Wenige Wochen, bevor er sein Amt an Donald Trump übergeben muss, erlebt Joe Biden noch ein erstes Mal als US-Präsident: Er reist nach Subsahara-Afrika. Und zwar nicht zu einem der üblichen Verdächtigen, nach Nigeria, Kenia oder Ghana. Sondern nach Angola. In ein Land, dem in seiner knapp 50-jährigen Geschichte noch nie ein US-Präsident die Ehre eines Besuchs erwiesen hat. Am Montagnachmittag soll Biden in der Hauptstadt Luanda ankommen, bis Mittwoch will er bleiben.
Der Besuch ist der Höhepunkt einer diplomatischen Gegenoffensive, an der Bidens Regierung jahrelang gearbeitet hat. Die USA, das ist der Plan, sollen in Afrika wieder Boden gutmachen, nachdem das Land und seine westlichen Verbündeten zuletzt viele Partner auf dem Kontinent verloren haben. An Russland, das besonders die Putsch-Regime im Sahel erfolgreich umwirbt. Und vor allem an China, das sich zum größten Investor und wichtigsten Handelspartner Afrikas entwickelt hat.
Im Zentrum dieses geopolitischen Konters steht mit Angola ein Staat, dem trotz beeindruckender Maße – dreieinhalbmal so groß wie Deutschland, mehr als 30 Millionen Einwohner, reiche Vorkommen an Öl und Gas – nur selten globale Aufmerksamkeit zuteilwird. Lediglich die krummen Geschäfte der einstigen First Daughter Isabel Dos Santos oder die hohen Mieten in Luanda schafften es in die Schlagzeilen. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die Amtssprache in der früheren portugiesischen Kolonie nicht Englisch oder Französisch, sondern eben Portugiesisch ist.
„Das größte US-Investment in ein Zugprojekt in Afrika aller Zeiten“
Auch der Biden-Regierung tritt man wohl nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass es ihr nicht um Angolas innere Werte geht. Sondern um die Lage des Landes. Im Südwesten Afrikas gelegen, grenzt Angola im Westen an den Atlantik, im Osten an Sambia und die Demokratische Republik Kongo. Genau das macht es für die USA strategisch attraktiv. Denn diese beiden Länder verfügen über große Vorkommen von Kupfer, Kobalt und anderen Rohstoffen, die aufgrund ihrer Bedeutung für moderne Volkswirtschaften als „kritisch“ gelten. Im Wettlauf um diese Rohstoffe hat China die USA weit hinter sich gelassen.
In Angola soll nun der Grundstein für eine Aufholjagd gelegt werden, die man auch als Eingeständnis lesen kann, dass Washington Afrika jahrelang vernachlässigt hat. Die USA haben, gemeinsam mit den anderen G-7-Staaten, Hunderte Millionen Dollar in die Modernisierung einer 1300 Kilometer langen Zuglinie gesteckt, den Lobito-Korridor. Er soll den Süden des Kongo und Sambia mit dem angolanischen Hafen Lobito verbinden. Anders gesagt: mit dem Westen. „Der Lobito-Korridor ist das größte US-Investment in ein Zugprojekt in Afrika aller Zeiten“, sagte Biden, als er Angolas Präsidenten João Lourenço vor einem Jahr im Weißen Haus empfing.
Tatsächlich erinnert das Vorhaben stark an die Strategie, mit der Peking sich seit der Jahrtausendwende viel Einfluss in Afrika gesichert hat. Große Infrastrukturprojekte – Häfen, Flughäfen, Autobahnen, Zuglinien –, dafür ist auf dem Kontinent bisher China berühmt. Und auch berüchtigt. Seit Jahren begleitet Pekings Belt and Road Initiative der Vorwurf, dass die chinesischen Großprojekte vor allem China nutzen, während sie den afrikanischen Ländern in erster Linie einen riesigen Schuldenberg hinterlassen. Eines dieser Länder ist übrigens Angola.
Pekinger Gipfel zur Kooperation:„China wird Afrika nicht entwickeln“
Peking lädt 53 afrikanische Staaten zum Gipfel ein – und schwärmt von einer Zusammenarbeit, die nur Gewinner kenne. Doch auf beiden Seiten ist längst Ernüchterung eingekehrt, beobachten Fachleute.
Auch deshalb wird der Lobito-Korridor von Washington offensiv als westliches Gegenmodell ins afrikanische Schaufenster gestellt. Als Blaupause einer Zusammenarbeit, die tatsächlich beiden Seiten zugutekomme: Die USA bekommen Rohstoffe, Angola, Sambia und der Kongo eine Direktverbindung zum Weltmarkt für ihre Exportprodukte – also Wachstum und Jobs.
Ob der Lobito-Korridor dieses Versprechen halten kann, muss sich zeigen. Was Kritiker jetzt schon für erwiesen halten: Dass die Biden-Regierung – so wie China – eine strategisch vielversprechende Partnerschaft nicht durch unangenehme Fragen zu Demokratie oder Menschenrechten gefährden will. Angolas Bilanz ist in dieser Hinsicht nicht eben makellos. Amnesty International etwa wirft Lourenços Regierung unter anderem vor, Regierungskritiker einzusperren und zu foltern.
Trump hatte die Länder Afrikas pauschal als „shithole countries“ verunglimpft
Dass Biden nach Angola kommt – im Oktober war der Besuch wegen Hurrikan Milton im ersten Anlauf abgesagt worden –, ist auch deshalb ein Coup für Lourenço. Allerdings mit der Einschränkung, dass der Ehrengast als lahme Ente anreist, als Präsident auf den allerletzten Metern. Was Donald Trump vom 20. Januar an mit dem afrikapolitischen Erbe seines Vorgängers anstellen wird, ist offen.
In der Biden-Administration gibt man sich zuversichtlich, dass der künftige US-Präsident den Kurs fortsetzen wird. Mehr Unabhängigkeit im Hinblick auf Rohstoffe und mehr Konfrontation gegen China seien doch genau nach seinem Geschmack. Andere bezweifeln, dass Trump ein Investment in Angola oder sonst irgendwo in Afrika für einen guten Deal halten wird. In seiner ersten Amtszeit hatte er die Länder des Kontinents pauschal als „shithole countries“ verunglimpft. Angolas Präsident jedenfalls gibt sich gelassen. Er werde Trump nicht an seinen Worten, sondern an seinen Taten messen, sagte Lourenço kürzlich der New York Times.
Womöglich rührt diese Gelassenheit daher, dass Lourenço sich seit Jahren zwar um bessere Beziehungen zu Washington bemüht hat, die nun im Biden-Besuch gipfeln. Doch er betonte stets, dass er den Lobito-Korridor keineswegs als Wechsel ins Team USA verstanden wissen will. Wie viele afrikanische Staaten versucht Angola, sich nicht in die amerikanisch-chinesische Systemkonkurrenz hineinziehen zu lassen, sondern von ihr zu profitieren. Das könnte sich jetzt, da das Team USA vollständig ausgetauscht wird, bezahlt machen.
China hat seine Antwort auf den Lobito-Korridor übrigens schon gegeben. Im September unterzeichnete Peking mit Sambia und Tansania ein Abkommen, das ebenfalls die Erneuerung einer Eisenbahnverbindung vorsieht, die Tazara-Linie. Sie führt von Sambia aus durch Tansania an den Indischen Ozean. Anders gesagt: nach Osten.