Anschlag am 14. Juli:Cazeneuve ruft "patriotische Bürger" zum Reservedienst auf

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  • Frankreichs Innenminister Cazeneuve will die Präsenz der Sicherheitskräfte ausbauen - und ruft "patriotische Bürger" zum Reservedienst auf.
  • Der IS hat die Tat im Netz für sich beansprucht.
  • Die Polizei sucht nach den Motiven des 31-Jährigen, die Regierung geht inzwischen von einer schnellen Radikalisierung aus.

Nach dem schweren Anschlag in Nizza hat der französische Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag alle willigen "patriotischen Bürger" zum Reservedienst bei den Sicherheitskräften aufgerufen. Der Appell richte sich an französische Staatsbürger mit und ohne militärische Ausbildung und ebenso an ehemalige Soldaten, gab Cazeneuve bekannt. Präsident François Hollande hatte sich bereits am Freitag dafür ausgesprochen, die Reihen der Polizei und Gendarmerie zu stärken.

Die "operativen Reservekräfte" in Frankreich besteht derzeit aus 12 000 Freiwilligen. 9000 davon gehören der paramilitärischen, 3000 der regulären Polizei an. Cazeneuve sagte: "Wir werden die Präsenz der Sicherheitskräfte im Land ausbauen." Die Zahl der zum Schutz der Bevölkerung abgestellten Sicherheitskräfte gab der Minister mit fast 100 000 an, darunter 53 000 Polizisten, 36 000 paramilitärische Polizisten und 10 000 Soldaten.

Die Zahl der Verletzten gibt das französische Gesundheitsministerium jetzt mit 303 an. Etwa 100 Menschen seien mit ihren Verwundungen erst ab Freitag in die Krankenhäuser in Nizza und Umgebung gekommen, hieß es. Zunächst war von etwa 200 Verletzten berichtet worden. Insgesamt befanden sich nach diesen Angaben noch 121 Menschen in Krankenhäusern, 26 von ihnen schwebten in Lebensgefahr, darunter 5 Kinder.

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Etwa zwei Kilometer weit fuhr der Lastwagen in Nizza über die Promenade, inzwischen werden die Details klarer. Eine Rekonstruktion.

IS beansprucht die Täterschaft

Laut dem IS-nahen Nachrichtendienst und Sprachrohr Amaq hat der sogenannte Islamische Staat die Urheberschaft des Anschlag in Nizza am französischen Nationalfeiertag mit mindestens 84 Toten und mehr als 300 Verletzten für sich beansprucht. Der Täter sei "ein Soldat des Islamischen Staats" gewesen und habe auf Aufrufe der Terrororganisation reagiert. Die Echtheit der Erklärung ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Der französische Präsident François Hollande traf sich am Samstagmorgen mit seinem Sicherheitskabinett im Elysée-Palast in Paris zu Beratungen. An der Sitzung nahmen Premierminister Manuel Valls, Justizminister Jean-Jacques Urvoas, Außenminister Jean-Marc Ayrault, Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, Innenminister Cazeneuve und Generalstabschef Pierre de Villiers teil.

Am späten Donnerstagabend war ein 31 Jahre alter Mann am Strand der Mittelmeerstadt mit einem Lkw in Menschenmassen gerast, die sich dort das Feuerwerk zum Nationalfeiertag angesehen hatten. Am Samstagmorgen sind offenbar drei Männer in Nizza festgenommen worden, die nach Angaben aus Justizkreisen aus dem engen Umfeld des Täters stammen sollen. Dessen Ex-Frau und eine weitere Person werden bereits seit Freitag verhört.

Debatte über möglichen Hintergrund der Tat

Denn die französischen Ermittler suchen nach den Hintergründen der Bluttat. Premierminister Manuel Valls zeigte sich bereits am Freitag überzeugt, dass der Täter ein organisierter Islamist war, auch wenn die Ermittlungen dies noch nicht bestätigt hätten. "Das ist ein Terrorist, der ohne Zweifel auf die eine oder andere Weise mit dem radikalen Islamismus verbunden war", sagte Valls dem Sender France 2.

Innenminister Bernard Cazeneuve verneinte im Fernsehsender TF1 aber die Frage, ob man Mohamed Lahouaiej-Bouhlel bereits Verbindungen zum radikalen Islam nachweisen könne. "Wir haben hier ein Individuum, das den Geheimdiensten nicht für Aktivitäten in Verbindung mit dem radikalen Islamismus bekannt war", sagte Cazeneuve. Der französische Staatsanwalt François Molins hatte gesagt, das Vorgehen entspreche den Mordaufrufen islamistischer Terrorgruppen.

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Die französische Regierung geht mittlerweile davon aus, dass sich der Attentäter sehr schnell radikalisiert hat. Innenminister Cazeneuve sprach nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts von einem "neuartigen Anschlag", der die "extremen Schwierigkeiten im Kampf gegen den Terrorismus" zeige. Eine IS-Mitgliedschaft des Täters bestätigte Cazeneuve nicht. Der Tunesier sei aber ein Beispiel für "Einzelpersonen, die empfänglich für die Botschaften des IS sind und äußerst gewaltsame Taten begehen, ohne notwendigerweise an Kämpfen teilgenommen zu haben oder ausgebildet worden zu sein". Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian fügte hinzu, der IS habe die Tat mit seinen Appellen womöglich inspiriert.

© SZ.de/dpa/AFP/Reuters/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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