Süddeutsche Zeitung

Anhaltender Unmut:Tausende Ägypter demonstrieren auf dem Tahrir-Platz

Die Proteste in Ägypten reißen nicht ab: Die vierte Nacht in Folge sind Tausende Menschen in Kairo und anderen Städten auf die Straße gegangen. Sie sind unzufrieden mit dem milden Mubarak-Urteil und unliebsamen Präsidentschaftskandidaten. Nun hat der regierende Militärrat mit einem Ultimatum an das Parlament für zusätzliche Spannung gesorgt.

In Ägypten gehen die Proteste nach den Urteilssprüchen gegen den früheren Präsidenten Hosni Mubarak und ranghohe Vertreter seines Regimes weiter. Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira am frühen Mittwochmorgen berichtete, versammelten sich auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo auch in der vierten Nacht in Folge wieder Tausende, um gegen die ihrer Meinung nach zu milden Urteile zu protestieren.

Der Unmut vieler Demonstranten richtete sich außerdem gegen den Präsidentschaftkandidaten Ahmed Schafik, der unter Mubarak als Luftfahrtminister diente und von diesem in den letzten Tagen des Regimes noch zum Regierungschef ernannt worden war. In Schafik sehen viele daher nur den Vertreter des alten Regimes.

Den Berichten zufolge gingen auch in der Hafenstadt Alexandria Tausende auf die Straße. Kleinere Demonstrationen wurden auch aus anderen ägyptischen Städten gemeldet. In Kairo seien auch viele Anhänger der Muslimbruderschaft auf den Tahrir-Platz gezogen, um für ihren Kandidaten Mohammed Mursi zu demonstrieren. Er tritt am 16. und 17. Juni in einer Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Schafik an.

Am Rande der Proteste kam es laut al-Dschasira zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen den Mursi-Anhängern und Demonstranten, die den zweiten Wahlgang boykottieren wollen, da sie beide Kandidaten ablehnen. Viele Ägypter wenden sich gegen Mursi, weil sie keine komplette Machtübernahme durch die Muslimbrüder wollen, die bereits im Parlament die dominierende Kraft sind.

Durch ein Ultimatum des regierenden Militärrates könnte sich die Lage in Ägypten noch zusätzlich verschärfen. Die staatlichen Medien meldeten, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi habe bei einem Treffen mit Parlamentsabgeordneten am Dienstagabend gedroht, der Militärrat werde eine eigene "umfassende Verfassungserklärung" in Kraft setzen, wenn nicht binnen 48 Stunden eine Formel für die Zusammensetzung der Verfassungsgebenden Versammlung gefunden wird.

Mubaraks Gesundheitszustand verschlechtert

Liberale und Islamisten im ägyptischen Parlament streiten seit Monaten über die Zusammensetzung der Versammlung, die eine neue Verfassung für das Land ausarbeiten soll.

Das frühere Staatsoberhaupt Mubarak war am vergangenen Samstag wegen seiner Mitschuld am Tod von mehr als 800 Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sechs Funktionäre des Innenministeriums sprach der Richter frei.

Der Gesundheitszustand Mubaraks soll sich derweil drastisch verschlechtert haben. Aus der Haftanstalt Tora hieß es am Mittwoch, Mubarak sei im Gefängniskrankenhaus mehrfach künstlich beatmet worden und habe einen Nervenzusammenbruch erlitten. Er müsse möglicherweise bald in eine andere Klinik verlegt werden.

Die Gefängnisleitung habe Fachleute beauftragt, Mubarak zu untersuchen. Diese hätten vorgeschlagen, ihn in ein besser ausgerüstetes Militärhospital oder anderes Krankenhaus zu bringen, hieß es. Am Dienstag sei Mubaraks Sohn Gamal gestattet worden, seinen kranken Vater zu besuchen. Der Sohn sitzt als Untersuchungshäftling ebenfalls in Tora ein.

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