Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt:Der Lkw als Waffe

  • Immer wieder nutzen Terroristen Fahrzeuge für Anschläge.
  • Sicherheitsbehörden kennen die Gefahr. Doch sie stehen vor dem Problem, dass die Anschläge vergleichsweise einfach zu begehen sind.

Von Benedikt Peters und Markus C. Schulte von Drach

Vor fünf Monaten tötete der Attentäter von Nizza 86 Menschen. Der Mann steuerte im Juli einen Lkw in eine Menschenmenge an der Strandpromenade. Dort liefen gerade die Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag. Nun ist es wieder ein Lkw, der viele Menschen in den Tod reißt, auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.

Noch sind nicht alle Hintergründe des Vorfalls aufgeklärt. Sicher ist aber: Wieder wurde ein Lkw in eine Menschenmenge gesteuert. Und wieder starben viele Menschen, die Polizei meldet zwölf Tote. Viele wurden mit schweren Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. Die Polizei spricht von einem "vermutlich terroristischen Anschlag".

Nicht erst seit Nizza werden Fahrzeuge immer wieder als Waffen benutzt, indem sie gezielt in Menschenmengen gesteuert werden. 2009 tötete ein Attentäter fünf Menschen in der niederländischen Stadt Apeldoorn und verletzte zwölf weitere, als er mit einem Kleinwagen in einen Umzug zum Königinnentag fuhr. Der Niederländer hatte das offene Fahrzeug der Königin und ihrer Familie rammen wollen. Er starb an den Verletzungen, die er sich bei dem Anschlag zuzog.

In der französischen Stadt Nantes fand 2014 ein Lkw-Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt statt. Ein Mensch kam ums Leben, neun wurden verletzt. Im gleichen Jahr raste in Dijon ein Attentäter in eine Gruppe von Fußgängern und verletzte elf Menschen. Es gibt weitere Fälle in den USA, in Kanada - und besonders viele in Israel. Dort gab es allein 2008 mehrere Tote und etliche Verletzte bei drei Anschlägen, die Palästinenser mit Radladern oder anderen Fahrzeugen verübten.

2014 überfuhr ein Palästinenser einen jungen Mann in Jerusalem mit einem Bagger und verletzte fünf Menschen. Ein weiterer Palästinenser raste in dem Jahr mit seinem Auto in eine Menschenmenge. Er tötete ein Baby und eine junge Frau und verletzte sieben weitere Personen. In allen Fällen wurden die Attentäter erschossen.

Anschläge mit Fahrzeugen sind relativ einfach

Anschläge mit Fahrzeugen sind vergleichsweise einfach durchzuführen. Nahezu jeder kann sich einen Pkw oder auch einen Lkw besorgen. Der Attentäter von Nizza etwa hatte seinen Lkw gemietet. Zudem weckt ein Fahrzeug im Straßenverkehr in der Regel keinen Verdacht. Es ist möglich, sich dem Anschlagsziel unauffällig zu nähern.

Die US-Bundespolizei FBI wies bereits 2010 auf diese Gefahr hin. Fahrzeuge erlaubten, auch mit minimalem Training oder wenig Erfahrung solche Anschläge zu verüben. Das US-Heimatschutzministerium warnte ebenfalls 2010 davor, dass große Gruppen von Menschen bei allen Sportereignissen, Festivals oder auch in Einkaufszentren attraktive Ziele nicht nur für Bombenattentate, sondern auch für Anschläge mit Fahrzeugen sein könnten.

Bekannt ist außerdem, dass Terrororganisationen ihre Anhänger dazu aufrufen, für Attacken Fahrzeuge zu verwenden. Die letzte Ausgabe des IS-Propagandamagazins Rumiyah etwa enthält einen Artikel, der sich regelrecht wie eine Anleitung liest. Es werden dort detaillierte Angaben gemacht, welche Fahrzeuge und welche öffentlichen Ziele geeignet seien. Die Dschihadisten empfehlen unter anderem, "Märkte im Freien" ins Visier zu nehmen. Bereits 2010 veröffentlichte das Webmagazin Inspire, das mutmaßlich vom Al-Qaida-Ableger im Jemen produziert wird, einen ähnlichen Text. Darin werden Terroristen aufgefordert, Lastwagen als "Mähmaschinen" einzusetzen, um die Feinde Allahs "niederzumähen". 2014 riet ein Sprecher des IS, wenn nichts anderes zur Verfügung stünde, sollten die Gegner eben überfahren werden.

Auch im Fall des minderjährigen Würzburger Attentäters hätte ein Auto zur Tatwaffe werden können. Das hatte zumindest der IS-Instrukteur des Jugendlichen in einem Chat gefordert. Der Jugendliche hatte erwidert, dass er nicht Auto fahren könne und das Erlernen zu viel Zeit kosten würde. Der Attentäter hatte Mitte Juli in einem Regionalzug in Würzburg mit einer Axt und einem Messer fünf Menschen schwer verletzt.

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