Verfolgen Sie hier in der Nachlese die Geschehnisse rund um die Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel:
Thomas Kirchner
Eine erste Bilanz: Merkel ist fit und voll im Stoff
Die Kanzlerin mag ja ein bisschen gezittert haben in jüngster Zeit. Aber mit ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz hat sie wieder einmal gezeigt, wie sehr sie sich im Griff hat und wie gut sie mit den Medien umzugehen weiß. Wie viel Erfahrung sie inzwischen auch hat mit solchen Situationen. Sie ist fit, schnell im Kopf, schlagfertig, wo es sein muss. Aber nicht zu flapsig, wo es unangebracht wäre. Und sie ist voll im Stoff, bis in die Feinheiten der Beziehungen zum Kosovo. Sie hat recht ausführlich über den Klimaschutz gesprochen, und nicht zuletzt hat sie klare Kante gezeigt: etwa in Sachen Donald Trump. Die beiden werden keine Freunde mehr.
Benedikt Peters
Noch einmal Trump - Merkel: "Distanziere mich deutlich"
Die letzte Frage. Nochmal geht es um Trumps Attacken auf demokratische US-Politikerinnen mit Migrationshintergrund. Ein Kollege erwähnt andere Politiker wie etwa Kanadas Premier Justin Trudeau, die Trump harsch kritisiert haben. Wie es Merkel persönlich mit den Äußerungen gehe, ob sie sich solidarisch mit den Attackierten erkläre? Die Bundeskanzlerin holt Luft, und dann sagt sie, sehr entschieden, ein einziges Wort: „Ja.“ Und nach kurzer Nachfrage: „Ich distanziere mich deutlich davon und erkläre mich solidarisch mit den drei attackierten Frauen.“ Das war ein deutliches Schlusswort.
Thomas Kirchner
Keine Keule bei Migrationspolitik
Merkel wird gefragt, wie aus ihrer Sicht die Reform der Dublin-Regelung über die Verteilung von Asylbewerbern in der EU aussehen sollte.
Die Antwort: Wenn es nur nach ihr ginge, wäre das Problem leichter zu lösen. "Aber dass es ist, wie es ist, dafür trägt auch Deutschland eine Verantwortung." Deutschland habe geglaubt, nach der Aufnahme der Balkanflüchtlinge in den Neunzigerjahren in gewisser Hinsicht seine Pflicht getan zu haben. Dann wird sie grundsätzlicher und redet bilanzierend über die Europapolitik seit der Wiedervereinigung. Bei der gemeinsamen Währung und bei Schengen seien die Dinge am Anfang "nicht richtig durchdacht" gewesen. Der Euro sei auf eine schwere Krise nicht vorbereitet gewesen. Da sei man jetzt besser gerüstet. Und dasselbe gelte für das System der offenen Grenzen und die Migrationskrise.
Finanzielle Sanktionen für jene Staaten, die sich nicht solidarisch zeigen? Das bringe ja auch nichts, sagt Merkel, "wir brauchen eine gemeinsame Lösung". Mit der Keule auf den Tisch zu hauen habe sich nicht bewährt. Die Idee der Umverteilung habe "uns politisch nicht vorangebracht". Das ist eine Distanzierung von dem Kurs, den sie seit 2015 betrieben hat. In dieser Frage hat Merkel eine Menge politisches Lehrgeld zahlen müssen.
Thomas Kirchner
"Ich hab' da keine Zeit dafür"
Eine gute Frage: Wie fühlt es sich an, so viele Porträts von sich in den Medien sehen zu können, während die politische Karriere noch läuft? Merkel gibt an, sich dafür kein bisschen zu interessieren. "Ich hab' da keine Zeit dafür." Wenn die Sender glauben, dass die Leute solche Dinge gerne sähen, sei das deren Sache. "Ich hab' meine Aufgaben zu erfüllen."
