Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Mittwoch in Afghanistans Hauptstadt Kabul eine Friedensversammlung begonnen, die Wege zur Aussöhnung mit den radikal-islamischen Taliban aufzeigen soll. Präsident Hamid Karsai lud 1600 Delegierte aus allen Teilen des Landes zu der dreitägigen Dschirga ein. Trotz der enormen Sicherheitsvorkehrungen gelang es den Taliban, den Auftakt der Versammlung mit gezielten Angriffen zu stören. SZ-Reporter Tobias Matern erläutert aus Kabul die wichtigsten Fragen.
Die Situation vor Ort
Wenige Minuten nach Beginn der Rede von Hamid Karsai schlug bereits die erste Rakete in der Nähe des Versammlungszeltes ein. Es waren Schüsse und mehrere Explosionen zu hören. Der Präsident reagierte aber vergleichsweise gelassen und versuchte, die Delegierten zu beruhigen, damit keine Panik entsteht und setzte seine Rede fort. Sicherheitskräfte berichteten von drei in Burkas gehüllten Attentätern. Zwei davon sind erschossen worden, ein dritter wurde nach offiziellen Angaben festgenommen.
Die Bedeutung der Anschläge
Die Anschläge gleich zum Auftakt der Dschirga belasten natürlich die Gespräche. Die Regierung hat 12.000 zusätzliche Sicherheitskräfte in die Hauptstadt beordert, an jeder Ecke stehen Straßensperren - und trotzdem gelingt es den Taliban, die Dschirga gleich zum Auftakt erheblich zu stören. Das ist eine Machtdemonstration der Islamisten. Die Medien - in Afghanistan und in aller Welt - werden nun mehr von den Anschlägen berichten, als von der durchaus vernünftigen Rede des Präsidenten.
Erfolgsaussichten für Karsai
Dschirgas haben eine lange Geschichte und sind tief verwurzelt in der afghanischen Tradition. Jetzt sprechen 1600 Menschen in Kabul über Frieden. Das hört sich erst einmal gut an, die Veranstaltung hat aber nur symbolischen Charakter. Karsai versucht auf diesem Weg ein breites Mandat für Friedensverhandlungen mit den Taliban zu bekommen. Seit seiner um mehrere Millionen Stimmen gefälschten Wiederwahl hat der Präsident immer wieder betont, sich mit den Islamisten an einen Tisch setzen zu wollen. Und auch in seiner Rede hat er gesagt: "Ich rufe dich dazu auf, mein Bruder, mein lieber Talib, kehre zurück. Dies ist dein Land." Frieden kann es in diesem Land nur geben, wenn die Taliban sich daran beteiligen. Das Problem ist: Die Taliban haben kein Interesse an Verhandlungen. Sie fühlen sich siegessicher, das zeigen auch die Anschläge zum Auftakt der Friedens-Dschirga. Die große Frage ist also: Wie kann es gelingen, die Taliban zum Einlenken zu bewegen? Sicher nicht mittels dieser Versammlung in Kabul.