Süddeutsche Zeitung

CDU-Vorsitz:Männer gegen Merkel

  • Kanzlerin Merkel hat verkündet, bis zum planmäßigen Ende der Wahlperiode 2021 weiter als Bundeskanzlerin arbeiten zu wollen.
  • Den CDU-Vorsitz möchte Merkel jedoch abgeben. Die Frage ist, wer ihr folgt.
  • Wählt der CDU-Parteitag Annegret Kramp-Karrenbauer zur Vorsitzenden, könnte die Doppelspitze gut funktionieren.
  • Tritt dagegen ein Mann die Nachfolge Merkels an, sieht das anders aus. Mit Jens Spahn würde es schwierig, mit Friedrich Merz noch schwieriger.

Von Nico Fried

Am 18. September 2017 war Angela Merkel Gast bei der offiziellen Feier zu Wolfgang Schäubles 75. Geburtstag im badischen Offenburg. Sie schüttelte hier eine Hand, zeigte da ein freundliches Lächeln und stand schließlich vor einem großen, schlaksigen Mann und alten Bekannten, der einen Platz in der ersten Reihe zugewiesen bekommen hatte. "Ach", sagte Merkel (1,68 m) hinauf zu Friedrich Merz (1,98 m), der sich während des folgenden kurzen Händedrucks zur Begrüßung höflich verbeugte. Ist Merkel an diesem Ehrentag ihres Vorgängers im CDU-Vorsitz auch ihrem Nachfolger begegnet?

Am Dienstag hat Merz angekündigt, auf dem CDU-Parteitag in Hamburg zu kandidieren. Merz, der am 11. November 63 Jahre alt wird, hat durchaus Chancen auf den CDU-Vorsitz, seine größten Konkurrenten bislang sind Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Weitere prominente Bewerbungen sind nicht ausgeschlossen, Rückzüge auch nicht. Bei jedem möglichen Nachfolger aber stellt sich die Frage: Was würde das für die Restlaufzeit von Merkels Kanzlerschaft bedeuten?

Merkel wirft ihr Prinzip über Bord

Sie sei "bereit", so Merkel am Montag, bis zum planmäßigen Ende der Wahlperiode 2021 weiter als Bundeskanzlerin zu arbeiten. Das musste sie allein schon deshalb sagen, weil sie bei den Wählern im Wort steht: Immer wieder hatte Merkel nach der Ankündigung ihrer vierten Kanzlerkandidatur im Herbst 2016 erklärt, sie trete 2017 für die volle Amtszeit an. Nachdem sie mit dem Abschied von der CDU-Spitze schon ihre Überzeugung drangegeben hat, Kanzleramt und Parteivorsitz gehörten in eine Hand, konnte sie am Montag nicht das zweite Prinzip gleich hinterherwerfen. Wegen der Begrenzung auf höchstens drei Jahre könne man "die Konzentration auf die Regierungsarbeit mit einem neu gewählten Parteivorsitzenden und dem Fraktionsvorsitzenden hinbekommen", so Merkel.

Leicht wird's aber nicht, auch wenn Merkel sich entspannt zeigte: "Ich werde jede Art der demokratischen Entscheidung meiner Partei natürlich respektieren", sagte sie auf die Frage nach möglichen Nachfolgern. "Ich bin ein Mensch, der mit ziemlich vielen Menschen sehr, sehr gut zusammenarbeiten kann." Dafür sei sie auch bekannt. "Sonst könnte man auch keine Koalitionsregierung führen."

Tatsächlich wäre Merz auch nicht der erste Unions-Politiker, der nach einer Niederlage gegen Merkel zurückkehrte und sich mit der Kanzlerin zusammengerauft hätte: Auch Horst Seehofer hatte wegen eines Streits in der Gesundheitspolitik 2004 den stellvertretenden Fraktionsvorsitz hingeworfen. 2005 wurde er Minister unter Merkel, 2008 CSU-Chef. Merz' Niederlage gegen Merkel im Ringen um den Fraktionsvorsitz ist inzwischen allerdings schon 16 Jahre her.

Vereinfacht gesagt, gilt beim derzeitigen Bewerberstand: Wählt der CDU-Parteitag wieder eine Frau, also Kramp-Karrenbauer, zur Vorsitzenden, könnte es klappen mit der Doppelspitze. Tritt dagegen ein Mann die Nachfolge an, sieht das anders aus. Mit Spahn würde es schwierig, mit Merz noch schwieriger. Ginge es nach letzterem, dürfte das Bundeskabinett in der jetzigen Form gar nicht existieren. Nachdem Merkel in den Koalitionsverhandlungen nur fünf Ministerien für die CDU geholt und Außen, Finanzen sowie Soziales an die SPD gegeben hatte, maulte Merz in der Bild-Zeitung: "Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben."

Dass Merkel von sich aus ginge, ist denkbar, aber nicht gewiss

Ansonsten hat Merz sich in den vergangenen Jahren nicht häufig zu Merkel geäußert. Eher positiv bewertete er zunächst ihr Verhalten gegenüber den USA und Präsident Donald Trump. Die Flüchtlingspolitik sah er skeptisch, vor allem hielt er Merkel vor, die Entwicklung der AfD fast widerstandslos hingenommen und die Integration einer nationalkonservativen CDU-Wählerschaft vernachlässigt zu haben.

Doch wer immer Merkel vorzeitig im Kanzleramt beerben will, hat rein formal schlechte Karten. Man müsste sie stürzen, nur wie? Sie ist vom Bundestag gewählt und könnte, solange sie keine Vertrauensfrage stellt, nur durch eine Mehrheit für einen Gegenkandidaten in einem konstruktiven Misstrauensvotum ersetzt werden. Das aber würde bedeuten, dass die Union quasi gegen sich selbst anträte und dafür auch noch Koalitionspartner in anderen Fraktionen zu finden hätte. Schwer vorstellbar.

Dass Merkel von sich aus ginge, ist denkbar, aber nicht gewiss. Entscheidend für sie wäre nicht die Ambition eines Vorsitzenden, sondern das Votum ihrer Partei. Der ist Merkel mit ihrem Verzicht auf den Vorsitz nun entgegengekommen und wurde dafür viel gelobt. Wer sie vorzeitig aus dem Kanzleramt vertreiben wollte, müsste gegen diese Stimmung eine Mehrheit organisieren und neuen Ärger in die CDU tragen. Kanzler aber wäre er damit noch lange nicht.

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SZ vom 31.10.2018/fie
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