"Anne Will" zur Manager-Gier:Razzia gegen Raffkes

Manager auf der Anklagebank: Die TV-Talkshow "Anne Will" widmete sich dem Fall Zumwinkel und der Affäre Liechtenstein. Dabei wurde deutlich, wie der Staat bei der Steuerfahndung stümpert.

Hans-Jürgen Jakobs

In der Welt des Klaus Zumwinkel ist es eine besondere Leistung, aus fünf Millionen Euro am Ende mehrere hundert Millionen Euro zu machen. Eine solche Rendite hätte den gefallenen Postchef geschmückt. Sie hätte ihn befriedigt. Wann kann der Staat schon einmal ähnlich erfolgreich Steuermillionen eintreiben, die ihm gehören, die aber Multimillionäre lieber in Liechtenstein oder an ähnlichen Plätzen verstecken?

"Anne Will" zur Manager-Gier: War die Daten-DVD "Hehlerware", fragt TV-Moderatorin Anne Will

War die Daten-DVD "Hehlerware", fragt TV-Moderatorin Anne Will

(Foto: Foto: AP)

Also waren sich die Vertreter der Berliner Regierungsparteien in der Fernsehrunde bei Talkmasterin Anne Will einig, dass der Staat im Fall Zumwinkel, im Fall des gierigen Managers eines Konzerns mit staatlicher Beteiligung, fünf Millionen ausgeben darf für eine DVD mit allerlei brisanten Daten von Steuerflüchtlingen in Liechtenstein. Auch wenn es sich um "Hehlerware" handele, wie Moderatorin Will formulierte.

Von einer "schwierigen Abwägung", aber einer berechtigten Entscheidung sprach Volker Kauder, der Unions-Fraktionschef im Bundestag. Das sei "verhältnismäßig" gewesen, assistierte der SPD-Parlamentarier Ottmar Schreiner, das Treiben der Steuerflüchtlinge könne nicht hingenommen werden. Nur FDP-Geschäftsführer Dirk Niebel moserte, das Klauen von Daten sei illegal und der Bundesnachrichtendienst - der die Liechtenstein-DVD kaufte - solle sich an seine Aufgaben halten. Aber die FDP ist in Berlin ja noch eine kleine Oppositionspartei.

Fortsetzung des Steuerkrimis

Die Affäre Zumwinkel erregt auch drei Tage nach der Razzia beim Postchef, seinem offenkundigen Teilgeständnis und dem angekündigtem Rücktritt, die Gemüter der Deutschen. Denn weitere Razzien bei den anderen, die sich ebenfalls auf der entwendeten Datensammlung aus der Bank LGT des fürstlichen Staatsoberhaupts Hans-Adam II. finden, sind angekündigt. Die Kriminalserie "Biedermann als Raffke" wird fortgesetzt.

Der besondere Erkenntnisgewinn dieser Ausgabe von "Anne Will" war, dass ein Fachmann das Verfahren Zumwinkel als merkwürdig empfand und zugleich viele staatliche Fehler bei der Steuerfahndung anprangerte. Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, kritisierte in der Funktion als geladener Experte, dass nach dem spektakulären Einzelschlag gegen Klaus Zumwinkel die anderen Delinquenten nun gewarnt seien - und Zeit genug gehabt hätten, ihre Bank-Unterlagen zu säubern. Hier werde die Arbeit der Steuerfahndung erschwert. Er verstehe nicht, warum nicht zeitgleich bei hundert Adressen untersucht worden sei.

Kann es sein, dass Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung oder ein Ministerium eine populäre Aktion haben wollten? Dass die Ermittler über Publizität den Druck auf die Steuersünder erhöhen wollten, die Selbstanzeige zu wählen? Um dem Staat somit easy money zu verschaffen?

Haftbefehl live - Reporter vor der Villa

Jedenfalls stand ein Ü-Wagen des ZDF am frühen Donnerstagmorgen offenbar schon lange vor der Zumwinkel-Razzia an dessen Villa. Radioreporter, Online-Journalisten und Fotografen waren präsent. Haftbefehl live - selten war Kriminalitätsbekämpfung öffentlicher. Es sei ein "Problem, wie öffentlich-rechtliche Medien arbeiten", giftete CDU-Mann Kauder. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen erklärt, keine publizistische Begleitung des Schlags gegen Zumwinkel geplant zu haben und nicht zu wissen, woher die Medien ihre Information hatten.

