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"Operativkommando der Revolutionsgarden":Steckt Iran hinter Synagogen-Anschlägen in NRW?

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Der Generalbundesanwalt wird die Ermittlungen zu Attacken gegen jüdische Einrichtungen an sich ziehen. Einem Medienbericht zufolge könnte Staatsterrorismus der Grund sein.

Die Bundesanwaltschaft wird die Ermittlungen zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen übernehmen. Einen genauen Zeitpunkt dafür nannte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Donnerstag aber noch nicht. Auch der konkrete Grund, warum der Generalbundesanwalt den Fall an sich zieht, blieb zunächst offen. Mehrere Medien hatten dazu berichtet. Offenbar steht Iran im Fokus der Ermittlungen.

In der Nacht zum 18. November war in Essen mindestens dreimal auf das frühere Rabbinerhaus an der Alten Synagoge geschossen worden. In derselben Nacht soll ein 35-jähriger Deutsch-Iraner einen Brandanschlag auf die Hildegardis-Schule in Bochum verübt haben. Die Schule grenzt unmittelbar an eine Synagoge.

Der Tatverdächtige, der beide Staatsangehörigkeit besitzt, soll laut der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf zudem Mitte November versucht haben, einen Mittäter für einen Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund zu gewinnen. Dieser Anschlag scheiterte. Der Deutsch-Iraner sitzt in Untersuchungshaft.

Anhaltspunkte für Verstrickung Irans

Laut Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste haben die Ermittler Anhaltspunkte dafür, dass er in Kontakt mit einem Mann namens Ramin Y. stand. Ramin Y. ist unter anderem Gründer des Mönchengladbach-Ablegers der Hells Angels - und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Laut Kontraste gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass Y. für die iranischen Revolutionsgarden ein "Operativkommando" für Anschläge in Deutschland leitet.

Das Magazin zitiert einen anonymen Ermittler mit den Worten: "Wir sprechen hier von Staatsterrorismus".

Der Verteidiger des in U-Haft sitzenden, 35-jährigen Deutsch-Iraners hatte vergangene Woche die Ermittler kritisiert. "Der Haftbefehl ist relativ dünn. Er stützt sich auf einen Zeugen", sagte der Dortmunder Anwalt Jörg Tigges. Außerdem hätten er und sein Mandant erst aus der Presse von weiteren Ermittlungen gegen ihn erfahren. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erachte er diese Vorgehensweise für schwierig. "Hier weiß offensichtlich jeder alles - bis auf den Beschuldigten und seinen Verteidiger." Zu den Vorwürfen äußerte sich der Anwalt nicht.

Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen in NRW erhöht

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte vor einigen Tagen in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag gesagt: "Einen mutmaßlichen Täter haben wir aus dem Verkehr gezogen. Ob da eine Gruppe dahinter steckt, wissen wir noch nicht."

Die Polizei erhöhte unterdessen ihre Präsenz vor vielen jüdischen Einrichtungen in NRW noch einmal. Der Schutz von jüdischen Gebäuden und Personen war unmittelbar nach dem Anschlag in Essen schon einmal erhöht worden. "Aufgrund der Gesamtentwicklung und der (...) Ermittlungsergebnisse" seien die Schutzmaßnahmen nun "landesweit angepasst" worden, hieß es am Mittwoch aus dem NRW-Innenministerium.

Reul zufolge stagniert die erfasste Zahl antisemitischer Straftaten in NRW seit Jahren. Seit 2017 liege sie zwischen 280 und 350. Der Minister wies allerdings auch auf ein großes Dunkelfeld hin, das derzeit in einer wissenschaftlichen Studie untersucht werde.

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