Oliver Das Gupta
Merkel wirbt für mehr Verständnis für ehemalige DDR-Bürger
Nach den Einlassungen zu ihrer Gesundheit wird die Kanzlerin noch einmal persönlich. Es geht um die Ostdeutschen, also auch um sie. Merkel wirbt um Verständnis für die Älteren, diejenigen, die die DDR noch bewusst erlebt haben und sich entsprechend eingerichtet hatten, weil sie mussten. „Man hat Techniken entwickelt, die braucht es heute nicht mehr“, sagt Merkel.
Zum Beispiel, sich Papiertaschentücher in größeren Mengen zu besorgen, wenn es mal welche gab, Winter-Kleidung im Sommer zu kaufen – sich eben so gut wie möglich auf ein Leben im Mangel und Engpässen einzustellen. Die Kanzlerin beschwert sich nicht über das frühere Leben in Unfreiheit, das ist hier nicht ihr Punkt. Ihr geht es offenkundig darum, dass die ehemaligen DDR-Bürger nach wie vor nicht auf Verständnis für ihr Leben in einem Deutschland stoßen, das vor 30 Jahren abgewickelt wurde. Entsprechend wirbt die Kanzlerin für mehr Kontakte auf der Sommerpressekonferenz. Sie spricht vom Erzählen lassen und vom Zuhören, vom deutsch-deutschen Interesse, dass auch heute noch unterentwickelt ist.
Thomas Kirchner
Deutliche Kritik an Trump
Merkel wird auf die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Trump zu demokratischen Politikerinnen mit Migrationshintergrund angesprochen, Aussagen, die viele als rassistisch empfanden. "Noch hat die amerikanische Demokratie ein Wahlrecht und eine demokratische Grundstruktur", sagt Merkel. Dann wird sie etwas schärfer im Ton. Amerika habe immer von den Einwanderern profitiert. Das seien Äußerungen, die diesem Eindruck "sehr zuwiderlaufen". "Das ist etwas, was die Stärke Amerikas konterkariert."
Oliver Das Gupta
Merkel fordert Iran auf, das Atomabkommen einzuhalten
Zwei Fragen zu einem besonders brisanten internationalen Thema: Iran. Mit Blick auf das von den USA unter Präsident Trump einseitig aufgekündigte Atomabkommen wirbt Merkel dafür, dass Iran sich nach wie vor an die Eigenbeschränkungen halten solle. Wörtlich sagt sie: „Ich halte es für sinnvoll, wenn Iran diese Verpflichtungen einhalten würde“. Es seien ja „nicht alle Vertragsparteien weggegangen.“ Die Kanzlerin zählt neben der EU auch Russland und China auf. Die Einhaltung des Deals wäre ein „Zeichen des guten Willens an die Internationale Staatengemeinschaft“, sagt sie.
Merkel macht damit klar, dass Teheran keine Kernwaffen entwickeln sollte. Es ist keine Warnung, es ist eine Standortbestimmung. Merkel spricht davon, dass „jede Möglichkeit eines diplomatischen Kontaktes“ gesucht werden solle, um eine militärische Eskalation zu verhindern. Dabei erwähnt sie nicht nur lobend Frankreichs Staatschef Macron und Bundesaußenminister Maas (SPD). Merkel erwähnt auch, dass sie ihren Standpunkt im Gespräch mit Trump vertreten habe.
Gleichzeitig lässt sie ihre kritische Haltung gegenüber dem Mullah-Regime von Teheran durchblicken, wenn auch nicht scharfzüngig. Sie sehe viele Dinge „sehr kritisch“ in der iranischen Politik, sagt sie, das „ballistische Raketenprogramm“ mache ihr „große Sorgen“, ebenso Teherans Rolle im vom Bürgerkrieg verwüsteten Syrien. Und natürlich die Haltung der iranischen Staatsführung gegenüber Israel. An dieser Stelle sei daran erinnert: Regelmäßig reden iranische Funktionsträger mal mehr und mal weniger deutlich davon, den Staat Israel zu zerstören.
