Angela Merkel:Gestatten, Frau Bundeskanzlerin Kohl

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Zum ersten Mal muss Angela Merkel wirklich um ihre Kanzlerschaft kämpfen - und wählt dafür eine geschickte Mischung aus Kohlismus und eigener Strategie.

Nico Fried

Wenn Angela Merkel ihren Vorgänger Helmut Kohl bemüht, dann steht was auf dem Spiel für sie. Merkel ist CDU-Chefin und letztlich Kanzlerin geworden, weil sie Kohl einst in einem entscheidenden Moment überwand und hinter sich ließ. Aber Merkel weiß, dass es ihr hilft, Kanzlerin und CDU-Chefin zu bleiben, wenn sie Kohl bisweilen wieder neben sich zulässt. Im letzten Bundestagswahlkampf hat sie deshalb auf seiner Terrasse in Oggersheim Kuchen gegessen und sich mit Kohl fotografieren lassen.

CDU-Parteitag 1991: die damalige Bundesfrauenministerin Angela Merkel im Gespräch mit Helmut Kohl. (Foto: dpa)

Jetzt steht für Merkel wieder was auf dem Spiel: Mitte November ihre Wiederwahl als Parteichefin, im März die Landtagswahl in Baden-Württemberg, von der auch die Zukunft ihrer Koalition abhängt. Es geht also nicht nur um viel, sondern um alles. Und nun zieht sie wieder mit Kohl durchs Land, genauer gesagt mit einer Rede durch die CDU, in der Kohl aus Anlass des 20. Jahrestages der Einheit nicht nur eine wichtige Rolle spielt, sondern Merkel auch ein spezielles Bild von ihm zeichnet und sich gleichzeitig an diesem Bild bedient.

Merkel sagt, sie habe von Kohl gelernt, dass Wahlkampf aus zweierlei bestehe: der Wahl und dem Kampf. So stellt sie sich gegen die Resignation, die sich allmählich in der CDU breitmacht. Mit ihrer Es-ist-noch-nichts-entschieden-Taktik antwortet Merkel auch auf die Spekulationen um ihre Nachfolge, auf die klammheimliche, aber spürbare Lust an der Niederlage, die befeuert wird von der Hoffnung, dann komme ein Erlöser namens Guttenberg.

Die eigentliche Botschaft aber steckt in jenen Passagen, in denen Merkel Kohl als Kanzler schildert, der seine Politik auf christdemokratischem Fundament auch gegen Widerstände durchsetzte. Da ist nicht die Rede von Reformstau oder Aussitzen. Man muss das so verstehen, dass Merkel endlich auch so wahrgenommen werden möchte. Ihr Rückgriff auf den Vorgänger soll es Zuhörern erleichtern, den Kohl in ihr zu entdecken. Aber: Das Vorbild Altvorderer zu bemühen, kann zur Bürde werden, wenn so eigene Mängel noch deutlicher hervortreten.

Guido Westerwelle merkt das an jedem Tag, an dem er wie Genscher sein will. Horst Seehofers Niedergang hat auch damit zu tun, dass er Strauß' Populismus nur schlecht imitiert. Seehofer haut auf den Putz und bleibt doch Ritter von der traurigen Gestalt. Sein Konservatismus ist veraltet, wie er bei der Wehrpflicht erleben musste. Und in Sachen Zuwanderung erscheinen mittlerweile nicht nur Seehofers Argumente aus der Zeit gefallen, sondern der ganze Mann.

Angela Merkel ist da geschickter. Sie verbindet ihren Kohlismus immerhin mit dem, was sie unter modern versteht: Von der Gesundheitsreform über die Energiepolitik bis hin zu Stuttgart 21 will sie das Land verändern, seit neuestem auch gegen Widerstände. Aber klar ist auch: Merkel hat den Kampf um ihre Kanzlerschaft nicht zum Spaß aufgenommen, sondern weil sie das erste Mal wirklich um ihre Kanzlerschaft kämpfen muss.

© SZ vom 18.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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