Süddeutsche Zeitung

Anschläge auf Israelis:Israels Urlaubsziele verschärfen Sicherheitsvorkehrungen

War das Bus-Attentat in Burgas nur der Anfang? Angeblich plant die Hisbollah in Staaten rund um das Mittelmeer weitere Anschläge auf israelische Staatsbürger. Die Behörden sind alarmiert.

Paul-Anton Krüger

Die Behörden in mehreren europäischen Anrainer-Staaten des Mittelmeers sowie in Südafrika haben nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus westlichen Sicherheitskreisen ihre Vorkehrungen zum Schutz israelischer Touristen und jüdischer Einrichtungen verstärkt. So würden Flughäfen und Häfen, die von israelischen Touristen frequentiert werden, strenger überwacht und die Passagiere mit Metalldetektoren überprüft.

Zusätzliche Polizisten in Uniform und in Zivil mit Sprengstoffdetektoren und Spürhunden seien im Einsatz und angewiesen, Gepäckstücke häufiger und gründlicher zu kontrollieren. Ebenso würden Einkaufszentren und Hotels, Sehenswürdigkeiten und andere Urlauberziele besser gesichert. Busse und andere Fahrzeuge für organisierte Transfers und Ausflüge israelischer Gäste würden vorsorglich auf Sprengstoffe untersucht.

Hintergrund ist demnach die Sorge, dass es zu weiteren Attentaten durch Mitglieder der mit Iran verbündeten libanesischen Hisbollah-Miliz kommen könnte. Bei einem Bombenanschlag in der bulgarischen Stadt Burgas am Schwarzen Meer waren am 18. Juli sieben Menschen ums Leben gekommen, als ein Sprengsatz in einem Bus explodierte, der israelische Touristen vom Flughafen der Stadt in ihre Hotels bringen sollte. Unter den Opfern waren fünf Israelis, der bulgarische Busfahrer und der mutmaßliche Attentäter. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt.

Israel und die USA haben die Hisbollah und Iran beschuldigt, für die Tat verantwortlich zu sein; die Organisation weist dies ebenso zurück wie das Regime in Teheran.

Die Ermittlungen in Bulgarien dauern noch an, die Behörden haben das Attentat bislang nicht offiziell der Schiiten-Miliz angelastet. Ein hochrangiger Vertreter des Sicherheitsapparates sagte allerdings der New York Times, es gebe klare Hinweise im Muster des Attentats und in den gesicherten Beweisen, die auf Hisbollah hindeuteten. Israelische Offizielle verweisen auf Daten aus der Telefonüberwachung, die Verbindungen zwischen Burgas und bestimmten Nummern in Libanon belegten. Der Umfang der Gespräche sei in den drei Tagen vor dem Attentat stark angestiegen.

Mutmaßlicher Komplize auf der Flucht

Interpol hat am vergangenen Donnerstag Bilder eines mutmaßlichen Komplizen des Täters veröffentlicht. Der Mann stamme möglicherweise aus dem Nahen Osten und spreche Englisch mit einem Akzent, teilte die Behörde in Lyon mit. Über seine Rolle bei dem Anschlag gab es zunächst keine Angaben. Bereits am 2. August hatte Interpol Bilder einer Überwachungskamera vom Flughafen Burgas veröffentlicht, die den mutmaßlichen Täter und eine Rekonstruktion seines Gesichts zeigen. Er ist bis heute nicht zweifelsfrei identifiziert. Nach Angaben der bulgarischen Ermittler trug er einen gefälschten Führerschein des US-Bundesstaats Michigan bei sich.

Zwar haben die bulgarischen Behörden von einem Selbstmordattentat gesprochen, westliche Geheimdienstler halten es aber ebenfalls für möglich, dass die Bombe den Mann nur aufgrund eines technischen Defekts mit in den Tod riss oder dass er ein ahnungsloser Kurier war und ein weiterer Täter die drei Kilo Sprengstoff ferngezündet hat.

Zudem nahmen die Behörden auf Zypern am 7. Juli einen 24-Jährigen libanesischer Herkunft in einem Hotel in der Hafenstadt Limassol fest. Er war zwei Tage zuvor mit einem schwedischen Pass von London Heathrow kommend eingereist. Hossam Y., wie der Verdächtige laut einem Insider heißt, soll zur Vorbereitung eines Anschlags israelische Touristen auf der Insel ausspioniert haben; bei ihm wurde eine Liste mit Orten gefunden, die bei Israelis populär sind.

Zypern ist nur eine Flugstunde von Tel Aviv entfernt und jedes Jahr Urlaubsziel Zehntausender Israelis. Der Mann muss sich laut zyprischen Medien am 12. September in Limassol vor Gericht verantworten; der Staatsanwalt wirft ihm neun Verstöße gegen Sicherheits- und Antiterror-Gesetze vor. Innenminister Loucas Louca hatte bereits Ende Juli nach einem Treffen mit EU-Kollegen in Nikosia bestätigt, es gebe "gewisse Ähnlichkeiten" zwischen dem Verhalten des Verdächtigen und dem Anschlag in Burgas.

