Anleitung für die Kanzlerin:Frau Merkel, holen Sie Peer Steinbrück!

Schwarz-gelbes Fiasko in NRW und Euro-Krise - Zeit für einen Neustart. sueddeutsche.de hat diesbezüglich sieben knallharte Tipps für Kanzlerin Angela Merkel.

T. Denkler u. M. Kolb

Sie braucht dringend eine Anleitung zum Glücklichsein, ein Programm gegen die Krise. Angela Merkel, die Trümmerfrau: Noch nie musste die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende so viele Probleme auf einmal bewältigen.

Anleitung für die Kanzlerin: Angela Merkel bei der Kabinettssitzung am Dienstag. Ein Mobiltelefon, ein Stift und etwas Papier: Mehr braucht die Bundeskanzlerin nicht zum Regieren.

Angela Merkel bei der Kabinettssitzung am Dienstag. Ein Mobiltelefon, ein Stift und etwas Papier: Mehr braucht die Bundeskanzlerin nicht zum Regieren.

(Foto: Foto: Reuters)

Es gilt ja nicht nur, den Euro zu retten, sondern auch die Regierungsarbeit neu zu gestalten. Die Bürger in Nordrhein-Westfalen haben Schwarz-Gelb abgewählt, die Mehrheit im Bundesrat ist weg und die Debatte um die Strategie der Kanzlerin hat begonnen.

Alle wünschen sich was. Die FDP spricht von einem "Warnschuss" und verspricht "harte Arbeit", CSU-Chef Seehofer fordert "Tempo" sowie einen "klaren Kurs". Und der CDU-Wirtschaftsflügel will "das richtige Programm, die richtige Strategie und das richtige Personal". Viel Arbeit also für Angela Merkel, die wohl noch mehr SMS schreiben dürfte als sonst.

Was ist jetzt zu tun? sueddeutsche.de gibt der Kanzlerin einige Ratschläge, wie der "Neustart" der Regierung gelingen kann. So müsste ihre Bedienungsanleitung für eine bessere Koalition aussehen.

Führung zeigen!

Führungsstärke zeigen!

Angela Merkel, ddp

Die Deutschen warten auf ein Zeichen der Führungsstärke: Angela Merkel muss nun zeigen, wo es langgeht. So leicht wie im Bücherregal lässt sich in der Politik aber nicht für Ordnung sorgen.

(Foto: Foto: ddp)

Nein, Streit ist nicht ihr Ding. Kanzlerin Angela Merkel schaut lieber zu, wägt ab, redet mit vielen, vielen Leuten. Und wenn sich dann eine Richtung entwickelt, dann schließt sie sich gerne der Mehrheitsmeinung an und verkauft sie als die ihre. In der großen Koalition hat das noch gut funktioniert. Da waren Union und SPD zwei gleich starke Partner. Unnötigen Zank konnte sie sich gar nicht leisten.

Jetzt aber regiert sie eine Dreierkoalition aus CDU, CSU und FDP. Da reicht es nicht mehr nur zuzuschauen. CSU und FDP, die beiden Juniorpartner, haben sich in den vergangenen Monaten bis aufs Messer bekämpft. Merkel hätte das Gezänk vielleicht mit einem Machtwort beenden können. Sie hat es nicht mal versucht. Vielleicht kann sie Machtwort einfach nicht. Das würde zumindest ihr flatterhaftes Verhalten in der aktuellen Euro-Krise erklären.

Es ist ein durchaus sympathischer Zug an Merkel, dass sie nicht glaubt, immer recht behalten zu müssen. Aber ein bisschen Führung darf es schon sein. Am Montag nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen hat sie die Steuersenkungspläne der FDP kassiert. Na, geht doch. Doch vielleicht wäre es besser gewesen, das den Liberalen schon ein paar Monate vor der Wahl klarzumachen.

Jetzt kommt es geballt für die Kanzlerin. Zur Wirtschafts-, Banken- und Kreditkrise gesellen sich die Euro-Krise und die fehlende Mehrheit in der Länderkammer. Da wollen die Deutschen wissen, woran sie bei der Kanzlerin sind. Was geht und was geht nicht? Diese Frage muss sie jetzt beantworten. Die Rolle der Guckt-nur-zu-Kanzlerin sollte Merkel schleunigst ablegen.

