Nachruf auf Kardinal Angelo Sodano:Bremser vor dem Herrn

Nachruf auf Kardinal Angelo Sodano: Kardinal Angelo Sodano bei einer Messe im Petersdom. Der langjährige Vatikan-Staatssekretär starb im Alter von 94 Jahren.

Kardinal Angelo Sodano bei einer Messe im Petersdom. Der langjährige Vatikan-Staatssekretär starb im Alter von 94 Jahren.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der Norditaliener war lange die Nummer 2 im Vatikan. Er relativierte die Schande eines berühmten Missbrauchstäters.

Von Oliver Meiler, Rom

In seiner langen Karriere in der katholischen Kirchenhierarchie hat Angelo Sodano aus dem Piemont auch mal als "papabile" gegolten, als möglicher Papst also. So mächtig war er, jedenfalls gehörte er zu den einflussreichsten Stimmen im Vatikan. Nun ist Sodano im Alter von 94 Jahren an einer Lungenentzündung nach der Ansteckung mit Covid in Rom gestorben, und die Nachrufe der italienischen Presse auf den Kardinal sind außergewöhnlich kritisch.

Sodano begann als vatikanischer Diplomat in Lateinamerika, zunächst als Sekretär in den Nuntiaturen von Ecuador, Uruguay und Chile, in Chile wurde er dann auch Apostolischer Nuntius, wie die Kirche ihre Botschafter nennt. Später rief man ihn zurück nach Rom, damit er die gesamte diplomatische Arbeit des Heiligen Stuhls koordiniere. 1990 berief ihn dann Johannes Paul II. zu seinem Staatssekretär - de facto zur Nummer 2 im Vatikan, obschon natürlich die Macht im Kirchenstaat ganz und gar beim Papst liegt.

Der Staatssekretär ist so etwas wie der Verwaltungschef und Außenminister. In seine Zeit fielen unter anderem beide Kriege am Golf, 1991 und 2002, und jener in Bosnien 1995. Sodano stellte auch mal provokative Fragen, zumal für vatikanische Verhältnisse, etwa diese zum Irak: "Wer hält das Land zusammen, wenn Saddam Hussein gefallen ist?"

Papst Benedikt XVI. bestätigte Sodano 2005 in dessen Amt. Nach einem Jahr schied er aber aus und wurde Kardinaldekan, Primus inter pares im Kollegium der Purpurträger. Das blieb er bis 2019. Wenn nun aber auch im Tod ein Schatten auf seinem Namen liegt, hat das mit seiner Nähe zum hoch umstrittenen mexikanischen Priester Marcial Maciel Degollado zu tun, dem Gründer der erzkonservativen Legionäre Christi. Sodano war ein Anhänger. Mitte der Neunzigerjahre hat er eine Untersuchung der Kurie verhindert, die sich mit dem bereits bekannten und massiven sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Maciel beschäftigen sollte.

Der neue Chef der Bischofskonferenz will zumindest 20 Jahre aufklären

Luigi Accattoli, "Vaticanista" der Zeitung Corriere della Sera, erzählte nun von einer Begegnung mit Sodano 1999. Er habe zugehört, wie der Kardinal damals zu einem Mitarbeiter sagte, sie müssten sich dafür einsetzen, dass das Werk Maciels nicht befleckt werde. "Selbst wenn alle Vorwürfe gegen ihn erwiesen wären, war sein Werk eine Wohltat für viele Personen und die Kirche selbst", soll Sodano gesagt haben. Durch sein Relativieren bremste der Kardinal die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen über viele Jahre, gerade auch in seinem Heimatland Italien, oftmals im Zwist mit anderen Mitgliedern der Kurie.

Die italienische Bischofskonferenz versucht nun unter ihrem neu berufenen Vorsitzenden, dem progressiven Kardinal Matteo Maria Zuppi, die Missbrauchsfälle in Italien aufzuarbeiten. Zuppi will schon am 18. November einen Untersuchungsbericht vorlegen. Doch die Opfervereinigungen sind enttäuscht, weil die Ermittlung erstens nicht von unabhängigen Dritten durchgeführt wird, wie das in anderen Ländern der Fall war, und weil zweitens nur Missbrauchsfälle aus den vergangenen 20 Jahren untersucht werden sollen.

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