Anschläge in Norwegen: Reaktionen:Polizeigewerkschaft fordert Liste auffälliger Personen
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Kann ein Massaker wie jenes in Norwegen in Deutschland verhindert werden? Und wenn ja, mit welchen Mitteln? In der Union wird der Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung lauter. Die größte Polizeigewerkschaft will gar eine Datei potentieller Gewalttäter einführen - und so Menschen mit "kruden Gedanken" besser im Auge behalten. Die SPD setzt auf etwas völlig anderes.
Drei Tage nach den Anschlägen in Norwegen mehren sich die Forderungen deutscher Politiker nach strengeren Sicherheitsmaßnahmen: CSU-Politiker Hans-Peter Uhl will die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) geht noch einen Schritt weiter.
"Wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung", sagte Uhl, Innenpolitiker der Unionsfraktion im Bundestag, der Passauer Neuen Presse. "Im Vorfeld muss die Überwachung von Internetverkehr und Telefongesprächen möglich sein. Nur wenn die Ermittler die Kommunikation bei der Planung von Anschlägen verfolgen können, können sie solche Taten vereiteln und Menschen schützen. Wenn solch ein Terrorist erst einmal unterwegs ist, hat der Staat verloren."
Auch Bayern Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält jetzt eine stärkere Beobachtung des Internets für nötig. "Man muss nicht jeden wirren Eintrag gleich für ein Attentat halten", sagte Herrmann am Montag im Deutschlandfunk. "Aber wir müssen manche Leute, die wirklich böse Drohungen ausstoßen, auch vielleicht noch ernster nehmen, als wir das bisher getan haben." Die Behörden müssten Interneteinträge "noch aufmerksamer verfolgen, wir müssen solche Leute dann auch stärker unter Beobachtung nehmen."
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung im März 2010 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Eine Wiedereinführung in abgewandelter Form wird innerhalb der schwarz-gelben Koalition diskutiert - doch vor allem in der FDP gibt es Widerstand. Uhl forderte die Liberalen auf, ihre Ablehnung angesichts des Terrors in Norwegen nun aufzugeben.
Bei den Anschlägen auf das Osloer Regierungsviertel und ein sozialdemokratisches Jugendlager auf einer Fjordinsel waren am Freitag mindestens 76 Menschen getötet worden. Der mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik hatte mehrere Spuren im Internet hinterlegt, darunter auch ein mehr als 1500 Seiten starkes "Manifest". Die Veröffentlichung erfolgte jedoch erst kurz vor der Tat.
Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit 170.000 Mitgliedern, will auffällige Personen in einer eigenen Datei speichern. "Wir müssen alles tun, um mitzubekommen, wenn jemand mit solchen kruden Gedanken auffällt. Da wäre eine Datei hilfreich", sagte Witthaut der Zeitung Die Welt.
Scholz setzt auf wehrhafte Demokratie
Nach Witthauts Einschätzung kann "ein gleichgelagertes Attentat jederzeit auch bei uns geschehen". Der Gewerkschafter räumte allerdings ein, dass es nicht möglich wäre, sich vollkommen zu schützen: "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wir sollten hier keine Illusionen wecken", sagte Witthaut.
Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Olaf Scholz setzt angesichts der Attentate in Norwegen hingegen vor allem auf eine Stärkung demokratischer Werte. "Es geht darum, gemeinsam für die Überzeugungen unserer demokratischen Gesellschaft zu werben", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Demokratische Werte sind nicht von alleine da. Man muss sich um sie bemühen. Das ist der beste Schutz gegen solche Täter."
Den Anschlag wertete Scholz auch als Angriff auf die Sozialdemokratie. "Weltoffenheit und die Bereitschaft, mit unterschiedlichen Kulturen umzugehen, sind sozialdemokratische Grundüberzeugungen", so der SPD-Vize. "Daher ist es auch ein Anschlag auf sozialdemokratische Werte und Vorstellungen."
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, schließt Attentate wie in Norwegen in Deutschland nicht aus. "Man kann das nicht ausschließen, weil es auch bei uns solche hasserfüllten Gruppen und Personen gibt", sagte der CDU-Politiker der Onlineausgabe der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. Das rechtsextreme Milieu insgesamt sei nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 sogar "eher problematischer" geworden.
"Das macht uns Sorgen", sagte Bosbach weiter. Gegen Terrorakte dieser Art lasse sich aber wenig tun. "Das Hauptproblem besteht darin, dass die Sicherheitsbehörden radikalisierte Einzeltäter nicht auf dem Schirm haben. Denn sie hinterlassen keine Spuren."
Ähnlich äußerte sich der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz: "Vor so einem Einzeltäter kann man sich nicht schützen, weil er aus dem Nichts auf einmal präsent ist", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. Leute, die das vordergründige Profil des Attentäters von Oslo hätten, gebe es zudem auch in Deutschland viele. Daraus lasse sich jedoch keine unmittelbare Gefahr ableiten.
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Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikel war von 93 Toten die Rede. Am Montag hat jedoch die norwegische Polizei ihre früheren Angaben korrigiert: Demnach wurden auf der Insel Utøya 68 Menschen getötet, bislang war von 86 Toten die Rede gewesen. Dagegen stieg die Zahl der Toten bei dem Bombenanschlag im Osloer Regierungsviertel von sieben auf acht.