Westerwelle zurück ins Glied

Guido Westerwelle, Reuters

Offiziell ist er Vizekanzler und Außenminister, aber die Rolle des Oppositionspolitikers kann FDP-Chef Guido Westerwelle nicht wirklich ablegen.

(Foto: Foto: Reuters)

Westerwelle zurück ins Glied!

Was macht er eigentlich in der Außenpolitik, dieser Guido Westerwelle? Im Grunde hat er da nichts zu suchen. Westerwelle ist Innenpolitiker durch und durch. Er ist vor Amtsantritt auch nicht sonderlich mit außenpolitischer Profilbildung aufgefallen. Das Außenamt hat er vor allem deshalb genommen, um von den traditionellen Beliebtheitswerten der Amtsinhaber zu profitieren.

Westerwelle braucht "erwiderte Liebe," um glücklich zu sein. Das war seine Antwort in einem Fragebogen. Er aber hat das Kunststück vollbracht, innerhalb kürzester Zeit der unbeliebteste Politiker überhaupt zu werden. Die Menschen wollen einen Außenminister, der überparteilich ist und die Interessen des Landes nach außen vertritt - und nicht die Interessen der FDP und seiner persönlichen Freunde.

Der Spagat kann nicht gelingen. Der 48-Jährige kann ja gerne Vizekanzler sein. Aber entweder bleibt er Außenminister, hält sich innenpolitisch zurück und verzichtet womöglich auf das Amt des Parteichefs. Oder er bleibt erster Lautsprecher seiner FDP und wird Wirtschaftsminister.

Der FDP-Problembär Rainer Brüderle ist in diesem Amt ohnehin überfordert. Der einstige "Mister Mittelstand" ist zum "Master of Desaster" degeneriert. Beliebter wird Westerwelle durch einen Ressortwechsel vielleicht nicht. Aber zumindest wird das Ansehen des Auswärtigen Amtes nicht weiter beschädigt.

Nach einem geeigneten Nachfolger muss keiner lange suchen. Jeder weiß, dass das Amt de facto von Westerwelles Staatssekretär Werner Hoyer geleitet wird. Der gilt zwar als blass und etwas bieder. Aber das wäre nach Westerwelle ja mal ganz wohltuend.

Den Finanzminister wechseln

Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, dpa

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble im Bundestag: Sie nannte ihn im Herbst ihren wichtigsten Minister, doch nun reißt die Diskussion um den Gesundheitszustand des 67-Jährigen nicht ab.

(Foto: Foto: dpa)

Den Finanzminister wechseln!

Ganz schnell hat die Bundeskanzlerin die Debatte um eine mögliche Kabinettsumbildung zu unterdrücken versucht. Ihr Noch-Sprecher Ulrich Wilhelm ließ erklären, dass Wolfgang Schäuble weiterhin das Vertrauen der Kanzlerin genieße, sie selbst verkündete, Schäuble sei "auf dem Weg der Besserung". Auch wenn der 67-Jährige die Brüsseler Klinik nun verlassen hat, fragt nicht nur die Bild-Zeitung: "Wie lange kann sich Deutschland einen kranken Finanzminister leisten?"

Schäuble, der einstige CDU-Chef, ist gesundheitlich angeschlagen: Er musste bereits im Winter nach einer Routineoperation lange das Bett hüten und wurde am vergangenen Sonntag in Brüssel ins Krankenhaus eingeliefert. Innenminister Thomas de Maizière flog aus Dresden ein, um die deutsche Delegation zu leiten und über das 750-Milliarden-Dollar-Paket zu verhandeln.

"Kann der das?" Die Diskussion um Schäubles Fähigkeit, Marathonsitzungen in Brüssel durchzustehen und zugleich Sparvorschläge für den Bundeshaushalt zu geben, wird nicht abreißen - zumal mit de Maizière ein kompetenter Nachfolger bereitsteht. Der 56-Jährige leitete für die Union die Arbeitsgruppe "Steuern und Finanzen" bei den Koalitionsverhandlungen, war mal Finanzminister in Sachsen und ist als früherer Kanzleramtschef ein enger Vertrauter von Angela Merkel. Volker Kauder wird als Fraktionschef gebraucht und Roland Koch würde wohl nicht für Ruhe in Berlin sorgen.

Also: De Maizière muss es machen. Diese Kabinettsumbildung würde den EU-Partnern und vielleicht auch dem einen oder anderen Spekulanten signalisieren, dass es die Kanzlerin ernst meint - und auf Nummer sicher geht.

