Anschlag auf Christen:Ägyptens Fassade bröckelt

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Es sind fürchterliche Zeiten für Christen im Nahen Osten, sie können sich kaum noch irgendwo in der arabisch-islamischen Welt sicher fühlen. Auch nicht in Ägypten, das lange als Anker der Stabilität galt - der Anschlag offenbart das Gegenteil.

T. Avenarius

Es sind fürchterliche Zeiten für die Christen im Nahen Osten. Im Irak werden sie Opfer des Al-Qaida-Terrors , wandern zu Tausenden aus und könnten so das Christentum im Zweistromland bald aussterben lassen.

Proteste gegen den Terrorakt:  21 Tote forderte ein Selbstmordanschlag auf eine Kathedrale in Alexandria, es kam zu Zusammenstöße der Polizei mit erzürnten Christen. (Foto: dpa)

Jetzt werden sie in Ägypten Ziel des militanten Islams: 21 Tote nach einem Selbstmordanschlag auf eine Kathedrale in Alexandria, Zusammenstöße der Polizei mit erzürnten Christen und steigendes Misstrauen in einer Gesellschaft, in der das Zusammenleben zwischen den Muslimen und den etwa zehn Prozent koptischer Christen trotz vieler Probleme bislang einigermaßen funktioniert hat.

Der Anschlag auf die Mitternachtsmesse hat eine andere Qualität als die Bluttaten in Bagdad. Ägypten ist kein Kriegsgebiet. Die Kopten sind die größte christliche Minderheit in einem Nahost-Land. Wenn die Christen dort bedroht werden, können sie sich kaum noch irgendwo in der arabisch-islamischen Welt sicher fühlen.

Zugleich macht das Attentat klar: Der Terror-Islamismus ist ein Phänomen, vor dem kein arabisches Land sicher ist. Nicht einmal der Polizeistaat von Präsident Hosni Mubarak.

Der Staatschef mag "ausländische Kräfte" für den Anschlag verantwortlich machen: Al-Qaida-nahe Terroristen hatten nach einem Blutbad in einer Bagdader Kirche vor zwei Monaten dazu aufgerufen, Christen auch in Ägypten anzugreifen.

Aber in einem Staat wie dem Mubaraks können Ausländer alleine keine Bomben legen. Es gab zumindest einheimische Helfer. Das zeigt, dass der mit äußerster Härte bekämpfte Terror nicht ausgemerzt worden ist, wie es Kairo nach einer Reihe von Attentaten auf Touristenzentren behauptet hatte. Der gewaltbereite politische Islam bleibt im Land verwurzelt. Und der Staat ist unfähig, die Menschen zu schützen.

Nun werden Verhaftungswellen folgen. Die Sicherheitskräfte werden nachträglich Härte demonstrieren, bei der Gelegenheit auch gegen friedliche Islamisten vorgehen. Der Anschlag gibt dem Staat die Chance, vor der für kommenden Herbst geplanten Präsidentschaftswahl trotz aller Oppositionsproteste die verhassten Notstandsgesetze aufrechtzuerhalten.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Mubarak ein weiteres Mal antritt oder einen Nachfolger ins Amt hievt, der die Interessen seiner Elite auf Kosten der breiten Masse wahrt. So oder so spielt das kaum eine Rolle. Die Wahl wird die Gesellschaft weiter spalten, die Hoffnung auf mehr Demokratie und Mitbestimmung begraben, den Militanten neuen Auftrieb geben.

Ägypten galt als Anker der Stabilität in einer Region, die über Jahrzehnte Synonym für politisch motivierte Gewalt geworden ist. Aber die Menschenrechtslage ist katastrophal, das Regime korrupt, die Fassaden-Demokratie eine Farce.

Das macht den nicht-militanten politischen Islam populär. Da die Grenzen zwischen militantem und nicht-militantem Islamismus durchlässig sind, könnten neue Anschläge in Ägypten bald folgen.

© SZ vom 03.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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