Süddeutsche Zeitung

"Anschlag auf die Demokratie":Martin Schulz hilft der CDU

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Der SPD-Vorsitzende greift Merkel maßlos und an der falschen Stelle an. Davon profitiert die CDU: Sie kann sich jetzt als Opfer inszenieren.

Von Robert Roßmann

Es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht es die SPD der Kanzlerin macht. Der Parteitag von Dortmund sollte den Genossen zu neuem Schwung verhelfen - nach dem Absturz in den Umfragen wäre der auch dringend nötig. Doch Martin Schulz ist es gelungen, mit einem einzigen Satz dafür zu sorgen, dass schon am Tag danach kaum noch jemand über das austarierte Programm der SPD und die Defizite der CDU spricht. Beides wird überdeckt von einem maßlosen Angriff des SPD-Vorsitzenden auf die Kanzlerin.

Schulz hat Merkel einen "Anschlag auf die Demokratie" vorgeworfen, weil sie mit ihrer Inhaltsleere absichtlich Bürger von der Wahl abhalte. Der Vorwurf ist nicht nur aus der Zeit gefallen. Bei allen acht Landtagswahlen der Jahre 2016 und 2017 ist die Beteiligung gestiegen, wie auch bei der Bundestagswahl 2013. Zuletzt hat die CDU sogar vor allem deshalb gewonnen, weil es ihr gelungen ist, in erstaunlichem Maß bisherige Nichtwähler zurückzugewinnen. Die Zeit, in der - vielleicht auch wegen der von Merkels damaligem Generalsekretär Ronald Pofalla erfundenen asymmetrischen Demobilisierung - die Wahlbeteiligung ständig gesunken ist, ist vorbei.

Der Vorwurf von Schulz ist aber nicht nur falsch, sondern auch ungeheuerlich. Anschläge auf die Demokratie begeht der IS - oder begingen einst der NSU und die RAF. Wenn Merkels Verhalten tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie wäre, würde sich auch jeder schuldig machen, der sie zur Kanzlerin wählt. Genau das haben die SPD-Abgeordneten aber getan.

Der SPD-Chef hat Merkel maßlos und am falschen Punkt attackiert

Mit seiner Attacke auf Merkel hilft Schulz der CDU. Statt sich für ihre Ideenlosigkeit rechtfertigen zu müssen, kann die Union sich jetzt bequem als Opfer inszenieren. Dabei wäre es für Schulz so einfach gewesen, gegen die CDU zu punkten. Denn Merkel begeht zwar keinen Anschlag auf die Demokratie in Deutschland, aber sie beschädigt die innerparteiliche Demokratie in der CDU. Während die SPD mehr als ein Jahr lang in den verschiedensten Gremien über ihr Programm debattiert hat, lässt Merkel das Programm klandestin von wenigen Vertrauten erarbeiten. Nicht einmal der CDU-Vorstand hat bisher einen Entwurf vorgelegt bekommen, dabei soll er das Programm bereits in einer Woche verabschieden. Das mag effizient sein, ist aber der Tod der innerparteilichen Mitbestimmung.

Politische Debatten leben auch von Zuspitzungen, die Bürger wollen die Unterschiede zwischen den Parteien erkennen. Aber diese Zuspitzungen müssen Grenzen haben. Das gilt natürlich auch für die Union. Horst Seehofers Vorwurf, Merkel sei für eine "Herrschaft des Unrechts" verantwortlich, oder Peter Taubers Gleichsetzung von FDP-Chef Christian Lindner mit dem Rechtsaußen Alexander Gauland waren genauso unter der Gürtellinie wie jetzt der Angriff von Schulz. Bei den Wahlkämpfen in den USA und in Frankreich haben persönliche Attacken eine unrühmliche Rolle gespielt. Es wäre gut, wenn derartige Angriffe nicht auch Teil deutscher Wahlkämpfe werden würden.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2017
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