Anhörung im baden-württembergischen Landtag:Mappus äußert sich zu umstrittenem EnBW-Deal

Er ist die Hauptperson in einem teilweise grotesken Stück: Seit Monaten steht Stefan Mappus wegen des Rückkaufs von Anteilen des Energiekonzerns EnBW in der Kritik. Nun erklärt sich Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident vor dem Landtag zu seinem Alleingang und beharrt darauf, alles richtig gemacht zu haben.

Roman Deininger, Stuttgart

Stefan Mappus habe sicher längst den Hintereingang genommen, mutmaßen die Fotografen. Eine Minute später ist Mappus da, er kommt von vorne. "Guten Morgen", ruft er ins Foyer des Stuttgarter Landtags, ein bisschen lauter und fröhlicher als es normal wäre. Er wolle an diesem Freitag dazu beitragen, sagt der frühere baden-württembergische Ministerpräsident von der CDU, dass ein "unwürdiges Schauspiel" sein Ende finde. Der Wunsch ist sehr verständlich: Mappus ist der Hauptdarsteller in diesem bisweilen grotesken Stück.

EnBW-Untersuchungsausschuss

Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU, im Bild rechts) mit seinem Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner im Plenarsaal des baden-württembergischen Landtags.

(Foto: dpa)

Der öffentliche Teil der Darbietung hatte hier im Landtag begonnen, am Nikolaustag 2010. Da verkündete der Regierungschef Mappus, dass er die Energie Baden-Württemberg (EnBW), den drittgrößten deutschen Stromkonzern, zurückholt in heimische Hand. Für fünf Milliarden Euro übernahm das Land den 45-Prozent-Anteil, den der französischen Stromriese Electricité de France (EdF) an der EnBW hielt. Mappus' Stimme vibrierte vor Stolz. Er hatte seinen Coup bei Nacht und Nebel eingefädelt, die wenigen Eingeweihten benutzten ein Codewort: "Olympia". Eben diesen nicht-öffentlichen Teil des Schauspiels, die geheime Kommando-Aktion des Ministerpräsidenten, soll nun ein Untersuchungsausschuss beleuchten.

Die rechtliche Bewertung des Deals, bei dem Mappus das Budgetrecht des Landtags umging, hat bereits der Staatsgerichtshof besorgt: Die Berufung auf ein Notbewilligungsrecht, das für Naturkatastrophen vorgesehen ist, war verfassungswidrig. Mappus will nun belegen, dass er die Verfassung nicht vorsätzlich gebrochen hat; dass er keinen zu hohen Aktienpreis gezahlt hat, nur um sich im Wahlkampf als Wirtschaftspolitiker profilieren zu können. Und dass er mit seinem Freund Dirk Notheis, der ihn als Deutschland-Chef von Morgan Stanley beriet, nicht gemauschelt hat.

Gerangel um die Verschwiegenheitspflicht

Mappus ist der erste Zeuge des Ausschusses, er sitzt an einem Pult in der Mitte des Plenarsaals. Neben ihm sitzt der Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner, ein Mann für die schwierigen Fälle. Er hat Helmut Kohl vertreten in der CDU-Spendenaffäre und Robert Hoyzer im Fußball-Wettskandal. Der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) klärt grinsend die Personalien: "Sie heißen Stefan Mappus." Das sei korrekt, sagt Mappus. Er sei "dankbar", dass er nun vor dem Gremium "mit Fakten belegen" könne, "dass ich den Handel nach bestem Wissen und Gewissen vollzogen habe". Das wochenlange Gerangel um die Aufhebung von Mappus' Verschwiegenheitspflicht, das sich die neue grün-rote Landesregierung, EdF und Morgan Stanley lieferten, hatte zu den unterhaltsamsten Passagen der EnBW-Komödie gehört.

Dann erzählt Mappus konzentriert seine Version der EnBW-Geschichte: die eines Regierungschefs, der gar nicht anders konnte, als seinem Land günstigen Strom zu sichern. Im Sommer 2010, berichtet Mappus, habe ihm EdF-Chef Henri Proglio in Stuttgart eröffnet, dass die Franzosen eine Mehrheitsbeteiligung an der EnBW anstrebten. Er habe Proglio gesagt, dass seine Regierung die Übernahme durch einen ausländischen Investor niemals zulassen werde. Daraufhin habe die EdF die Entscheidung gesucht. Am 28. Oktober 2010 hätten sich Mappus, Notheis und gleich zwei Proglios in Paris getroffen; Henris Bruder René ist - kleine Welt! - der französische Morgan Stanley-Chef. Für die EdF gebe es nur zwei Optionen, habe Henri Proglio klar gemacht: Mehrheit oder Ausstieg.

Daraufhin, sagt Mappus, habe er erstmals Interesse am Erwerb der Anteile angemeldet: "Der Verkauf durfte nicht am Land vorbeigehen." Zumal es "mit höchster Wahrscheinlichkeit potente ausländische Investoren gegeben hätte". Das wollte am Freitag Uli Sckerl, der Grünen-Obmann im Ausschuss, nicht glauben: "Wir haben bei akribischem Nachsuchen keinen fremden Bieter gefunden." Sinngemäß antwortet Mappus, dann habe der "Herr Abgeordnete" wohl so akribisch nicht gesucht. Schon da ist klar, dass am Ende der vierstündigen Aussage des Hauptdarstellers weiter zwei Versionen der Geschichte im Raum stehen werden.

"Es hat mich getroffen, dass ich mit der Verfassung in Konflikt geriet"

Den Vorwurf des Verfassungsbruchs weist Mappus "entschieden" zurück, er habe schließlich nicht vorsätzlich gehandelt: Wenn seine Rechtsberater von der Kanzlei Gleiss Lutz Zweifel geäußert hätten, "hätte ich die Transaktion sofort abgebrochen". Das Urteil des Staatsgerichtshofs respektiere er natürlich, auch wenn er es seltsam finde, dass das Gericht ihn und andere Vertreter seiner Regierung gar nicht angehört habe. "Es hat mich schwer getroffen, dass ich mit der Verfassung in Konflikt geriet, auf die ich meinen Amtseid geschworen hatte."

In den Verhandlungen mit der EdF habe er alles getan, um einen Parlamentsvorbehalt durchzusetzen, sei aber am hartnäckigen Nein der Franzosen gescheitert. Doch sogar CDU-Mann Müller hält ihm eine Anwaltsmail vor, die lautet: "M nimmt das Risiko, es ohne Parlamentsvorbehalt zu machen." Mappus startet derweil eine ganz eigene Untersuchung, sie widmet sich der grün-roten Landesregierung. Deren Taktieren bei der Aufklärung widerspreche "jedem Anstand".

Würde ich es wieder tun, diese Frage stellt Mappus an den Schluss seines Ereignisprotokolls. "In ökonomischer und politischer Hinsicht ja", sagt er. "In rechtlicher Hinsicht würde ich das heute nicht mehr umsetzen."

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