Auf Fragen nach einer erhöhten Polizeipräsenz am Kreuzfahrthafen von Larnaka bestätigte Polizeisprecher Andreas Angelides, dass Zypern die Sicherheitsvorkehrungen verschärft habe. Dies betreffe "verschiedene Orte wie Häfen und Flughäfen, Plätze, an denen es israelische Interessen gibt, und alle anderen Gebiete, wo es für nötig erachtet wird". Wenn es Hinweise auf verdächtige Personen gebe, würden diese befragt und überprüft. Wie der Fernsehsender Sigma live auf seiner Internetseite berichtete, werten Terrorfahnder die Aufzeichnungen von Überwachungskameras von Häfen und Flughäfen aus, um weitere Verdächtige ausfindig zu machen. Nach SZ-Informationen haben weitere Mittelmeer-Länder ähnliche Vorkehrungen getroffen, darunter auch EU-Mitgliedstaaten.

Geheimdienstler sehen enge Parallelen zwischen dem Anschlag in Burgas und einer Reihe weiterer Vorfälle. Israelische Touristen seien bereits zwischen Dezember 2011 und Januar 2012 in Bulgarien und in Griechenland ausgespäht worden, aber auch in Thailand im Januar dieses Jahres und im Mai in Afrika. Die Terrorverdächtigen, die Kontakte zur Hisbollah gehabt haben sollen, seien immer ähnlich vorgegangen. Zudem habe sich die Organisation häufig der Libanesen bedient, die echte Dokumente aus EU-Staaten besaßen. Sie waren in den jeweiligen Ländern vermutlich eingebürgert worden. Im Schengen-Raum können sie daher ungehindert reisen, ohne große Probleme Wohnungen für konspirative Zwecke anmieten oder etwa Kommunikationsmittel wie Handys beschaffen.

In Deutschland ist die Hisbollah laut dem jüngsten Verfassungsschutzbericht mit etwa 950 Aktivisten vertreten. Die Organisation ist hierzulande anders als in den USA nicht als terroristisch eingestuft, lediglich gegen den Hisbollah-Sender al-Manar haben die Behörden ein Betätigungsverbot verhängt. Die Hisbollah betrachte die Bundesrepublik eher als Rückzugs- und Ruheraum, heißt es weiter. Die meisten ihrer Anhänger verhielten sich unauffällig. Belastbare Hinweise auf konkrete Gefahren liegen derzeit nicht vor, wie es aus deutschen Sicherheitskreisen heißt.

Reisedokumente aus EU-Ländern sind allerdings auch auf anderen Kontinenten von Vorteil. Sie erregen oft weniger Verdacht als ein libanesischer Pass, zudem erlauben sie häufig visafreies Reisen. Thailand etwa nahm im Januar 2012 Hussein Atris fest, der mit einem schwedischen Pass unterwegs war. Als 200 Beamte ein von ihm angemietetes Haus in Bangkok durchsuchten, fanden sie laut dem Polizeichef Priewpan Damapong mehr als vier Tonnen stickstoffhaltigen Dünger und 290 Liter Ammoniumnitrat - Ausgangstoffe für Bomben. Laut den Ermittlern stand Atris im Dienst der Hisbollah und plante Attentate auf israelische Urlauber, angeblich aber nicht in Thailand.

Iran beschuldigt Mossad

Die israelischen und amerikanischen Geheimdienste betrachten die Vorfälle als Teil einer gemeinsamen Terroroffensive der Hisbollah und der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden. Diese wollten offenbar tödliche Anschläge auf iranische Atomwissenschaftler rächen sowie den Tod Imad Mugniehs, des einstigen Sicherheitschefs der Hisbollah, der als Mastermind hinter mehreren schweren Anschlägen gegen amerikanische und israelische Ziele galt und im Februar 2008 in Damaskus einer Autobombe zum Opfer fiel. Iran wie auch die Hisbollah haben Israels Auslandsgeheimdienst Mossad beschuldigt, hinter den Attentaten zu stehen, was auch westliche Analysten für plausibel halten.

Während die Quds-Brigaden sich auf offizielle israelische Einrichtungen konzentrierten, etwa Attentate auf Diplomaten in Indien, Georgien und Thailand, nehme die Hisbollah "weiche Ziele" ins Visier - israelische Touristen oder auch weniger gut geschützte jüdische Einrichtungen. Nicht immer wüssten alle Mittelsmänner, dass sie sich an einer Terroroperation beteiligten, räumen Geheimdienstler ein.

Auch beim Attentat von Burgas ist die genaue Befehlskette nicht klar. Ein früherer hoher Geheimdienstler sagte der SZ, es sei durchaus vorstellbar, dass etwa iranische Stellen Hisbollah-Mitglieder oder Sympathisanten für ihre Zwecke einspannten, ohne dass die Führung der Schiiten-Miliz in Beirut eingeweiht sei. Das habe schon das Mykonos-Attentat 1992 in Berlin gezeigt, nach Ansicht des Berliner Kammergerichts ein Auftragsmord des iranischen Geheimdienstes. Außer dem Iraner Kazem Darabi, dem Drahtzieher des Mordes, wurden 1997 auch drei der Hisbollah zugerechnete Libanesen verurteilt. Einer von ihnen war Mohammed Atris, ein enger Verwandter des in Bangkok verhafteten Hussein.

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SZ vom 04.09.2012/fbo
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