Anschläge auf die Deutsche Bahn:Brandsätze in der Brotbox

Ist es ein Einzeltäter? Eine militante Gruppe? Nach inzwischen 38 Brandanschlägen auf die Bahn in und bei Berlin suchen die Ermittler jetzt bundesweit neuralgische Punkte an Bahntrassen ab. Bereits jetzt häufen sich bei der Bahn mehr als 1000 Stunden Verspätung an.

Noch tappt die Polizei im Dunkeln: Wer hat die inzwischen 38 Brandsätze im Großraum Berlin gelegt? Insgesamt haben die Ermittler in den vergangenen Tagen 38 Flaschen sichergestellt. Zwei von 18 Brandsätzen waren in Kabelschächten neben den Bahngleisen gezündet worden.

Bahn erhoeht Preise

Anschläge auf die Bahn: Massive Verspätungen

(Foto: dapd)

Laut Bild am Sonntag sollen sich in blauen Brotboxen elektronische Zünder und Brandbeschleuniger befinden. Die Bundesanwaltschaft wollte zu Einzelheiten unter Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt nicht Stellung nehmen. Dem Zeitungsbericht zufolge befanden sich in den bisher sichergestellten Plastikboxen ein selbstgebauter Zünder mit einer gelöteten Platine und Zeitschaltuhr, Grillanzünder und Plastikteile. Diese waren mit schwarzen Kabeln zum Zünder verbunden. An den blauen Boxen haben die Täter jeweils zwei bis sieben mit Brandbeschleuniger gefüllte Plastikflaschen gelegt.

"Wir kontrollieren seit Montag deutschlandweit neuralgische Punkte nach auffälligen Gegenständen", sagte ein Bahn-Sprecher der Bild-Zeitung. Nach einer ersten Bilanz der Deutschen Bahn haben die Anschläge eine enorme Störung des Bahnverkehrs verursacht. Gerd Neubeck, Leiter Konzernsicherheit, sagte der Zeitung: "Mehr als 2600 Züge waren betroffen und mehr als 70.000 Verspätungsminuten sind aufgelaufen."

Neue Qualität des Linksextremismus

Berlins Innensenator Ehrhart Körting und der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, sehen laut einem Vorabbericht des Magazins Focus derzeit keine Gefahr des "organisierten Linksterrorismus". Allerdings gehen nach Darstellung Körtings die Anschläge "weit über das hinaus, was wir bislang von Linksextremisten kannten". Die Explosion solcher Brandsätze könnte schwerste Unglücksfälle mit vielen Verletzten und Toten auslösen. Allerdings sehe er "nicht die Gefahr, dass wir an der Schwelle zum organisierten Linksterrorismus stehen", sagte Körting. "Die Gefahr geht eher von radikalisierten Einzeltätern aus, die verheerende Anschläge mit vielen Opfern verüben könnten." Auf die Frage, ob sich damit für die Polizei ein ähnliches Problem ergebe wie bei radikalisierten Einzeltätern im Bereich des islamistischen Terrors, antwortete Körting: "Im weitesten Sinne: ja." Linksextremistische Gewalt trete "viel dezentraler auf als noch vor zwei oder fünf Jahren". Einzeltäter oder Kleinstgruppen handelten nicht mehr "im Auftrag oder mit dem Segen einer Organisation". Das mache es für die Ermittlungsbehörden schwer.

Gezielte Anschläge nicht vermittelbar

BKA-Präsident Ziercke sagte, Linksterrorismus würde "auch gezielte Anschläge auf Personen voraussetzen". Das gelte in der linken Szene jedoch "nach wie vor als nicht vermittelbar". Unterdessen fordert der SPD-Innenexperte Tom Schreiber zeitnahe Razzien bei Linksextremisten nach Anschlägen. "Wenn die rechtliche Grundlage gegeben ist, muss man in den bekannten Treffpunkten Durchsuchungen wie gegen die Rockerszene vornehmen", sagte Schreiber. Ziel sei es, einen hohen Verfolgungsdruck aufzubauen.

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