Ankara:Langsam an die Spitze

Mansur Yavas

Seit der Jugend engagiert: Ankaras neuer Bürgermeister Mansur Yavaş.

(Foto: Burhan Ozbilici/dpa)

Kandidat mit Heimvorteil: Warum die Opposition die Regierungspartei AKP ausgerechnet in der Hauptstadt besiegt hat.

Von Deniz Aykanat

Mansur Yavaş. Mansur wer? Der frisch gewählte neue Bürgermeister Ankaras mag in Deutschland kaum jemandem etwas sagen, in der türkischen Hauptstadt jedoch kennt man den Mann gut. Yavaş ist das türkische Wort für "langsam", und langsam war sein Aufstieg zum höchsten Amt der Stadt tatsächlich. Zwei Mal schon hatte er sich beworben, beim dritten Mal nun hat es geklappt. Knapp siegte er gegen den Kandidaten der "Volksallianz", eines Zusammenschlusses aus Präsident Recep Tayyip Erdoğans AKP und den Ultranationalisten von der MHP.

Damit enden 25 Jahre konservative Vorherrschaft in Ankara. Mansur Yavaş trat ebenfalls für eine Allianz aus zwei Parteien an, der säkularen CHP und der kleinen rechten Iyi-Partei (auf Deutsch: Gute Partei). Yavaş war von 1999 bis 2009 Bürgermeister des Stadtteils Beypazarı, wo er auch geboren wurde. Und genau das ist der Punkt: Ankara ist für Yavaş Heimat. Was man von seinem Konkurrenten Mehmet Özhaseki nicht behaupten kann.

Der war in der Hauptstadt weitgehend unbekannt, als ihn die AKP aufstellte. Sie muss sich ihres Sieges ziemlich sicher gewesen sein. Anfangs zumindest. Özhaseki stammt aus Kayseri, einer sehr konservativen Millionenstadt in Zentralanatolien, wo er mehr als 15 Jahre lang Oberbürgermeister war. Yavaş hingegen hat einen Heimvorteil und kennt sich in der lokalen Verwaltung Ankaras aus. Der 63-jährige Jurist engagiert sich seit jungen Jahren in der Kommunalpolitik.

Wenige Wochen vor der Wahl - als Umfragen nahelegten, dass Özhaseki hinten liegt - warf die AKP Yavaş Steuervergehen und Betrug vor. Regierungstreue türkische Medien nahmen die Anschuldigungen dankbar auf. Ein Staatsanwalt bereite eine Anklage vor, hieß es. Yavaş dagegen spricht von Verleumdung. "Özhaseki und seine dreckige Politik haben verloren", sagte er in seiner Siegesrede.

Yavaş scheint für einen Typ Politiker zu stehen, der in letzter Zeit immer seltener wurde und den sich viele Türken deshalb wohl umso mehr zurückwünschen. Er ist ein besonnener Berufspolitiker.

Zuletzt waren Ankaras Bürger vor allem schrille Töne aus dem Rathaus gewohnt. Melih Gökçek von der AKP, bis 2017 Ankaras Bürgermeister, fiel in seinen mehr als 20 Jahren im Amt vor allem als Hetzer und Spalter auf. Über Twitter verbreitet er in atemlosem Tempo krude Verschwörungstheorien, hetzt gegen türkischstämmige deutsche Bundestagsabgeordnete, die für die Armenien-Resolution stimmten, und verunglimpft überhaupt gern politische Gegner. Alles stets in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen. Gökçek hat mehr als vier Millionen Follower bei Twitter.

Da kann Yavaş nicht mithalten. Aber womöglich sind es genau diese täglichen Botschaften voller Bitterkeit und Ressentiment, die viele Bürger Ankaras nun endgültig leid waren. Yavaş' Siegesrede war dementsprechend auch gespickt mit Seitenhieben auf den Politikstil seines Vorgängers: "Wir werden die Sprache des Hasses von uns fernhalten und diese Stadt ohne Spaltung nach vorne bringen."

Noch ist nicht klar, ob die Anschuldigungen Yavaş gefährlich werden könnten. Präsident Erdoğan hatte, noch bevor überhaupt die Wahlergebnisse vorlagen, verkündet, man werde Ankara nicht "irgendeiner Person überlassen, die Unterschriften gefälscht hat". Yavaş reagierte auf die Drohungen im Nachrichtensender Al Jazeera zunächst gelassen. Der Mann, der ihn des Betrugs beschuldige, sei selbst genau deswegen verurteilt worden, sagte er. Im Wahlkampf hatte er mit dem Slogan "Yavaş Yavaş Ankara" geworben: langsamer, Ankara.

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