Corona-Pandemie:Merkels Versprechen zum Ende ihrer Kanzlerschaft

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Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Bedingungen dafür schaffen, dass jeder Bürger bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Auf die aufgeregte Debatte um die Impfstoffbeschaffung reagiert die Kanzlerin mit einem nüchternen Exkurs. Und sie stellt klar, bis wann genau jeder Bürger ein Impfangebot bekommen soll.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Ja, sie regiert schon 15 Jahre. Und noch immer ist es erstaunlich, wie nüchtern die Physikerin im Kanzleramt ihre politischen Entscheidungen im Stile von Experimentanordnungen auseinandernehmen kann. Wie an diesem Donnerstag, als sie der aufgeregten Debatte, wer wann geimpft werden kann und ob die Bundesregierung dabei versagt hat, ausreichend Impfstoff zu bestellen, mit einem zehn Minuten dauernden Grundkurs Impfstoffbeschaffung die Schärfe nimmt.

Merkel sitzt an diesem Donnerstag in der Bundespressekonferenz, aber genauso gut hätte sie in einem Hörsaal stehen können, vor einem Auditorium, in dem die Meinungen wild durcheinanderlaufen und die Zuhörer kaum ahnen, dass es gleich um Kochsalzlösung, Glasfläschchen und Lieferketten - und um ein Versprechen zum Ende von Merkels Kanzlerschaft - gehen wird.

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Die Bundeskanzlerin betont Erfolge im Kampf gegen das Virus, aber auch die Sorgen wegen dessen Mutation. Wenn wieder Lockerungen möglich wären, sollten Kitas und Schulen zuerst öffnen.

Merkel beginnt mit einigen Grundlagen. Erstens, die Annahme, dass mit Zulassung eines Impfstoffes ausreichend Dosen für alle da sein könnten, sei irrig. Im Gegenteil, es sei "ein Novum", dass man im Dezember am Tag der Zulassung eines Impfstoffes schon produzierte Impfdosen zur Verfügung gehabt habe - wie geschehen kurz vor Weihnachten in der Europäischen Union mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer. Die Regierungen seien dafür in Haftung gegangen, dass die Unternehmen, die produzierten, nicht auf den Dosen sitzen bleiben würden, hätte die Zulassungsstelle anders entschieden.

Zweitens, die Frage, wie viel Impfstoff habt ihr denn bestellt, sei ja gar nicht interessant. Ein Nebenschauplatz, der keine Minute ihrer kostbaren Zeit verdiene. Wichtig sei dagegen die Frage: Wie viel bekommt ihr? Und da habe die Europäische Kommission angesetzt, aber auch die Bundesregierung.

"Biontech ist ein Start-up, keine Produktionsfirma"

Merkel nimmt sich Zeit zu erläutern, wie man schnellstmöglich zu viel Impfstoff kommt. Eigentlich ist es trivial: Man muss dafür sorgen, dass schnell neue Produktionskapazitäten geschaffen werden. Wie jetzt das Werk in Marburg, das den Biontech/Pfizer-Impfstoff produzieren soll.

Die Kanzlerin räumt hernach die Idee ab, dass das deutsche Unternehmen Biontech den Impfstoff entwickelt habe und er daher nun in Deutschland für alle da sein müsste, praktisch automatisch. "Biontech ist ein Start-up, keine Produktionsfirma." Sie lobt, wie klug es von den Chefs dieses Start-ups gewesen sei, sofort mit einem großen internationalen Produzenten zu kooperieren, nämlich Pfizer. Es sei ja für ein Start-up "überhaupt nicht möglich, 40 000 Probanden in der ganzen Welt zu finden, wo Infektionen auftreten".

Es werde bisher also überwiegend in Pfizer-Anlagen produziert. Pfizer baue nun seine Kapazitäten aus, um die Produktion hochzufahren. Trotzdem sollen die versprochenen und vertraglich gesicherten Impfstoffe geliefert werden. Ob sie als Kanzlerin das garantieren könne? Nein, sie betreibe ja im Kanzleramt keine Impfstoffproduktion. Die Bundesregierung könne nur unterstützen, dass es klappt mit den "uns versprochenen 8,8 Millionen Dosen für das erste Quartal", damit rechne die Bundesregierung, "und ich habe nichts gehört, dass das nicht stattfinden kann".

Merkel wäre nicht Merkel, würde sie nun nicht die Zeit nutzen, um zu erklären, wie so eine Lieferkette aussieht, die man braucht, um eine Impfdose zu produzieren. "Wir haben uns neulich, auch innerhalb der Bundesregierung mit dem Vizekanzler und Peter Altmaier und Jens Spahn mal angeschaut, was für eine Lieferkette an der Erstellung eines solchen Impfstoffes dranhängt." Man werde alles tun, um diese Lieferkette zu sichern, "da brauchen Sie Kochsalzlösung, das hört sich trivial an, aber wenn die plötzlich nicht da ist oder irgendwelche Glasfläschchen nicht da sind oder irgendwas anderes nicht da ist, dann haben wir ein Problem".

"Das Ende des Sommers ist rein kalendarisch der 21. September"

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Es sei alles sehr klar geregelt, alle arbeiteten mit Hochdruck daran. "Wir können garantieren, dass die Unternehmen die Unterstützung bekommen. Die Produktion selbst kann ich nicht garantieren", sagt Merkel. Und auch nicht, "wie viele Menschen sich impfen lassen", das liege in der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger.

Es sei das Ziel, sagt sie, jedem Bürger bis Ende des Sommers ein Impfangebot zu machen. Und wenn die Zulassungen so einträten, könne man das schaffen. "Das Ende des Sommers ist rein kalendarisch der 21. September, damit wir uns da nicht weiter streiten."

Das wäre also ein Impfangebot für jeden Interessierten in Merkels Amtszeit. Von diesem Datum sind es noch fünf Tage bis zur geplanten Bundestagswahl am 26. September 2021, bei der die Kanzlerin nicht mehr antritt. Nach allem, was man bisher weiß, könnte sie danach tatsächlich in den einen oder anderen Hörsaal kommen.

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