Einen guten Finanzberater holen!

Peer Steinbrück, Angela Merkel, dpa

Gutgelaunt auf dem Weg nach Pittsburgh: Kurz vor dem G-20-Gipfel und der Bundestagswahl 2009 treten Peer Steinbrück und Angela Merkel vor die Mikrofone.

(Foto: Foto: dpa)

Einen erfahrenen Finanzfachmann als Berater holen!

US-Präsident Barack Obama hat hochkarätige Experten an seiner Seite, die das Spiel der Finanzmärkte bestens kennen: Sein engster Berater ist Paul Volcker, ein früherer Notenbankchef. Auch Ressortchef Timothy Geithner verfügt über viel Detailwissen: Er war Staatssekretär im US-Finanzministerium und arbeitete als Ökonom für den Internationalen Währungsfonds (IWF), bevor er als Präsident der Federal Reserve Bank of New York für die Kontrolle der Wall-Street-Banken zuständig war.

Und wer erklärt der Kanzlerin, der promovierten Physikerin, das Verhalten der Märkte, das sie Ende der vergangenen Woche so "verunsichert" habe, wie Vertraute berichten? Jens Weidmann, der Wirtschaftsberater der Kanzlerin, arbeitete Ende der neunziger Jahre ebenfalls kurz für den IWF. Weidmann, der als blitzgescheit gilt, studierte wie Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen (leider ein Sozialdemokrat) einst bei Bundesbankpräsident Axel Weber.

In diesen stürmischen Tagen kann es gar nicht genug finanzpolitischen Sachverstand im Bundeskanzleramt geben - vielleicht findet sich gar ein Beraterplätzchen für Peer Steinbrück, der lange auf sein Mini-Büro im Bundestag warten musste. Der Ex-Finanzminister und Volkswirt sieht sich - nicht ganz zu Unrecht - als "Weltökonom" und hat schon mal mit Merkel deutsche Banken gerettet. Das Thema lässt den 63-Jährigen nicht los: Er schreibt gerade an einem Buch über die Folgen der Finanzkrise.

Standleitung nach Paris

Anleitung für die Kanzlerin: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy sollten eine Standleitung zwischen Berlin und Paris einrichten.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy sollten eine Standleitung zwischen Berlin und Paris einrichten.

(Foto: Foto: dpa)

Standleitung nach Paris einrichten!

"Wie ein König" habe Nicolas Sarkozy in Brüssel Hof gehalten und nacheinander alle Regierungschefs empfangen, heißt es in der Süddeutschen Zeitung von einem Teilnehmer des EU-Krisengipfels. Die Kanzlerin kam fast zu spät, weil sie noch Wahlkampf in NRW machte und musste mühsam kämpfen, ihre Sicht der Dinge klarzumachen. Dabei scheint der Mini-Napoleon zu ignorieren, was allen Experten klar ist: Ohne die Unterstützung Deutschlands, der größten Volkswirtschaft, kann der Euroraum nicht gesichert werden.

Dass Berlin wirtschaftlich besser dasteht als Paris, machte eben erst EU-Kommissar Olli Rehn klar. Er sagte dem Handelsblatt, dass Frankreich ebenso wie Italien Schulden abbauen müsse. Deutschland verfüge hingegen über mehr finanzpolitischen Spielraum. Auch wenn Sarkozy seine Wiederwahl 2012 im Blick hat und ihn sein Ego treibt: Merkel muss den Schulterschluss suchen und engen Kontakt halten - das bedeutet viele Telefonate oder vielleicht ein paar SMS auf Französisch.

Anleitung für die Kanzlerin: Einigkeit vor allem nach außen: Zwischen CSU und CDU knirscht es immer wieder. Die Parteivorsitzenden Horst Seehofer und Angela Merkel sind nicht immer einer Meinung.

Einigkeit vor allem nach außen: Zwischen CSU und CDU knirscht es immer wieder. Die Parteivorsitzenden Horst Seehofer und Angela Merkel sind nicht immer einer Meinung.

(Foto: Foto: ddp)

Familientherapie mit Horst

Mit Horst Seehofer in die Familientherapie!

