Anhaltende Gewalt gegen Opposition:Arabische Liga unterbricht Beobachtermission in Syrien

Grausige Leichenfunde in Hama, Massaker in Homs, Angriffe gegen die Beobachter: Das Blutvergießen in Syrien geht unvermindert weiter und zwingt nun jene zur Aufgabe, die ihm Einhalt gebieten wollten. Die Arabische Liga begründet ihren Schritt mit der erneuten Zunahme der Gewalt, für die sich Diktator Assad entschieden habe. Hoffnung macht nur noch eine UN-Resolution, die aber von der Vetomacht Russland abhängt.

Sie wurden nach Syrien geschickt, um der Gewalt Einhalt zu gebieten, die Machthaber Baschar al-Assad gegen Aufständische verüben ließ - doch nun geben sie auf: Die Beobachtermission der Arabischen Liga setzt ihren Einsatz in Syrien mit sofortiger Wirkung aus, erklärte die Liga am Samstag. Sie zog damit Konsequenzen aus dem unaufhörlich eskalierenden Blutvergießen. Jener staatlichen Gewalt, wegen der sie eigentlich am 26. Dezember 2011 ins Land geschickt wurde.

Arab league announced the temporary suspension of its observers m

Ihre Arbeit wird zwar unterbrochen, doch die Beobachter der Arabischen Liga - hier im südwestlich gelegenen Daraa - bleiben in Syrien, bis der Rat des Staatenbundes das Thema erörtert haben wird.

(Foto: dpa)

Der Einsatz stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Die Kontrolleure waren in Syrien selbst angegriffen worden und im Ausland unter massive Kritik geraten, weil während ihres Einsatzes noch mehr Blut im Machtkampf zwischen dem Lager Präsident Assads und dessen Gegnern vergossen wurde.

Die Arabische Liga wolle die Arbeit der Beobachter aussetzen, bis das Thema im Rat des Staatenbunds erörtert worden sei, erklärte das Generalsekretariat der Liga. Aus deren Kreisen war zuvor verlautet, dass die Beobachter selbst zunächst in Syrien bleiben sollten. Der Chef des Einsatzes, Adnan al-Chodeir, betonte, die Liga werde alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Sicherheit der Beobachter zu gewährleisten.

Die Regierung in Damaskus geht seit fast einem Jahr gewaltsam gegen Demonstranten vor, die den Rücktritt von Assad fordern. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) vom Dezember sind dabei mehr als 5000 Menschen ums Leben gekommen. Inzwischen hätten sie den Überblick über die Zahl der Todesopfer verloren, räumten die UN jüngst ein. Die syrische Führung spricht von 2000 Toten, bei denen es sich vor allem um Angehörige der Sicherheitskräfte handeln soll.

"Sie wurden regelrecht hingerichtet"

Erst am Samstag berichteten Oppositionelle von syrischen Soldaten, die den Stadtrand von Damaskus unter Beschuss genommen haben und mindestens 12 Menschen getötet haben sollen. Rund die Hälfte der Toten seien Zivilisten, die übrigen Opfer desertierte Soldaten. Dutzende Verletzte würden in Feldlazaretten behandelt. Die Regierungstruppen sollen dem Bericht zufolge mit Flugabwehrgeschützen und Mörsern die Stadtteile am östlichen Rand der Hauptstadt ins Visier genommen haben.

Zuvor hatten Regierungsgegner von einem grausigen Fund in Hama berichtet, wo Assads Truppen in der vergangenen Woche massenhaft Kritiker festgenommen hatten: Die Leichen von 17 Häftlingen seien gefunden worden - die meisten mit Kopfschüssen und an den Beinen mit Eisenketten gefesselt.

"Sie wurden regelrecht hingerichtet", sagte einer der Assad-Kritiker in Bezug auf die in Hama gefundenen Toten. Dies sei als eine Warnung zu verstehen, den Widerstand aufzugeben. Die Leichen der Häftlinge waren einem anderen Regierungsgegner zufolge am Donnerstagabend in fünf verschiedenen Vierteln der Stadt auf die Straßen geworfen worden. Sie seien an den Händen mit Plastikschnüren gefesselt gewesen, einige von ihnen auch mit Eisenketten an den Beinen.

