Kanzlerin in Bedrängnis:Merkels harter Mittwoch

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Energiewende und Euro-Rettung - es ist, als würde sich Angela Merkels zweite Kanzlerschaft in einem einzigen Tag verdichten. In Sachen Energie stehen sich die Bundesländer im Weg, in Sachen Euro die Staaten Europas. In Deutschland immerhin könnte die Kanzlerin schlichten, in Europa hingegen ist sie ziemlich isoliert.

Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt, Berlin

Wochenlang hatten sie auf die Einladung warten müssen, auf das Treffen hingefiebert, es sich ausgemalt: Vorfahrt vor dem Kanzleramt, drängelnde Fotografen, wichtig dreinschauen, Forderungen stellen, Tagesschau. Doch was für Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin der politische Höhepunkt des Monats Mai werden soll, nimmt auf der Prioritätenliste ihrer Gastgeberin Angela Merkel nur einen mittleren Rang ein. Gemessen an den Problemen, die sich anderswo auftürmen, fällt für die Kanzlerin ihr Disput mit der Opposition über die Umsetzung des EU-Fiskalpakts kaum ins Gewicht.

Auch das gehört zu den Aufgaben einer Kanzlerin: Angela Merkel am Dienstag zu Besuch beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband. (Foto: dpa)

Nicht der Donnerstag ist für Merkel der entscheidende Tag dieser Woche, der Mittwoch ist es. Am Vormittag kommt sie in Berlin mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer zusammen, um die ins Stocken geratene Energiewende wieder in Gang zu bringen. Und am Abend trifft sie in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU, um zu verhindern, dass die Kollegen ein Konzept zur Überwindung der europäischen Schuldenkrise verabreden, für das am Ende die Bundesrepublik die Rechnung übernehmen muss. Energiewende und Euro-Rettung - es ist, als würde sich Merkels zweite Kanzlerschaft in einem einzigen Tag verdichten.

Ab elf Uhr - die wöchentliche Kabinettssitzung wird sie dann schon absolviert haben - geht es im "Internationalen Konferenzsaal" des Kanzleramts um die "Umsetzung des Energiekonzepts der Bundesregierung". Schon der Titel ist beschönigend, denn bislang wurde kaum etwas umgesetzt. Entsprechend ist die Tagesordnung: lang und kompliziert.

Zweieinhalb Stunden reichen nicht

Denn bei der Energiewende sind sich die Länder allenfalls im Ziel einig, nicht im Weg. Da wären etwa die Nordländer, die gerne ganz Deutschland mit Windkraft versorgen würden. Und da gibt es Südländer wie Bayern, die sich darauf nicht verlassen wollen und am liebsten autark wären. Beides zusammen aber funktioniert schlecht. Und da wäre der Ausbau der Stromnetze, der auch davon abhängt, wo künftig wie viel Strom produziert wird - und der in den betroffenen Gemeinden noch für viel Ärger sorgen könnte.

Hinzu kommt: Einige Ministerpräsidenten sorgen sich über steigende Strompreise, andere verlangen mehr Subventionen für Solaranlagen. Außerdem streiten die Länder darüber, ob sie einer steuerlichen Förderung für die Dämmung älterer Gebäude und den damit verbundenen Einnahmeausfällen für den Staatshaushalt zustimmen sollen oder nicht. Angela Merkel dürfte es kaum gelingen, die unterschiedlichen Positionen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, zumindest nicht in zweieinhalb Stunden: Schon um 13:30 Uhr will sie zusammen mit den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD, Rheinland-Pfalz) und Peter Harry Carstensen (CDU, Schleswig-Holstein) vor die Presse treten.

Gut aus Sicht der Kanzlerin ist immerhin, dass es in dem Konflikt keine festen Blöcke gibt. Im Gegenteil: Die Frontlinien verlaufen quer durch die Länder und die sie tragenden Parteien. Das sieht beim Streit über die richtige Strategie zur Bewältigung der EU-Schuldenkrise schon ganz anders aus.

In Europa isoliert

Seit der Niederlage von Merkels Partner Nicolas Sarkozy bei der französischen Präsidentschaftswahl ist Deutschland zumindest unter den großen Euro-Staaten erstmals tatsächlich isoliert. "Es war schon oft zu lesen, dass Merkel in der Euro-Krise weitgehend allein dastehe. Diesmal stimmt es", sagt ein hoher Beamter, der schon an vielen Gipfeltreffen teilgenommen hat.

Das Problem der Kanzlerin ist, dass viele Partner nach den jüngsten Wahlen in Frankreich und Griechenland ein Signal aus Berlin erwarten, nach dem Motto: Die EU-Regierungen, die das deutsche Spardiktat mitgetragen haben, sind abgewählt worden, also muss Deutschland seinen Kurs korrigieren. Gefordert werden eine laxere Haushaltspolitik, ein weniger stabilitätsfixierter Kurs der Europäischen Zentralbank, großzügigere Programme zur Wachstumsförderung.

Merkel jedoch ist weitgehend manövrierunfähig, denn sie kann in keinem dieser Punkte einen nennenswerten Schritt auf ihre Kritiker zugehen, ohne ihre bisher geltenden ehernen Prinzipien zu verletzen. Sie setzt deshalb erst einmal darauf, Zeit zu gewinnen, denn bei dem informellen Arbeitsessen der EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Mittwochabend sollen keine Entscheidungen fallen.

Vielleicht ist sie ja am Donnerstag schlauer, wenn sie sich mit Gabriel, Trittin und all den anderen Oppositionsführern getroffen hat. Schließlich hat Gabriel seit dem Wahlsieg des Sozialisten François Hollande über Sarkozy nach eigenem Bekunden einen direkteren Draht in den Élysée-Palast als die Kanzlerin.

© SZ vom 23.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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