Thomas Kirchner
Der Brexit und die Quadratur des Kreises
Gibt es eine Aussicht auf Wege aus der Brexit-Falle? Zum Beispiel neue Ideen zum umstrittenen Backstop für Irland? Da habe man noch keine Lösung gefunden, bestätigt Merkel. Wenn wir eine Lösung für das Management der Grenze finden, im Grunde "eine Quadratur des Kreises", dann sei die Backstop-Frage nicht mehr wichtig. Deshalb gehe es nun darum, die künftigen Beziehungen Großbritanniens und der EU entsprechend zu gestalten.
Thomas Kirchner
Lob für Tsipras
Ein Journalist sagt, er habe den Eindruck, dass man in Berlin den scheidenden griechischen Ministerpräsidenten Tsipras vermisse. Merkel bestätigt das in gewisser Weise, man habe trotz der politischen Unterschiede gut zusammengearbeitet, auf einer Vertrauensbasis, die auch in schwierigen Nachtsitzungen gehalten habe. Über den Nachfolger Mitsotakis äußert sie sich abwartend. Mal schauen, was er tue, und wie er es tue.
Benedikt Peters
Merkel über AKK: „Sie wird das sehr gut machen“
Es war eine große Überraschung, als Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang der Woche plötzlich als neue Verteidigungsministerin ausgerufen wurde, hatte sie zuvor doch schon abgewinkt. Darauf angesprochen, nimmt Merkel ihre Parteifreundin in Schutz. Sie sagt, dass es immer wieder neue „Perspektiven“ geben und man eine Entscheidung auch ändern könne. Sie selbst habe ja auch ihre Meinung ändern müssen, als sie im Europäischen Rat gemerkt habe, dass das Spitzenkandidaten-Prinzip nicht durchsetzbar gewesen sei. In Bezug auf Kramp-Karrenbauers neues Amt sagt sie: „Sie wird das sehr gut machen.“ Und sie betont, dass das Amt der Parteichefin mit einem Staatsamt vereinbar sei. Merkel war schließlich selbst lange Jahre nicht nur Bundeskanzlerin, sondern auch CDU-Vorsitzende.
Thomas Kirchner
Merkel stärkt der SPD den Rücken
Es wird immer leichter für Merkel, denn jetzt geht es um die SPD, die ja, wie der Journalist sagt, in einer "sehr schwierigen Situation" sei. Ob es denn dafür einen Rabatt gebe, wird sie gefragt. Merkel sagt, manche geplante Projekte seien nicht leicht zu schlucken für die SPD, manche aber auch nicht für die Union. Die Grundrente sei so ein kompliziertes Thema. Hier bestehe die Union auf einer Bedürftigkeitsprüfung. Aber: "Da wo ein guter Wille ist, haben sich immer Wege gefunden." Sie blicke nach dem Rücktritt von Andrea Nahles "voller Hochachtung" auf den Prozess, mit dem die SPD einen neuen Vorsitz suche. Das klingt nicht, als würde Merkel mit einem baldigen Ende der Koalition rechnen. Oder anders: Sie will dem politischen Partner gezielt den Rücken stärken, weil sie weiß, dass sie ihn noch brauchen wird.
Thomas Kirchner
Souverän und gelassen
Mehr als die Hälfte der Pressekonferenz ist vorbei. Die Bundeskanzlerin wirkt souverän und gelassen, als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich viele Fragen um die Klimapolitik drehten, einem Gebiet, mit dem sie sich seit sehr langer Zeit befasst. Zur Entspannung von den Widrigkeiten der deutschen Innenpolitik darf sie zwischendurch auf Fragen ausländischer Kollegen antworten. Da gibt sie die überzeugte Europäerin, die deutsche Regierungschefin, die immer "auf Partner angewiesen" ist.
Thomas Kirchner
Zu viele Emissionszertifikate
Nochmal Klimaschutz. Merkel räumt ein, dass die Ziele sich für Deutschland als zu ehrgeizig erwiesen hätten. Ein wichtiger Grund dafür sei das starke Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahrzehnt. Dass das Ziel für 2020 verfehlt werde, nennt sie die "schwache Stelle" Deutschlands. Deshalb setze man nun das Ziel für 2030 höher, nämlich auf eine Reduktion der Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990. Auch wegen des Wachstums seien zu viele Emissionszertifikate auf dem Markt. Dadurch seien die Preise zu stark gefallen. In den vergangenen drei Jahren sei die Bilanz wieder etwas besser, weil die Braunkohlekraftwerke weniger Kohle exportierten und dadurch die Emissionen relativ sänken. Deutschland gehöre jedenfalls in Europa zu den ambitioniertesten Ländern beim Klimaschutz.
