November 2015:
Standpauke auf dem CSU-Parteitag: Nachdem Angela Merkel vor den Delegierten ihre Ablehnung der Obergrenze erneuert hat, betritt der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Bühne: "Jetzt will ich dir einfach meine Überzeugung sagen, damit die Standpunkte klar sind." 13 Minuten muss die Kanzlerin wie ein Schulmädchen neben Seehofer stehen, der eine Begrenzung der Zuwanderung fordert. Im Gegensatz zu ihr erntet er großen Beifall.
Januar 2016:
Auf der Klausur in Wildbad Kreuth legt sich Seehofer zum ersten Mal auf eine konkrete Zahl als Obergrenze fest: Maximal 200 000 Flüchtlinge pro Jahr könne Deutschland aufnehmen. Zwar kommt Merkel nach Kreuth - eine Entspannung des Verhältnisses bringt das aber nicht. Ende Januar schickt die bayerische Staatsregierung einen Brandbrief ans Kanzleramt: Die Bundesregierung möge dringend ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ändern. Der Brief schließt mit der Drohung, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Flüchtlingspolitik einzureichen. Seehofer beruft sich auf ein externes Gutachten des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, Udo Di Fabio.
Februar 2016:
In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse legt Seehofer nach: "Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts."
März 2016:
Als die AfD in die Landtage von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt einzieht, verschärft sich der Konflikt. CDU und CSU streiten nun auch über den Umgang mit der neuen Konkurrenz von rechts.
Mai 2016:
Seehofer denkt laut über einen eigenen Bundestagswahlkampf der CSU nach.
Juli 2016:
Nach dem Amoklauf im Münchner OEZ und den Terroranschlägen in Ansbach und Würzburg erklärt der CSU-Chef nach einer Klausur des bayerischen Kabinetts: "'Wir schaffen das'; ich kann mir diesen Satz beim besten Willen nicht zu eigen machen."
September 2016:
Merkel äußert sich verhalten zu dem Satz, der wohl wie kein anderer ihre Kanzlerschaft prägen wird: "Wir schaffen das" sei "anspornend, dezidiert anerkennend" gemeint gewesen. "Und zwar, weil ich genau weiß, dass wir alle in unserem Land gemeinsam sehr viel zu schultern haben, aber dass sich das in den übertrieben oft wiederholten drei Wörtern nicht sofort abbildet." Als Distanzierung möchte sie die Aussage nicht verstanden wissen.
November 2016:
Merkel kommt erstmals nicht zum CSU-Parteitag. Zu viele Streitpunkte seien ungelöst.
Dezember 2016:
Seehofer sagt in der ARD: "Wir werden zu einer Begrenzung, auch zu einer Obergrenze kommen." Auf die Frage, ob er 2017 in die Opposition gehen werde, wenn im Koalitionsvertrag keine Obergrenze stünde, antwortet er: "Sie haben das gut verstanden, ja."
Februar 2017:
Zwei Monate nach der CDU ruft die CSU Merkel zu ihrer Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf aus. Seehofer und Merkel demonstrieren Einigkeit.
Juli 2017:
CDU und CSU beschließen ihr Programm für die Bundestagswahl einstimmig - die Obergrenze fehlt. Merkel erklärt in der ARD: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar. Ich werde sie nicht akzeptieren." Der CSU-Chef wird daraufhin mit den Worten zitiert, man hätte die Äußerungen "auch lassen können". Mit dem "Bayernplan" beschließt die CSU ein eigenes Programm für die Bundestagwahl - in ihm kommt die Obergrenze vor.
Oktober 2017:
Nach der Bundestagswahl müssen sich die Unionsparteien zuerst auf einen Kompromiss bei der Flüchtlingspolitik einigen, bevor Koalitionsverhandlungen mit den anderen Parteien beginnen können. Es zeigt sich, dass der Streit im Wahlkampf nur kaschiert wurde. Schließlich finden sie einen Kompromiss. Auf die späte Verständigung angesprochen, erklärt Merkel: "Alles hat seine Zeit. Gestern war diese Zeit." Horst Seehofer stimmt ihr zu: "Ich stimme diesem Satz ausdrücklich zu: Alles hat seine Zeit." Doch schon am Tag der Verhandlungen bricht Streit über die Interpretation des Ergebnisses aus.