In der vergangenen Woche waren Hunderte Assad-Gegner in Hama festgenommen worden, als der Präsident in den Protesthochburgen der Stadt die Sicherheitskräfte massiv gegen seine Kritiker vorgehen ließ. Eine Stellungnahme zu dem Leichenfund gab es von der Regierung nicht, die den Zugang der unabhängiger Medien stark beschneidet.

Widerstand durch Russland

Auch andernorts in Syrien kam es Regierungsgegnern zufolge zu neuen Konflikten, bei denen mehrere Menschen starben. Erst am Freitag hatte es Meldungen gegeben, wonach die syrische Armee eine Militäroffensive in der Protesthochburg Homs gestartet habe. Aktivisten sprachen von einem "grauenhaften Massaker" mit mehr als 44 Toten. Darunter sollen auch Kleinkinder sein.

Die internationale Gemeinschaft diskutiert indes eifrig über eine Lösung des Konflikts: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) debattierte am Freitag über einen neuen Resolutionsentwurf arabischer und europäischer Länder, mit dem das Blutvergießen gestoppt werden soll. Vorhergehende Entwürfe scheiterten nicht zuletzt am Widerstand der Vetomacht Russland.

Die USA hofft auf die Hilfe der Arabischen Liga, um den Widerstand Russlands im UN-Sicherheitsrat brechen zu können: "Die beste Chance für einen Resolutionsbeschluss haben wir, wenn die Araber stark darauf dringen und sich in New York einig zeigen", sagte der für den Nahen Osten zuständige Abteilungsleiter im amerikanischen Außenministerium, Jeffrey Feltman, der Süddeutschen Zeitung.

Keine Veto-Drohung

Zuletzt signalisierte die Moskauer Regierung aber Gesprächsbereitschaft über eine UN-Resolution für ein Ende der Gewalt in Syrien: Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte, Teile des Entwurfs seien inakzeptabel. Er machte aber keine explizite Drohung, ein Veto einzulegen. Tschurkin sagte, Russland lehne es ab, dass der politische Prozess in Syrien durch die Arabische Liga und nicht durch Syrien selbst gesteuert werden solle. Russland erklärte zudem, es werde keine Resolution verabschieden, in der ein Rückzug von Präsident Assad verlangt werde. Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig hatte sich vor Beginn der Sitzung zuversichtlich geäußert, dass es eine "Chance für ein neues Kapitel" im internationalen Umgang mit dem Konflikt in Syrien gebe.

Russland ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten der syrische Führung. Ministerpräsident Wladimir Putin sieht sich in der Heimat mit den schärfsten Protesten der vergangenen zwölf Jahre konfrontiert. Mit dem Ziel, im März erneut Präsident zu werden, will er jegliche Zustimmung zu von außen initiierten Machtwechseln in anderen Ländern vermeiden.

Die Türkei drängt vor einem Treffen mit den arabischen Staaten am Samstag auf einen Rückzug Assads. Die Regierung in Ankara forderte den Präsidenten auf, sich der Forderung der Arabischen Liga zu beugen und die Macht abzugeben. "Wir stehen auf der Seite des syrischen Volkes und ihrer rechtmäßigen Forderungen", zitierte eine Zeitung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten den türkischen Präsidenten Abdullah Gül.

Die Bundesregierung kündigte an, sich weiterhin für eine Verurteilung der Gewalt in Syrien durch den UN-Sicherheitsrat einzusetzen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht in der angekündigten Aussetzung der Beobachtermission der Arabischen Liga "ein kritisches Signal für eine weitere Eskalation der Gewalt in Syrien". Eine "klare Reaktion" des UN-Sicherheitsrats sei angesichts dieser Entwicklung sei "umso dringlicher", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Der von europäischen und arabischen Staaten gemeinsam erarbeitete Entwurf einer Resolution im UN-Sicherheitsrat sei eine "gute Grundlage für eine eindeutige Verurteilung der Gewalt durch das syrische Regime". Deutschland werde intensiv dafür arbeiten, die noch bestehenden Hindernisse für eine Resolution auszuräumen.

Großbritannien und Frankreich hoffen, dass über den Entwurf in der kommenden Woche abgestimmt wird. Sie setzen unter anderem auf den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, der zu Syrien am Dienstag angehört werden soll.

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