Oliver Das Gupta
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Nun schneidet ein Journalist ein besonders heikles Thema an. Merkels Gesundheit. Nachdem die Kanzlerin bei mehreren Auftritten gezittert hatte, waren die Spekulationen ins Kraut geschossen, ob sie krank sei.
Nun, da sie darauf und auf das Ende ihrer Amtszeit angesprochen wird, wirkt sie ziemlich gelassen. „Ich verstehe die Fragen nach meiner Gesundheit“, sagt Merkel. Wichtig sei, dass sie als Regierungschefin handlungsfähig ist. „Ich kann diese Funktion ausüben,“ sagt Merkel und klingt für einen Augenblick so wie beim TV-Duell mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück anno 2013: „Sie kennen mich ja auch schon eine ganze Weile.“ Es klingt so, als ob sie sagt: Leute, wenn ich den Job körperlich nicht mehr packen könnte, würde ich schon aus Verantwortungsbewusstsein nicht an dem Sessel kleben.
Das sagt sie aber nicht, dafür andere Sätze, die zeigen, dass sie sich auf das Leben nach der Politik freut. „Als Mensch habe ich auch ein großes Interesse an meiner Gesundheit“, so Merkel. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt hoffe sie, „dass es noch ein weiteres Leben gibt.“ Ende 2021, nach der nächsten regulären Bundestagswahl, soll dieses neue Leben spätestens beginnen.
Als Mensch habe ich auch ein großes Interesse an meiner Gesundheit"
Nun schneidet ein Journalist ein besonders heikles Thema an. Merkels Gesundheit. Nachdem die Kanzlerin bei mehreren Auftritten gezittert hatte, waren die Spekulationen ins Kraut geschossen, ob sie krank sei.
Nun, da sie darauf und auf das Ende ihrer Amtszeit angesprochen wird, wirkt sie ziemlich gelassen. „Ich verstehe die Fragen nach meiner Gesundheit“, sagt Merkel. Wichtig sei, dass sie als Regierungschefin handlungsfähig ist. „Ich kann diese Funktion ausüben,“ sagt Merkel und klingt für einen Augenblick so wie beim TV-Duell mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück anno 2013: „Sie kennen mich ja auch schon eine ganze Weile.“ Es klingt so, als ob sie sagt: Leute, wenn ich den Job körperlich nicht mehr packen könnte, würde ich schon aus Verantwortungsbewusstsein nicht an dem Sessel kleben.
Das sagt sie aber nicht, dafür andere Sätze, die zeigen, dass sie sich auf das Leben nach der Politik freut. „Als Mensch habe ich auch ein großes Interesse an meiner Gesundheit“, so Merkel. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt hoffe sie, „dass es noch ein weiteres Leben gibt.“ Ende 2021, nach der nächsten regulären Bundestagswahl, soll dieses neue Leben spätestens beginnen.
Thomas Kirchner
Zurückhaltung in Sachen Maaßen
Eine Frage zu den Ereignissen in Chemnitz und zu den jüngsten Äußerungen des früheren Verfassungsschutzchefs Maaßen, der "Hassredner" auch in der politischen Mitte verortet. Auch hier hält sich Merkel sichtlich zurück. Für die Bewertung der Arbeit von Beamten gebe es Richtlinien. Maaßen habe sich jahrelang korrekt verhalten. Als es dann zu Konflikten gekommen sei, habe man reagiert. "Jetzt nehmen wir zur Kenntnis, wie er sich äußert." Was die AfD betreffe, gebe es inzwischen mehr Punkte, wo man "genauer hinschauen" müsse.