Angriff im Norden Afghanistans:Extremisten verwickeln Bundeswehr in Kämpfe

Die Gewalt reißt nicht ab: Die Bundeswehr gerät nahe Kundus unter Beschuss. Bei Gefechten sterben vier Aufständische. Hunderttausende fliehen aus dem Swat-Tal in Pakistan.

Im Norden Afghanistans wird die Bundeswehr immer stärker in die kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen. Nahe Kundus lieferten sich deutsche Soldaten gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften ein Feuergefecht mit Aufständischen. Auch im Süden riss die Gewalt nicht ab. Alleine am Freitag starben vier britische Soldaten. Im pakistanischen Swat-Tal eskalieren die Kämpfe. Mehr als 140 Taliban sind dort nach Armee-Angaben getötet worden.

Angriff im Norden Afghanistans: Soldat der Bundeswehr in Afghanistan: Aufständische griffen eine Patrouille westlich der Stadt Kundus an. Afghanische und amerikanische Kräfte kamen zur Hilfe

Soldat der Bundeswehr in Afghanistan: Aufständische griffen eine Patrouille westlich der Stadt Kundus an. Afghanische und amerikanische Kräfte kamen zur Hilfe

(Foto: Foto: ddp)

Eine deutsche Patrouille mit 29 Soldaten war nach Mitteilung des Einsatzführungskommandos in Potsdam bereits am Donnerstagnachmittag westlich der Stadt Kundus von Angreifern mit Kalaschnikows und Panzerfäusten beschossen worden. Sie waren in einem Gebiet unterwegs, aus dem immer wieder Raketen auf das Lager des deutschen Wiederaufbauteams (PRT) abgefeuert werden.

Unterstützung durch US-Kampfflugzeuge

Die Deutschen erwiderten das Feuer und machten sich an die Verfolgung der Extremisten, die auf Motorrädern flüchteten. Kurz darauf erhielt die Bundeswehr Unterstützung von mehr als hundert afghanischen Soldaten und Polizisten. In der gemeinsamen Operation, die bis in die Morgenstunden dauerte und auch von US-Kampfflugzeugen unterstützt wurde, wurden vier der Aufständischen getötet, acht wurden festgenommen, vier von ihnen waren verwundet.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin, die Aktion müsse für alle Gegner eine Warnung sein. "Diejenigen, die uns angreifen, die unsere Alliierten angreifen, müssen damit rechnen, dass sie verfolgt werden und dass wir sie bekämpfen." So hatte Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Vortag bereits die Festnahme des mutmaßlichen Taliban-Führers Abdul Razeq durch Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Nordafghanistan kommentiert.

Verbindungen zur Drogenszene

Razeq soll für Anschläge auf westliche Soldaten und auf afghanische Würdenträger verantwortlich sein. Er wurde mittlerweile den afghanischen Behörden übergeben, die ihm voraussichtlich in Kabul den Prozess machen werden.

Razeq, der als Kopf der Taliban in der Region um Faisabad gilt und dem auch Verbindungen zur Drogenszene nachgesagt werden, soll zeitweilig sogar Leiter der offiziellen Wählerregistrierung für die Präsidentenwahl im August gewesen sein. Er war seit knapp zwei Jahren im Visier des Bundesnachrichtendienstes (BND), der durch Abhöraktionen auf ihn aufmerksam geworden war. In einem Dossier, das im Wesentlichen von deutschen Ermittlern zusammengestellt und das dem Generalstaatsanwalt in Kabul übergeben wurde, sollen auch Hinweise auf Helfer Razeqs zu finden sein.

Menschliche Schutzschilde

Die Behörden im Westen Afghanistans haben unterdessen eine Liste mit den Namen von 147 Dorfbewohnern veröffentlicht, die zu Beginn der Woche bei US-Luftangriffen getötet worden seien. Eine US-Militärsprecherin nannte die Zahl "extrem übertrieben". Die vielen Opfer unter der Zivilbevölkerung sind zu einer enormen Belastung für das Verhältnis der Afghanen zu den ausländischen Truppen geworden. Die US-Armee wirft den Taliban vor, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

In Pakistan hat das Militär seine Offensive gegen die Taliban im Norden des Landes verschärft. Premier Yousuf Raza Gilani sagte, die Armee werde die Aufständischen "ausmerzen". Leidtragende der Kämpfe sind aber auch hier vor allem Zivilisten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, etwa 200.000 Flüchtlinge aus dem Swat-Tal hätten sichere Gebiete erreicht, 300.000 weitere seien unterwegs oder bereiteten ihre Flucht vor. In den letzten Monaten seien damit eine Million Menschen durch die Gewalt vertrieben worden.

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