Süddeutsche Zeitung

Angriff auf AfD-Abgeordneten:Schlag aus dem Hinterhalt

  • Der 66-jährige AfD-Abgeordnete Frank Magnitz liegt seit Montagabend schwer verletzt auf der Intensivstation.
  • Drei unbekannte Täter sollen ihn mit einem Kantholz angegriffen haben, die AfD spricht von einem Mordversuch.
  • Alle anderen Parteien verurteilen die Tat, die AfD verteilt Schuldzuweisungen.

Von Peter Burghardt und Jens Schneider

Noch weiß die Bremer Polizei nichts über die Täter, zumindest sagt sie nichts. Drei dunkel gekleidete Männer sucht die Sonderkommission, die am Dienstagmorgen eingerichtet wurde, ihren Kopf sollen sie unter Kapuzen oder Mützen verborgen haben. Sie sollen für den brutalen Angriff auf den Bremer AfD-Politiker Frank Magnitz verantwortlich sein.

Seit Montagabend liegt der 66-Jährige Bundestagsabgeordnete schwer verletzt im Krankenhaus. Der Staatsschutz führt die Soko an. Es geht allem Anschein nach um politisch motivierte Gewalt. Am Dienstagabend teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, dass sie Videomaterial von der Tat sichern und auswerten konnte. Nunmehr werde wegen des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung ermittelt. "Gesicherte Aufnahmen zeigen zwei Personen, die sich dem 66-Jährigen von hinten näherten, eine dritte lief versetzt dahinter", so die Ermittler.

Magnitz ist bundesweit als Politiker wenig in Erscheinung getreten

Zu sehen ist offenbar, wie einer der Unbekannten den Abgeordneten von hinten niedergeschlagen habe, woraufhin der stürzte. Zunächst hieß es, dass er mit einem Gegenstand niedergeschlagen wurde. Die AfD sprach von einem Kantholz. Auf dem bisher gesicherten Videomaterial kann nach Polizeiangaben der Einsatz eines Schlaggegenstandes nicht festgestellt werden. Der Angriff löste in der Hansestadt und in ganz Deutschland Entsetzen aus - von der Linken über die Grünen und die SPD bis hin zu FDP und Union.

Magnitz ist bundesweit als Politiker wenig in Erscheinung getreten, auch im Bundestag ein Hinterbänkler. Er ist Immobilienkaufmann. Politisch soll er dem äußerst rechten Flügel der AfD nahe stehen. Der Thüringer Parteirechte Björn Höcke nennt Magnitz seinen Freund. In Bremen kennt man ihn als Landesvorsitzenden, er führt die oft disparate AfD seit 2015. Der rot-grüne Bremer Senat zeigte sich erschüttert über die Tat. Auch die Bundesregierung verurteilt die Attacke. Gewalt dürfe niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, sagt Außenminister Heiko Maas - "völlig egal, gegen wen oder was die Motive dafür sind". Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem durch nichts zu rechtfertigenden "Verbrechen".

"Es hätte schlimmer kommen können"

Magnitz hatte am Montag den Neujahrsempfang der Tageszeitung Weser Kurier in der Bremer Kunsthalle besucht. Offenbar lauerten die Täter ihm auf dem Rückweg im Durchgang des Theaters am Goetheplatz auf. Zwei Handwerker, die in der Nähe ihren Wagen beluden, fanden den am Boden liegenden Magnitz nach dem Angriff. Er wurde mit einer Gehirnerschütterung, Wunden und Prellungen in die Klinik gebracht. Die AfD veröffentlichte am Dienstag ein Foto vom blutüberströmten Magnitz, um die Kopfverletzung zu dokumentieren, es zeigt eine erschreckend schwere Wunde.

Radio Bremen sagte Magnitz am Dienstag: "Es hätte schlimmer kommen können, und die Ärzte meinten, dass es ein Wunder sei, dass es nicht schlimmer gekommen ist." An Details könne er sich nicht erinnern. Magnitz spricht von einem Mordversuch, so wie auch die Führung der AfD.

Für die Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland ist die Sache klar. "Die feige und lebensbedrohliche Gewalt gegen Frank Magnitz ist das Ergebnis der andauernden Hetze von Politikern und Medien gegen uns, die jetzt in Bremen offenbar von Linksterroristen in die Tat umgesetzt wurde", schreiben sie in einer Erklärung. "Ist der Kampf gegen die AfD erst erfolgreich, wenn bei solchen Anschlägen Menschen sterben?"

Für die AfD ordnet sich die Attacke in eine Reihe von Übergriffen auf ihre Politiker oder deren Büros ein. Die Bundestagsfraktion in Berlin listet eine lange Reihe solcher Anschläge auf, zuletzt auf ein Parteibüro im sächsischen Döbeln.

Aus dem Bremer AfD-Ortsverband heißt es, die Tat sei "die Fortsetzung von Döbeln", und "das Ergebnis rot-grüner Hetze". Auch hier sind Schuldzuweisungen zu hören: "Nicht nur die Linke, sondern auch SPD und die Grünen unterstützen die ,Antifa' und ihre Angriffe." Bremen wird von SPD und Grünen regiert, es stehen Neuwahlen an.

In Bremen ist die linke und auch die linksautonome Szene traditionell stark. Die AfD erinnert an frühere Angriffe. Im vergangenen Jahr wurden die Scheiben des Bremer Parteibüros eingeworfen, an der Fassade war "Fuck AfD" zu lesen. Auch ein Brandanschlag auf dem Firmengelände eines möglichen AfD-Anhängers beschäftigte die Behörden. Schon 2013 wurde der damalige AfD-Chef Bernd Lucke bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bremer Bürgerpark von der Bühne gestoßen und mit Pfefferspray attackiert. Ein Verdächtiger wurde später freigesprochen, weil Beweise fehlten.

Politiker aller Parteien zeigen sich empört über den Angriff

Der stellvertretende Bremer AfD-Chef Thomas Jürgewitz klagt, in Bremen sei noch nie ein Angriff auf die AfD aufgeklärt worden, das sei vermutlich "politisch gewollt". Die Ermittler suchen mit einem Aufruf nach Zeugen der Tat. Bisher hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt.

Zwar betonen am Dienstag den ganzen Tag über immer wieder Politiker aller Parteien, wie sehr sie der Angriff auf den AfD-Abgeordneten empört und erschüttert. Aber sofort gibt es auch neue Ränke. AfD-Chef Gauland schimpft über die Reaktion von Cem Özdemir von den Grünen, spricht sogar von einer Unverschämtheit. Wer die AfD regelmäßig als angeblich undemokratische Partei ausgrenze, "der macht uns vogelfrei", beklagt Gauland.

Özdemir hatte seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass "der oder die Täter bald ermittelt und verurteilt" werden mögen. Und erklärte, dass es keinerlei Rechtfertigung für Gewalt gebe, auch nicht gegenüber der AfD. Er schrieb: "Wer Hass mit Hass bekämpft, lässt am Ende immer den Hass gewinnen." Sein Tweet endete mit dem Satz: "Nazis raus - aber mit den Methoden unseres Rechtsstaates!"

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SZ vom 09.01.2019/csi
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