Süddeutsche Zeitung

Anklage gegen Strauss-Kahn wird fallengelassen:In Freiheit gefangen

Lesezeit: 3 min

Schon am Dienstagabend wird Dominique Strauss-Kahn aller Voraussicht nach ein freier Mann sein. Aber was wird dann aus dem gefallenen IWF-Chef? Einige seiner Parteifreunde hoffen, dass er als Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in seine Heimat zurückkehrt.

Falls die Affäre Strauss-Kahn nicht noch eine Wendung nimmt, die niemand erwartet hätte, wird ein Richter in New York an diesem Dienstag entscheiden, die Anklage gegen den früheren IWF-Chef fallenzulassen. Dominique Strauss-Kahn, gestürzter IWF-Chef und lange Zeit die Hoffnung der französischen Sozialisten, wird dann seinen Pass zurückbekommen und ein freier Mann sein.

Was dann passiert, das weiß nur DSK selbst. Der 62-Jährige hat sich bislang nicht öffentlich geäußert - weder zu den Vorwürfen, die das Zimmermädchen Nafissatou Diallo gegen ihn erhebt, noch zu seinen Zukunftsplänen.

Wird er einen eigenen Prozess gegen die New Yorker Behörden anstrengen, die ihn noch vor knapp drei Monaten so öffentlichkeitswirksam abgeführt hatten? Wird er zurückkehren nach Frankreich und vielleicht sogar doch noch in das Rennen um die Präsidentschaft einsteigen?

In der Sozialistischen Partei Frankreichs, PS, scheint er jedenfalls höchst willkommen: Die Parteifreunde zu Hause in Frankreich überschlagen sich bereits mit Glückwünschen und erleichterten Statements. "Ich bin sehr glücklich über die Ankündigung", sagte Parteichefin Martine Aubry, nachdem die Staatsanwaltschaft offiziell gefordert hatte, die Anklage fallenzulassen. "Heute Abend denke ich mit großem Mitgefühl an Dominique und (seine Frau) Anne."

Der sozialistische Politiker und Strauss-Kahn-Vertraute Jean-Marie Le Guen zeigte sich ebenfalls erleichtert: "Endlich kann er wieder frei handeln und sprechen. Seine Stimme wird Gewicht haben in unserem Land." Für alle, die immer an die Unschuld Strauss-Kahns geglaubt hatten, sei dies ein "großer Tag". Manuel Valls, der sich in der primaire populaire, der offenen Vorwahl, ebenfalls als sozialistischer Spitzenkandidat zur Wahl stellt, beschrieb die Entwicklung als "Bestätigung" seiner Überzeugung, "dass die unhaltbare Anklage wegen Vergewaltigung auf wackligem Grund stehe".

Wie groß die Begeisterung der Sozialisten abseits dieser Loyalitätsbekundungen allerdings tatsächlich wäre, wenn Strauss-Kahn als Präsidentschaftskandidat nach Paris zurückkehren würde, ist allerdings fraglich: Die Anklage wird voraussichtlich allein wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der einzigen Zeugin fallengelassen, und nicht etwa, weil die Ermittler die Tat an sich grundlegend in Frage stellen. DSKs Unschuld ist damit noch nicht bewiesen.

"Die Politik ist für ihn weit weg"

Zudem dauert Diallos Zivilklage gegen Strauss-Kahn an. Sollte sie erfolgreich sein dürfte dass den unangenehmen Nachgeschmack des juristischen Zwischenspiels in den USA, dem "New Yorker Albtraum" ( Le Figaro), noch verstärken. Das gilt umso mehr für den Fall, dass sich Strauss-Kahn entschließen sollte, seinerseits gegen die New Yorker Behörden juristisch vorzugehen.

Ebenso offen jedoch ist, ob Strauss-Kahn selbst überhaupt in die Politik zurückkehren will. Die konservative Tageszeitung Le Figaro zitiert den Abgeordneten Pierre Moscovici, der seit dessen Festnahme mehrmals mit Strauss-Kahn telefoniert haben soll. "Die Politik ist für ihn gerade weit weg."

Eine namentlich nicht genannte Quelle aus dem Umfeld Strauss-Kahns sagte dem Blatt gar: "DSK wird niemals mehr Politik machen. Er ist vom Prince Charming zum Perversen geworden. Er könnte den umgekehrten Weg niemals unter den Augen der Franzosen gehen." Die Augen der französischen Öffentlichkeit bleiben zudem auf ein zweites Verfahren gerichtet, das Strauss-Kahn in seiner Heimat erwartet: Die Journalistin Tristane Banon hat Anzeige gegen den Bekannten der Familie erstattet, ebenfalls wegen eines sexuellen Übergriffs. Dessen Anwälte haben prompt mit einer weiteren Anzeige geantwortet: Sie werfen Banon vor, falsche Anschuldigungen zu erheben.

Die französischen Wähler selbst sehen eine Rückkehr Strauss-Kahns in die politische Spitze ihres Landes äußerst skeptisch: In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Nachrichtensenders LCI sprachen sich 65 Prozent gegen eine Kandidatur Strauss-Kahns bei der Präsidentschaftswahl 2012 aus. Bei den Anhängern der Sozialistischen Partei kann sich der frühere Top-Manager allerdings noch auf eine Mehrheit von 55 Prozent stützen. Dass er tatsächlich antreten wird, glaubt jedoch auch nur ein Drittel der PS-Wähler.

Abschied von den Kollegen

Ob und wie Strauss-Kahn auch nach Frankreich zurückkehren wird: Zunächst, so erwarten es Beobachter, wird er in der Zentrale des IWF in Washington vorbeischauen, um sich von seinen Kollegen zu verabschieden, mit denen er vier Jahre zusammengearbeitet hatte - ehe er im Mai 2011 von seinem Amt zurücktreten musste.

Die Parteifreunde in der Heimat üben sich erst einmal in Geduld: "Er braucht eine Zeit des Abstands, der Erholung, wenn er in sein Land zurückkehrt, dass ihm gefehlt haben muss", sagte Parteifreund Manuel Valls. Und auch PS-Chefin Martine Aubry betonte: "Es liegt an ihm, zu einem Zeitpunkt, den er als passend erachtet - wahrscheinlich nach einer Zeit, die er der Erholung widmet, in der er in seinem Heimatland seine ganze Freiheit wiederfindet - zu entscheiden, was er tun will."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1133992
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.