Was wir wissen
Über den Verdächtigen: Der mutmaßliche Berliner Attentäter Anis Amri ist am Freitag in Mailand erschossen worden. Dies bestätigte der italienische Innenminister Marco Minniti. Bei einer Personenkontrolle im Stadtviertel Sesta San Giovanni gegen 3 Uhr morgens hat Amri eine Pistole gezogen und angefangen zu schießen. Die Polizisten haben das Feuer erwidert und Amri dabei getötet. Ein italienischer Beamter wurde an der Schulter verletzt, schwebt aber nicht in Lebensgefahr.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte seit Mittwoch europaweit nach dem 24-jährigen Tunesier gesucht. Amri ist offenbar mit dem Zug über Frankreich nach Italien gereist. Er sei aus Chambéry in Frankreich nach Turin gekommen und von dort nach Mailand weitergefahren, sagte der Mailänder Anti-Terror-Chef Alberto Nobili.
Nach Informationen von SZ, NDR und WDR war Amri als terroristischer Gefährder eingestuft. Gegen ihn wurde bereits wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt. Angestrengt hatte die Ermittlungen das LKA Nordrhein-Westfalen, geführt wurden sie jedoch von Berlin aus, wo Amri offenbar zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte. Die Behörden der Länder tauschten sich über den Fall aus - zuletzt im November. Seit Dezember war er aus dem Blick der Fahnder verschwunden.
Amri kam im Juli 2015 nach Deutschland und beantragte hier Asyl. Der Antrag wurde abgelehnt, seit April 2016 lebt er als geduldeter Flüchtling in der Bundesrepublik. In diesem Sommer sollte er ausgewiesen werden; das scheiterte allerdings daran, dass die notwendigen Papiere fehlten. Anis Amri - unter diesem Namen führen ihn die Behörden. Der Name ist nur eine von bis zu acht Identitäten, die sich der Verdächtige zugelegt haben soll.
Ein Aufenthaltsdokument brachte die Ermittler auf die Spur des Verdächtigen. Es wurde in einer Geldbörse gefunden, die unter dem Fahrersitz des Lkws lag, dessen Fahrt über den Breitscheidplatz am Montagabend zwölf Menschen das Leben gekostet hat. Am Donnerstag wurden zudem seine Fingerabdrücke an der Fahrertür des Lkws entdeckt.
Der Tunesier bewegte sich im Umfeld des Predigers Ahmad Abdelazziz A., genannt Abu Walaa, der im November festgenommen wurde. So soll Anis Amri zeitweise bei dem Dortmunder Boban S. gewohnt haben. S. war gleichzeitig mit Abu Walaa festgenommen worden. Boban S. wird vorgeworfen, für den bewaffneten Dschihad geworben und sich zum IS bekannt zu haben.
Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat am Dienstagabend für sich.
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Abu Walaa steht schon lange auf der Liste der sogenannten Gefährder in Deutschland. Er soll junge Menschen aufgehetzt und in den Dschihad geschickt haben. Doch bislang fehlte ein Beweis dafür.
Über den Tathergang: Am Montagabend um kurz nach 20 Uhr fuhr ein Lastwagen am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg auf den Gehweg - direkt in eine Menschenmenge hinein. Auf dem Breitscheidplatz findet ein Weihnachtsmarkt statt, der zu den meistbesuchten in Berlin gehört. Am Dienstag erklärte die Polizei, sie gehe von einem terroristischen Anschlag aus: Der Lkw sei vorsätzlich in die Menge gesteuert worden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bestätigte: "Wir haben in der Zwischenzeit keinen Zweifel mehr, dass es sich bei dem schrecklichen Ereignis um einen Anschlag handelt."
Über die Opfer: Zwölf Menschen sind getötet worden. Elf von ihnen starben, als der Lkw in die Menschenmenge raste. Acht von ihnen wurden Polizeiangaben zufolge bislang identifiziert, darunter sechs Deutsche, eine Frau aus Israel und eine Italienerin. Eine Person wurde erschossen auf dem Beifahrersitz des Lkws aufgefunden - es handelt sich um den polnischen Speditionsfahrer des Lastwagens. Außerdem wurden 48 Menschen verletzt, einige schwer. Zwölf von ihnen werden am Mittwoch noch in Berliner Krankenhäusern behandelt, einige von ihnen befinden sich noch in kritischer Verfassung.
Über den Lkw: Der Sattelschlepper gehört einer polnischen Transportfirma. Der Spediteur identifizierte das Fahrzeug und den Toten in der Fahrerkabine, bei dem es sich um seinen 37-jährigen Cousin handelt. Der Fahrer war mit einer 25 Tonnen schweren Ladung Stahl aus dem italienischen Turin nach Berlin gekommen. Am Montagnachmittag haben der Speditionsbesitzer und der Fahrer nach dessen Schilderung zum letzten Mal telefoniert: Die Entladung war auf Dienstag verschoben worden. Der Fahrer parkte den Sattelschlepper daraufhin zwischen den Stadtteilen Tiergarten und Wedding am Friedrich-Krause-Ufer. Er wurde offenbar mit einer Art selbstgebasteltem "Schießinstrument" erschossen. Noch ist nicht geklärt, was sich genau in der Fahrerkabine abspielte, aber vielen gilt der polnische Lkw-Fahrer bereits als Held.
Was wir nicht wissen
Über mögliche Drahtzieher und Komplizen: Der IS hat zwar über sein Sprachrohr Amak, eine Agentur zur Verbreitung seiner Propaganda, den Anschlag für sich reklamiert. Auch stand der Verdächtige auf der behördlichen Liste terroristischer Gefährder. Inwiefern der Täter aber vom IS beauftragt wurde, ist ungeklärt - ebenso wie die Frage, ob es nur einen Attentäter gab oder ob mehrere Personen an der Vorbereitung oder der Ausführung der Tat beteiligt waren.
Wie der Täter an den Lkw gekommen ist: Der polnische Spediteur, der den Lastwagen als seinen eigenen erkannt hat, mutmaßte, das Fahrzeug müsse entführt worden sein. Laut GPS-Daten des Lasters habe jemand das Fahrzeug am Montag mehrfach gestartet, obwohl es eigentlich bis zu seiner Entladung am Dienstag stehen bleiben sollte. "Es ist, als hätte jemand geübt, ihn zu fahren", sagte er. Die GPS-Daten werden von den deutschen Ermittlern ausgewertet.
Wer die Opfer sind: Die Identität aller zwölf Opfer ist noch nicht geklärt. Neben dem polnischen Fahrer sind eine Israelin und eine Italienerin unter den Toten. Unter den deutschen Opfern sind nach Angaben des Brandenburger Innenministeriums ein 32 Jahre alter Mann aus Brandenburg an der Havel und eine 53-jährige Frau aus dem Landkreis Dahme-Spreewald. Auch von den insgesamt 48 Verletzten ist bislang kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen.