Süddeutsche Zeitung

Merkel und Trump:Schluss mit der Schöntuerei

Lange Zeit haben westliche Politiker versucht, irgendwie mit dem US-Präsidenten klarzukommen. Nun hat die Kanzlerin endlich klare Worte gesprochen.

Kommentar von Detlef Esslinger

Ist das sinnvoll: Trump derart anzugehen? Ihn nicht nur als Rassisten wahrzunehmen, sondern ihn - jedenfalls indirekt - auch als solchen darzustellen, als Bundeskanzlerin? "Ich distanziere mich davon entschieden und fühle mich solidarisch mit den attackierten Frauen", sagte Angela Merkel am Freitag, zum Schluss ihrer Pressekonferenz. Der amerikanische Präsident hatte vor wenigen Tagen Politikerinnen der Demokratischen Partei aufgefordert, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzugehen, "ihr könnt gar nicht schnell genug aufbrechen".

Spätestens in zwei Jahren wird Angela Merkel aufhören. In allen Rückblicken dürfte es dann die Szene von 2008 geben, in der sie zusammen mit dem Finanzminister Steinbrück von der SPD die Spareinlagen der Deutschen für "garantiert" erklärt. Es wird natürlich der "Wir schaffen das"-Satz von 2015 gezeigt werden. Und diese Bemerkung jetzt.

Narzissten wollen permanent gepudert werden; zugleich meinen sie, ein Grundrecht auf Beleidigung von jeder und jedem zu haben und schäumen bei jedem Pikser, der ihnen selbst zuteilwird. Viele Spitzenpolitiker haben versucht, durch Pudern mit Trump irgendwie klarzukommen. Emmanuel Macron lud ihn zum Nationalfeiertag auf die Champs-Élysées ein. Theresa May besorgte ihm in London die gesamte Pracht und Herrlichkeit des Vereinigten Königreichs. Angela Merkel gewährte 2017 einer jungen Amerikanerin einen gemeinsamen Auftritt, die vielleicht auch etwas zu sagen wusste, ganz sicher aber die Tochter des damals neuen Präsidenten war.

Es wäre Verrat, Trump weiter zu pudern

Die Technik war ehrenwert und den Versuch wert. Trotzdem hat Trump den Pariser Klimavertrag und das Iran-Abkommen gekündigt, mit Autozöllen sowie mit Sanktionen im Fall einer europäischen Digitalsteuer gedroht, Deutschland als "schlimmer als China" bezeichnet und über May gesagt, dass sie Chaos angerichtet habe.

Natürlich muss auch ein amerikanischer Präsident in der Sache letztlich so entscheiden, wie er es jeweils für geboten hält. Was Trump betrifft, gründen Frust und Zorn darin, dass er am Gespräch nie wirklich interessiert ist, dass er das Recht des Stärkeren - also seins - für hinreichend hält und dies sein generelles Prinzip ist, im Umgang mit anderen Nationen und mit Kritikern daheim. Gäbe Trump nur den Klimavertrag auf, wäre dies schon desaströs genug. Indem er jedoch permanent die Prinzipien des Miteinander-Auskommens verrät, wäre es auch Verrat, ihn weiter zu pudern.

Angela Merkel, aufgewachsen in der DDR, war stets eine Bewunderin der amerikanischen Demokratie und hat sich nun entschlossen, dieser in der Auseinandersetzung mit dem Präsidenten beizustehen. Im Idealfall hilft ihre Äußerung, dass sich der Fokus in der US-Gesellschaft jetzt allein auf den Rassisten im Weißen Haus richtet - und nicht darauf, was die von ihm Diskriminierten vielleicht früher geäußert haben und worüber man geteilter Meinung sein könnte; damit griffe man nur den hingelegten Giftköder auf. Eine Debatte gewinnt derjenige, der den Gegenstand dieser Debatte bestimmt. Trump darf sie sehr gerne verlieren; und danach in sein Heimatland zurückkehren. Sein Großvater zog einst aus der Pfalz nach Amerika, und wenn's dem Weltfrieden dient, nehmen die Menschen in der Gegend ihn bestimmt wieder zurück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4531480
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.07.2019/saul
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.