Kramp-Karrenbauer beim Deutschlandtag:Mit der JU kuschelt sie nicht

Mit entschlossenen Worten versucht die CDU-Chefin auf dem Deutschlandtag der JU nichts Geringeres zu verteidigen als ihre Kanzlerkandidatur. Dem Applaus nach macht sie einiges richtig.

Von Philipp Bovermann, Saarbrücken

Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist ein Wunsch wahr geworden: Im März hatte sie vor Delegierten der Jungen Union noch gesagt, sie wünsche sich "eine Junge Union, die uns Dampf macht, die uns Druck macht, die uns sozusagen den Atem nimmt". Nun stellt sich die Frage, ob es nicht vielleicht ein bisschen viel Druck, eher ein Erdrosseln ist, wenn man jemandem "den Atem nimmt". Der Unionsnachwuchs versucht offenbar, Kramp-Karrenbauer beim Wort zu nehmen und stellt sich offen gegen die Parteivorsitzende.

Beim Deutschlandtag, dem Jahrestreffen der Jungen Union, haben die Delegierten am Freitag mit deutlicher Mehrheit beschlossen, sich beim nächsten Bundesparteitag der CDU für eine sogenannte Urwahl stark zu machen. Also dafür, dass künftig die Parteibasis per Abstimmung über den Kanzlerkandidaten oder die Kanzlerkandidatin entscheiden soll - und nicht wie bislang die Parteivorsitzende, deren Wunschkandidatin vermutlich sie selbst wäre.

Es ging also um nichts weniger als um ihre mögliche Kanzlerschaft, als Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntagvormittag das Podium betrat - höflich beklatscht, aber auch vor einigen leeren Plätzen im Saal. Offenbar erachteten es nicht alle der jungen Delegierten für nötig, sich für ihre Parteivorsitzende aus dem Bett zu quälen. Der Sonntagmorgen sei das Härteste, was man als Redner auf einem Deutschlandtag erleben könne, sagte sie. Es werde bei der Jungen Union bekanntermaßen ebenso engagiert gefeiert wie diskutiert.

Was man aber in den letzten Tagen über diesen Deutschlandtag gehört und gelesen habe! Man habe ja den Eindruck bekommen können, hier werde Germany's Next Topmodel veranstaltet. Die Junge Union hatte nämlich nicht nur eine Debatte über das Thema Kanzlerschaft angestoßen, sondern auch gleich eine Reihe möglicher Kandidaten als Redner eingeladen: Gesundheitsminister Jens Spahn, den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, seinen Ministerkollegen aus NRW Armin Laschet - und gleich für den Eröffnungsabend am Freitag, obwohl er ursprünglich gar nicht auf der Liste stand, Friedrich Merz, dessen Rede frenetisch gefeiert und mit "Oh, wie ist das schön, sowas hat man lange nicht gesehen" besungen wurde. Nur Markus Söder dementierte explizit, dass er gern Bundeskanzler werden würde. Der Rest versuchte sich an starken Sprüchen, mit denen man bei der JU schon immer punkten konnte.

Kramp-Karrenbauer entschied sich dafür, erstmal über das Saarland und seine Bewohner zu sprechen - und damit auch über sich selbst, denn sie ist schließlich Saarländerin. Einfache, hart arbeitende Menschen seien das, die "nicht viel Theater um sich machen" und sicherlich auch nicht an Germany's Next Topmodel teilnähmen, nicht die "Lauten, die Schrillen, sondern die Leisen, die im Maschinenraum dafür sorgen, dass der eine oder andere sich auf dem Sonnendeck in Berlin ausruhen kann". Nachdem rhetorisch die Hemdsärmel hochgekrempelt waren, streifte sich Kramp-Karrenbauer rhetorisch die Bundeswehruniform über, gab sich weltläufig, staatsbesorgt. Sie berichtete von ihren Besuchen in Mali und Niger, sprach über die "Drehscheibe" des internationalen Terrorismus und der Migrationsströme. Die Botschaft: Ich bin da, wo die Probleme sind und kämpfe für die Sicherheit Deutschlands.