Tatsache ist, dass nach diesem Schauspiel, nach diesem Prolog zum größten Steuerskandal der Republik, die Kaste der Manager und Reichen unter besonderer Beobachtung steht. Dass es nach der "Politikverdrossenheit nun eine Wirtschaftsverdrossenheit gibt", wie SZ-Redakteur Hans Leyendecker im TV-Studio formulierte. Die mancherorts gehegte Bewunderung für die Tatmenschen, die beispielsweise aus einem Behördenladen einen internationalen Konzern schaffen und virtuos mit Milliarden jonglieren, ist dem Entsetzen über die Skrupellosigkeit gewichen, gleicher als gleich sein zu wollen und Steuerverpflichtungen zu ignorieren. Dabei hatte die Bundesregierung doch eine Steuer-Amnestie gewährt und auch die hohen Steuersätze heruntergeschleust. Allein, das Geld blieb flüchtig.

Zum Bild vom egoistischen Manager mit "grenzenloser Raffgier" (Anne Will) fügt sich, dass Postchef Zumwinkel sofort Aktien seines Unternehmens verkaufte, als der Kurs nach Abschluss des Post-Mindestlohns (der zu hoch für Rivalen war) in die Höhe schoss. Dies sieht auch Utz Claasen als "ethisch grenzwertig und darüber hinaus" an. Der ehemalige Chef des Energiekonzerns EnBW, der wie Zumwinkel in der Unternehmensberatung McKinsey groß geworden ist, fürchtet sicher zu recht, dass nun die Gruppe der Manager insgesamt zu kritisch gesehen werden.

Die Redaktion von "Anne Will" lieferte im Einspielfilm die Beispiele - von der Siemens AG über die Lustreisen bei VW bis zu Deutsche-Bank-Chef Ackermann mit seinem Victory-Zeichen in der Mannesmann-Affäre. Der Nimbus von Wirtschaftsführern als Leitfiguren, als Vorbilder, ist weg. Das sei "keine Lappalie", ahnte Unions-Fraktionschef Kauder. Im Übrigen scheint es irgendwie symptomatisch, dass sich für den Sonntags-TV-Talk kein aktiver Manager (vielleicht mit Post-Bezug) hat finden lassen. Die deutsche Wirtschaftselite werde "erstaunlich schweigsam, wenn es um Verfehlungen der eigenen Klasse geht", heißt es im Blog der "Anne-Will"-Redaktion. Der nette nachdenkliche Herr Claasen war eine Notbesetzung.

"Ein bisschen geldgierig"

Steuergewerkschaftschef Ondracek machte dankenswerterweise auf tiefer liegende Probleme aufmerksam. Auf das fehlende Unrechtsbewusstsein der Deutschen bezüglich Steuerschummeleien, auf den Volkssport Steuerhinterziehung, auf die zu knappen Kapazitäten bei der Strafverfolgung. Es fehlen Fahnder, Stellen wurden abgebaut. Millionäre hätten sich für den Weg nach Liechtenstein entschieden, weil sei "ein bisschen geldgierig" seien und sicher sein konnten, nicht entdeckt zu werden. Die Politik hat sich zum Teil selbst die Probleme geschaffen, die sie jetzt beklagt. Zu diesem Punkt merkte Leyendecker an, dass eine zu starke Steuerfahndung ja einst als Standortnachteil von Unternehmen gesehen worden wäre.

Er hoffe nur, dass es jetzt zu keinen Deals kommt, sagte der bärbeißige Ondracek noch, also dass die Staatsanwaltschaft bei Geständnissen gegen Zahlung einer Geldbuße das Verfahren einstellt. Bei Zumwinkel werde das nicht geschehen, schätzte Ondracek - der Fall sei einfach zu öffentlich. Der langjährige Postmanager werde eine Haftstrafe auf Bewährung plus Geldstrafe bekommen. Jede Norm braucht eine Sanktion, wenn sie das Volk noch ernst nehmen soll. Zumwinkels Bestrafung ist der Demonstrativfall einer solchen Sanktion.

Gegen Schluss der Sendung "Die da oben: Wenn Reiche zu gierig werden", die von Anne Will flott durchmoderiert wurde, kam dann noch das Missmanagement bei der halbstaatlichen Mittelstandsbank IKB zur Sprache. Sie hat bekanntlich Milliarden in der US-Immobilienkrise verzockt - und der geschasste Chef erfreut sich einer schönen Pension. Kauder schob den Satz ein, es sei nur konsequent, dass die IKB veräußert wird. Das war immerhin mal etwas Konkretes in einer solchen Talkplauderrunde, die gerne mit einem Verweis auf die fehlenden Werte in der Gesellschaft endet.

Als ob es nur um Werte geht - und nicht einfach um Gesetze.

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