Süddeutsche Zeitung

Angola:Ein Mann räumt auf

Präsident João Lourenço will das ölreiche Land von Korruption und Misswirtschaft befreien - und kämpft gegen Saboteure aus der alten Machtclique, die es sich in den Staatsbetrieben gemütlich gemacht hat.

Von Bernd Dörries, Luanda

Früher haben sie Rafael Marques de Morais einen Verräter genannt, einen Agenten der CIA, sie haben ihm vorgeworfen unpatriotisch zu sein, verrückt oder einfach frustriert. Sie haben ihn vor Gericht gezerrt, sie haben ihn ins Gefängnis geworfen und seinen Beruf unmöglich gemacht. "Sie", das war die Clique von Präsident José Eduardo dos Santos, der Angola 38 Jahre lang regierte und ausplünderte. Es könnte eine wohlhabende Nation sein, außer Südafrika nimmt kein Land in Sub-Sahara-Afrika so viel ein wie Angola, etwa 40 Milliarden im Jahr, was es unter die 60 reichsten der Staaten der Welt bringt. Trotzdem leben zwei Drittel der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag.

Rafael Marques de Morais hat als Journalist und Aktivist immer wieder recherchiert, wohin die vielen Milliarden Dollar verschwunden sind, die der Staat durch den Verkauf von Öl und Gas eigentlich eingenommen haben sollte: etwa 640 Milliarden Dollar seit 2002. Morais deckte viele Korruptionsfälle auf, was ihm den Zorn der herrschenden Clique einbrachte. Seit fast zwei Jahren aber regiert in Angola ein neuer Präsident, der ankündigte, gegen die Korruption vorzugehen.

Ende vergangenen Jahres lud João Lourenço dann sogar den Journalisten Morais zu einem Gespräch ein, vier Stunden lang unterhielten sich die beiden. Anschließend ermunterte Lourenço den Aktivisten öffentlich, seine Enthüllungen fortzusetzen, sich bei ihm zu melden, wenn er mal wieder einen Korruptionsfall in der Regierung entdecke. Seit dem Treffen wird Morais, der ehemalige Staatsfeind, von der alten und korrupten Clique plötzlich als "Freund des Präsidenten" verspottet. Es ist das Symbol einer Entwicklung, die in Angola bis vor kurzem noch niemand für möglich gehalten hatte.

Der neue Präsident hat seit seinem Amtsantritt die Familienmitglieder seines Amtsvorgängers aus staatlichen Firmen und Ämtern entfernt. Isabel dos Santos, die Tochter des Präsidenten, gilt als reichste Frau Afrikas und gab sich in den vergangenen Jahren Mühe, sich als Unternehmerin darzustellen, die es aus eigener Kraft zur Milliardärin geschafft hatte. An amerikanischen Universitäten durfte sie zu den Absolventen sprechen, die Financial Times lud sie zu einer Konferenz, wo sie erkläre, wie man besonders effizient Ölvorkommen ausbeute. In Angolas Hauptstadt Luanda konnten die Aktivisten nur zynisch lachen über solche Auftritte, sie sahen ja jeden Tag, wie der Clan das Land auspresste - mit Hilfe internationaler Konzerne. Dos Santos' Söhne und Töchter haben sich fast alle ins Ausland abgesetzt, aus Angst vor Strafverfolgung in der Heimat.

Andererseits gibt es noch genug Mitglieder der alten Machtclique, die wenig Neigung verspüren, auf korrupte Geschäfte zu verzichten. Viele fragen sich, wie weit der Kampf des Präsidenten gegen die Korruption gehen wird, ob es ihm nur um kosmetische Veränderungen geht. "Er zeigt guten Willen, in seinem Kampf gegen die Korruption, ich glaube immer noch an ihn. Aber er kann alleine nicht das ganze System verändern", sagt Journalist Morais. Im Umfeld des Präsidenten soll es mehr Saboteure geben als Sympathisanten.

Angola rutschte in eine Rezession. Alleine den Chinesen soll das Land 50 Milliarden Dollar schulden

Die Regierungspartei MPLA ist seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 an der Macht. Anfangs war sie marxistisch, wurde im Kalten Krieg von Moskau unterstützt, mittlerweile ist vom Sozialismus nicht mehr viel übrig, nur in der Landesflagge sieht man noch die Vergangenheit: Den Stern der Internationalen und die afrikanische Version von Hammer und Sichel - eine Machete und ein halbes Zahnrad. Warum letzteres aussieht wie zerbrochen, kann in Angolas niemand so richtig erklären, es passt aber ganz gut zur Wirtschaftspolitik der Regierung in den vergangenen Jahren: Milliarden wurden in sogenannte "Besondere Wirtschaftszonen" investiert, riesige Gewerbeparks nach chinesischem Vorbild. Die Grundidee, die Wirtschaft des Landes, dessen Exporte zu 95 Prozent aus Öl bestehen, zu diversifizieren war richtig, die Ausführung mangelhaft.

Die Fabriken in der neuen Zone stehen still oder produzieren minderwertigen Kram zu überhöhten Preisen. "Es braucht bessere Berater für die Reform der Wirtschaft, die immer noch in den Händen der alten Elite ist", sagt der Journalist Morais. Der neue Präsident plant jetzt zumindest die Privatisierung von vielen Staatsfirmen, in denen es sich die korrupte Elite gemütlich gemacht hat. Auch der staatliche Ölkonzern Sonangol soll aufgespalten werden. Er war bisher alles zugleich: Regulierungsbehörde, die Förderrechte vergab, aber auch selbst Öl förderte.

Auch bei Sonangol saß Isabel dos Santos lange an der Spitze, die Ergebnisse bekommt das Land heute zu spüren. Durch Misswirtschaft und Selbstbereicherung wurde vergessen, neue Fördergebiete zu erschließen. Dem ölreichen land droht das Öl auszugehen. Die einstige Spitzenproduktion von 1,9 Millionen Barrel am Tag ist auf 1,4 abgesackt, werden nicht neue Vorkommen erschlossen, sind es 2027 nur noch 0,8 Millionen Barrel. Schon bald will die Regierung neue Konzessionen versteigern.

Lange gehörte Angolas Wirtschaft zu den am schnellsten wachsenden der Welt, was vor allem am hohen Ölpreis von mehr als 100 Dollar für das Barrel lag. Mittlerweile ist er unter 70 Dollar gefallen, weshalb Angola in eine Rezession gerutscht ist und sich Geld leihen muss. Alleine bei China soll das Land mit 50 Milliarden Dollar in der Kreide stehen.

Es ist ein schwieriges Umfeld für den neuen Präsidenten, der manchmal ziemlich alleine wirkt in seinen Bemühungen. Vielleicht greift er ja eine alte Idee auf, zumindest die Flagge des Landes etwas freundlicher zu gestalten. Vor einigen Jahren hatte sich eine Kommission des Parlaments schon einmal damit beschäftigt und Entwürfe gesichtet. Eine gelbe Sonne war der Favorit von vielen.

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SZ vom 12.07.2019/jael
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