Der bayerische Sarkozy heißt Horst Seehofer. Eigentlich sind CSU und CDU Schwesterparteien, doch familiäre Einigkeit war zuletzt kaum zu spüren. Seehofer ließ Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder von der Leine, der an allen Fronten gegen die Kopfpauschale wetterte und FDP-Gesundheitsminister Rösler herausforderte. Während sogar die Berliner Landesgruppe über "Störfeuer" aus München klagte, gibt sich Seehofer uneinsichtig. Er könne sich nicht erinnern, dass die CSU "die Wahl in NRW beeinträchtigt hätte", versicherte er treuherzig.

Immerhin hat Seehofer kleinlaut die Forderung nach Steuersenkungen kassiert. Streitthemen jenseits der Kopfpauschale gibt es genug: Die Bayern setzen weiterhin auf Atomkraft und protestieren nun doch gegen die geplante Kürzung für Solarstrom auf Ackerflächen. Klar, das ist irrelevant im Vergleich zur Griechenland-Krise, aber Merkel muss die CSU mit klaren Worten in die Pflicht nehmen. Wenn die Familientherapie nicht hilft, dann muss die Kanzlerin wieder zum Frühstück nach Bayern kommen - nicht nach Wolfratshausen, sondern nach Ingolstadt.

Angela Merkel, Labor, Kopfpauschale, ddp

Angela Merkel ist Naturwissenschaftlerin - in Laboren wie hier im Robert-Koch-Institut kennt sie sich aus. Die Gesundheitspolitik ist eines der kniffligsten Politikfelder.

(Foto: Foto: ddp)

Weg mit der Kopfpauschale!

Vergesst die Kopfpauschale!

Die Steuersenkungsorgie ist erst mal abgesagt, NRW-Wahl sei Dank. Aber es bleiben ja noch ein paar Knaller, mit denen die schwarz-gelbe Koalition ihre Wähler verschrecken will. Ganz vorne dabei: die anstehende Gesundheitsreform, gemeinhin gleichgesetzt mit der Einführung einer Kopfpauschale.

Ja, die Koalitionäre würden jetzt lieber das Wort Gesundheitsprämie lesen, weil ja der Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse nicht immer pro Kopf erhoben werden soll. Die Familienversicherung, in der der nicht arbeitende Ehepartner und die Kinder beitragsfrei mitversichert sind, soll ja erhalten bleiben. Kopfpauschale, das klingt auch irgendwie schäbig. Nur die "Gesundheitsprämie" macht es nicht besser.

Gäbe es eine Volkabstimmung über die Frage Gesundheitsprämie oder Bürgerversicherung, in die alle mit allen Einkommen einzahlen - die Prämie würde krachend verlieren. Experten sagen, beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Von keinem könne gesagt werden, dass damit alle Kostenprobleme der Zukunft in den Griff zu bekommen sind.

Die Kopfpauschale aber widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. Wer mehr zahlen kann, soll mehr zahlen. Die Starken stehen für die Schwachen ein. Das ist das solidarische Prinzip. Die Kopfpauschale würde das aushebeln. Da zahlt der Personalchef genauso viel wie die Putzkraft, die am Abend sein Büro reinigt. Kanzlerin Angela Merkel hat mal versprochen, Politik für die Mehrheit der Menschen machen zu wollen. Hier hätte sie eine glasklare Gelegenheit, damit anzufangen.

Taten statt Warten

Mit diesem Knopf wollten Russland und die USA den Neubeginn ihrer bilateralen Beziehungen symbolisieren. Leider unterlief den Diplomaten ein Übersetzungsfehler.

(Foto: Foto: dpa)

Die Tücken des Neustarts

Die nächsten Tage und Wochen werden nicht einfach werden für die Kanzlerin und ihr Kabinett. Denn vor allem die Euro-Krise kann viele gutgemeinte Planungen hinfällig machen.

Wie schwierig es manchmal sein kann, einen Neustart zu organisieren, musste US-Außenministerin Hillary Clinton erfahren. Sie sollte im Auftrag von Barack Obama das Verhältnis zu Russland erneuern und überreichte ihrem Kollegen Sergej Lawrow einen symbolischen roten Knopf. Dabei war den US-Diplomaten jedoch ein peinlicher Fehler unterlaufen, wie Lawrow genüsslich erläuterte. Anstelle von peresagruska (Neustart) war dort peregruska zu lesen - was Überhitzung bedeutet. Nicht auszuschließen, dass dies angesichts der Juniorpartner CSU und FDP auch der schwarz-gelben Koalition blüht.

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