Angelika Beer kandidiert für Kieler Landtag:Die grüne Piratin

Einst hat sie die Grünen mitgegründet, jetzt kandidiert sie für die Piraten: Die ehemalige Grünen-Parteichefin Angelika Beer will mit der jungen Partei in den Kieler Landtag einziehen - und erhofft sich von den Piraten einen anderen Politikstil.

Claudia Henzler, Neumünster

Den Zopf hat sie noch. So sitzt Angelika Beer im Februar in Neumünster in einem Rauchercafé, in einer Fleece-Jacke, die verrät, dass sie ihr Zuhause mit mindestens einer Katze teilt. Tatsächlich sind es sieben, die mit ihr und ihrem Mann in einem Haus bei Neumünster wohnen. Zwei Handys auf dem Tisch, eine dicke Ordnungsmappe. Als Parteivorsitzende hat sie bei den Grünen ganz oben mitgespielt. "Piraten gegen Rechtsextremismus" ist auf ihr T-Shirt gedruckt. Die Augen funkeln. Sie ist gut gelaunt.

Angelika Beer will mit den Piraten in den schleswig-holsteinischen Landtag einziehen

Die ehemalige Grünen-Chefin Angelika Beer erhofft sich von der Piratenpartei einen anderen Politikstil.

(Foto: dapd)

Zwei Themen treiben die frühere Grünen-Parteichefin um. Da ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, den sie auch daheim in Neumünster führt. Und da ist die Außen- und Sicherheitspolitik. Krieg und Frieden auf der Welt, ihr Spezialgebiet seit Jahrzehnten. Neulich war sie bei einer Telefonkonferenz dabei, Piraten aus mehreren Ländern schalten sich da übers Internet zusammen. Diskutiert wurde darüber, mit welcher Software man Blogger in Nordafrika unterstützen könnte. "Total faszinierende Sachen sind das, die gar keine andere Partei machen kann", sagt Beer.

Ganz klar: Die weite Welt ist die Liga, in der die frühere wehrpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion spielen will. Doch nun kandidiert sie auf Listenplatz sechs der Piraten in Schleswig-Holstein. Zieht es sie wirklich nach Kiel, wo eher selten über Strategien für Nahost debattiert wird? Nicht unbedingt, gibt sie zu. Doch dann hatte der Landesparteitag im Oktober 2011 eine Dynamik entwickelt, die sie auf einen aussichtsreicheren Listenplatz spülte, als sie es geplant hatte. Diese Zustimmung sei ein so gutes Signal gewesen, dass sie sich verpflichtet fühle. Jetzt habe sie "total viel Lust, den Laden aufzumischen".

"Sie ist sehr Basispirat"

Bisher aber hält sie sich auf Landesebene zurück, mal gibt sie Interviews, hat auch am Wahlprogramm mitgearbeitet, echte Leidenschaft aber steckt sie in ihre Themen: Beer wirkt auf Bundesebene in der Arbeitsgemeinschaft Außen- und Sicherheitspolitik mit. Über den Landtagswahlkampf mit der prominenten Piratin sagt auch der 23-jährige Spitzenkandidat Torge Schmidt: "Sie spielt keine wirklich besondere Rolle." Er meint das positiv. "Sie ist natürlich sehr bekannt in Schleswig-Holstein, hat viele Kontakte zur Presse, hat viel Erfahrung und kennt die parlamentarischen Abläufe, wovon die Piraten profitieren. Auf der anderen Seite ist sie ein ganz normales Mitglied." Er lobt: "Sie ist sehr Basispirat. Es bringt wirklich Spaß, mit ihr zu arbeiten."

Man erinnert sich: Spaß hatten Beer und die Grünen lange nicht mehr, als sie die Partei im Jahr 2009 verließ. Denn sie, die einstige Kommunistin, das Gründungsmitglied der Grünen, die Friedensaktivistin, hatte den Verrat der Grünen an den eigenen Prinzipien mitorganisiert, die Abkehr vom radikalen Pazifismus. Der damalige Vizekanzler Joschka Fischer hatte seine wehrpolitische Sprecherin in die Pflicht genommen, und so wurde sie eine der wenigen Linken, die sich für Nato-Luftangriffe in Jugoslawien einsetzten - und für die Beteiligung der Bundeswehr. Das kostete sie ihre Freunde auf dem linken Flügel. Sie bemühte sich nicht, im rechten Lager neue zu gewinnen. Dass die gelernte Anwaltsgehilfin über Waffensysteme fachsimpelte, sich auf einem Panzer ablichten ließ und von "unseren Jungs" sprach, sahen die Grünen mit Unbehagen. Als Beer ihre Liebe zu einem Bundeswehroffizier, ihrem heutigen Mann, im Stern öffentlich ausbreitete, war sie den Grünen peinlich. Bei der Bundestagswahl 2002 wurde sie nicht mehr für einen aussichtsreichen Listenplatz nominiert.

"Machtpolitik, das ändert einen persönlich"

Es war ein Unfall, dass sie noch Parteichefin wurde. Damals, in Hannover, befand sich die kleine Regierungspartei in der Krise. Die Basis hatte auf einer Trennung von Amt und Mandat beharrt und den Bundestagsmitgliedern Claudia Roth und Fritz Kuhn die neue Kandidatur verwehrt. Es gab einfach keine andere bekannte Linke, die wollte. So wurde Beer Vorsitzende, obwohl Außenminister Fischer und sie nicht miteinander konnten. "Mit Joschka, das war immer Krieg", sagt Beer rückblickend. Danach schaffte sie es gerade noch ins Europaparlament, 2009 aber wurde sie nicht mehr nominiert. Und verließ die Partei.

Wegen ihrer Vita als einstige wehrpolitische Sprecherin und einstige Europaabgeordnete wird Beer immer mal wieder als Referentin eingeladen. Sie ist auch Vorsitzende eines internationalen Parlamentarier-Netzwerks für Konfliktprävention. Doch das ist mehr ein Hobby, leben könnte sie als freiberufliche Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik nicht, auf ihre Abgeordnetenpension muss die 54-Jährige noch ein paar Jahre warten. Durch ihren Mann ist sie darauf zwar nicht angewiesen, aber mittelfristig sucht Beer wieder einen Job - am liebsten in der Politik. Parteichefin soll es aber nicht mehr sein. "Machtpolitik, das ändert einen persönlich", sagt sie. Das habe sie in zwei schmerzhaften Jahren gelernt. "Ein Parteivorsitzender hat zwei Pflichten: Den politischen Gegner anschießen und die Basis knebeln." Das sei "in großen Teilen menschenverachtend".

Von den Piraten, die sich als Kollektiv begreifen und Entscheidungen transparent und basisdemokratisch treffen wollen, erhofft sich Beer einen anderen Politikstil. Wenn sie darüber redet, kehrt die gute Laune zurück. Nach zweieinhalb Jahren fühlt sie sich bei der Partei offensichtlich wohl, auch wenn sie noch immer lieber die Ordnungsmappe als den Laptop dabeihat. Die Piraten sind eine junge Partei, die sich noch finden muss. Ob sie Beers dauerhafte politische Heimat werden, ist unklar. Derzeit jedenfalls sind sie das Team, mit dem sie aufs politische Spielfeld zurückkehrt. Und für die sie zum Dank wohl auch den Umweg über den Landtag machen würde.

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