositionsführer Michail Kasjanow im Radiosender Moskauer Echo. Der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow warnte vor einem "wachsenden Hass auf Andersdenkende" in der Gesellschaft. Kein Oppositioneller könne sich heute sicher fühlen, betonte er. Der Mord reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Taten ein, denen in den vergangenen Jahren Oppositionelle wie die Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa oder die Journalistin Anna Politkowskaja zum Opfer fielen, worauf auch SZ-Korrespondent Julian Hans hinweist:
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Die Tat hatte weltweites Entsetzen ausgelöst. Putin verurteilte den "brutalen Mord" ebenso wie US-Präsident Barack Obama. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bestürzt. Sie forderte Putin auf, "zu gewährleisten, dass der Mord aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat auf das Schärfste und forderte eine rasche Aufklärung. Er drückte "Herrn Nemzows Familie, Freunden und Unterstützern" sein tiefstes Beileid aus. Die Erwähnung von "Unterstützern" ist nach Ansicht von Beobachtern ungewöhnlich.