Dezember 2017:
Merkel kommt zum CSU-Parteitag. "Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich wirklich, heute wieder bei Ihnen beim CSU-Parteitag zu sein", sagt sie zur Begrüßung. Wir sind dafür bekannt, dass wir es uns nicht immer einfach gemacht haben in unserem Leben", meint die Kanzlerin an Seehofer gewandt. Jetzt sei sie kurz aber davor, die Platte "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht" aufzulegen. Der "liebe Horst" erwidert im Anschluss: "Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich freue mich, dass du da bist beim CSU-Parteitag."
März 2018:
Horst Seehofer, als Ministerpräsident von Markus Söder abgelöst, wird Minister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV. Seehofer kündigt da erstmals einen "Masterplan Migration" an. Konflikte zwischen seinem neuen "Superministerium" und dem Kanzleramt scheinen programmiert. Die Aussage Seehofers in der Bild-Zeitung, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, führt zu neuen Kontroversen. Bei einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten erklärt die Kanzlerin mit Blick auf die vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime: "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."
11. Juni 2018:
Seehofer verschiebt die Vorstellung seines Masterplans wegen Differenzen mit Merkel. Der Streit entzündet sich an der Frage, ob bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge zukünftig direkt an der Grenze abgewiesen werden dürfen. Der Bundestag unterbricht seine Sitzung wegen des Asylstreits der Unionsparteien für zwei Stunden.
28. Juni 2018:
Seehofer und Merkel haben eine Entscheidung im Asylstreit vertagt. Der Bundesinnenminister hat zugestimmt, der Kanzlerin bis zum EU-Gipfel in Brüssel Zeit zu geben, um mit den Partnerländern eine Lösung zu finden, die "wirkungsgleich" ist mit seinem Plan, Asylsuchende bereits an der Grenze zurückzuweisen. An diesem 28. Juni bricht Merkel nach Brüssel auf, und die harte Arbeit der vergangenen zwei Wochen, in denen sie zahlreiche Vorbereitungsgepräche für den Gipfel geführt hat, macht sich bezahlt. In Brüssel einigen sich die Mitgliedstaaten auf eine Verschärfung der Asylpolitik, auf Sammellager für Migranten in- und außerhalb der EU und auf einen stärkeren Schutz der Außengrenzen. Mit mehreren Ländern, etwa Griechenland und Spanien, verabredet sie Rücknahmeabkommen.
1. Juli 2018:
Es ist der Showdown im Asylstreit. Die zerstrittenen Unionsparteien tagen getrennt, die CDU in Berlin, die CSU in München. Sie wollen dort über die Ergebnisse beraten, die Merkel vom EU-Gipfel mitgebracht hat. Die entscheidende Frage lautet, ob Seehofer und seine Gefolgschaft mit ihnen zufrieden sind. Im ZDF-Sommerinterview gibt Merkel ihre Einschätzung bekannt, dass ihre Verhandlungsresultate "wirkungsgleich" seien mit den von Seehofer geforderten Zurückweisungen. Aus München verlautet aber bald, der Bundesinnenminister habe in der CSU-Sitzung das Gegenteil gesagt. Er kündigt eine Erklärung für den Abend an. Dann der Paukenschlag: Seehofer kündigt an, sowohl sein Ministeramt als auch das Amt des Parteichefs niederlegen zu wollen. Die CSU-Führung versucht, ihn davon abzubringen - und dann lässt sich Seehofer darauf ein, ein letztes Gespräch mit Kanzlerin Merkel zu führen. Sein Rücktritt scheint nur aufgeschoben - aber letzte Sicherheit darüber wird es erst in den kommenden Tagen geben.