Entschlossen und solidarisch

Auch was den Umgang mit Fehlern anging, zeigte sie sich als eiserne Verteidigerin, diesmal in eigener Sache. Auf die Kritik an einem Tweet, in dem sie den Anschlag von Halle als "Alarmzeichen" - und somit nicht als Ernstfall - bezeichnet hatte, reagierte sie nicht mit Rechtfertigung oder Zurückrudern. Sie legte sogar noch ein paar Schippen drauf: Ein Alarmzeichen, "das niemanden von uns kalt lassen darf", sei jedes einzelne Hakenkreuz, das geschmiert worden sei, ebenso wie die NSU-Morde oder die Ermordung Walter Lübckes. Das "wirkliche Problem" sei "der politische Arm des Rechtsradikalismus, die AfD". So, als seien nicht schon diese Morde selbst ein "wirkliches Problem". Knallhart marschierte sie also auf dem Kurs weiter, den sie mit dem Tweet eingeschlagen hatte.

Ein weiterer Fehler, der ihr angelastet würde, sei der, dass sie als Verteidigungsministerin um die Welt reise, statt hier beim Deutschlandtag von Beginn an mit der aufmüpfigen Jugend zu kuscheln, sagte Kramp-Karrenbauer. Wer sowas behaupte, der habe gar nichts verstanden. "Mit der JU kuschelt man nicht, mit der streitet man".

Eine entschlossene, beinahe soldatische Rede, mit der Kramp-Karrenbauer, dem Applaus nach zu schließen, viel richtig machte: Sie wirkte aus einem Guss unerbittlich, ohne das Gefühl zu vermitteln, sich mit starken Sprüchen bei der Jungen Union anbiedern zu wollen. Auf der Bühne standen als Dekoration ein paar Bäume in Töpfen - denn eigentlich sollte die Klimapolitik im Zentrum dieses Deutschlandtags stehen. So aber erinnerten die Bäume daran, dass, wer sich nicht verbiegt, bei zu starkem Wind auch zu brechen droht.

Der JU-Landesvorsitzende aus Niedersachsen, Christian Fühner, bedankte sich für die "richtig starke Rede". Der Deutschlandtag sei aber auch der Ort, an dem man über Fehler diskutieren müsse, die in der Vergangenheit gemacht worden seien: etwa in der Diskussion um die Uploadfilter oder beim Umgang mit dem Youtuber Rezo. "Das war einfach falsch." Die Junge Union sei immer da, wenn sie gebraucht werde. Aber es werde schwerer, junge Menschen zu vermitteln, warum sie für die CDU kämpfen sollten. "Wann wird die CDU endlich wieder ankommen in der Zeit, in der wir leben?" Andere Delegierte machten auf das Glaubwürdigkeitsproblem aufmerksam, dass durch Kramp-Karrenbauers Wechsel ins Verteidigungsressort entstanden sei oder kritisierten, dass dass der auf dem Bundesparteitag beschlossene JU-Antrag zur doppelten Staatsbürgerschaft ignoriert werde.

Kramp-Karrenbauers Antwort: Die Schuld, dass der Antrag zur doppelten Staatsbürgerschaft nicht angepackt werde, trage der Koalitionspartner, also die SPD. Sie versprach, die Sache in den nächsten Wahlkampf mitzunehmen. Den Wechsel ins Verteidigungsministerium halte sie nach wie vor für die richtige Entscheidung - nämlich, um möglichen AFD-Wählern zu zeigen, dass die Bundeswehr und damit die Sicherheit des Landes bei der CDU Chefsache sei. Auf den geradezu rührend offenherzigen Wunsch des JU-Landesvorsitzenden aus Niedersachsen, doch bitte über Fehler zu diskutieren, ging sie erst gar nicht ein.

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