Gipfel in Scharm el Scheich:Wo Merkel auch mit Potentaten sprechen muss

Gipfeltreffen der EU und der Arabischen Liga

Kanzlerin Angela Merkel beim ersten Gipfeltreffen der EU mit der Arabischen Liga im ägyptischen Scharm el-Scheich.

(Foto: Getty Images)

Die Kanzlerin bekommt derzeit viel Lob für ihre außenpolitischen Auftritte, zuletzt in München. Das war die Kür. Beim Treffen der EU mit der Arabischen Liga wartet die Pflicht - und die ist weniger charmant.

Kommentar von Nico Fried

An diesem Montag nimmt Angela Merkel nicht an der Sitzung des CDU-Vorstands teil. Sie hat sich wegen des Gipfels der Europäischen Union und der Arabischen Liga in Scharm el-Scheich entschuldigt. Das hat es in den rund 20 Jahren, seitdem sie zur Generalsekretärin, später zur Vorsitzenden und schließlich zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, nicht gegeben. Selbst von China aus ließ sie sich 2016 nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern telefonisch dazuschalten.

Merkels Abwesenheit dokumentiert nicht nur ihre allmähliche Entfernung von der CDU. Sie unterstreicht damit, welche Priorität Merkel für den Rest ihrer Amtszeit setzt: Die Kanzlerin konzentriert sich aufs Außenpolitische, das Management der Koalition überlässt sie den Vorsitzenden der drei beteiligten Parteien. In deren Händen liegt damit Merkels politisches Schicksal respektive ihre Verweildauer im Kanzleramt. Wann immer die Koalition, egal aus welchem Anlass, den Geist aufgibt, ist Merkels politische Laufbahn zu Ende. Das kann schnell gehen.

So ist sie in ihrem Amt zwar abhängig von anderen und zugleich in ihrer Außenpolitik doch freier denn je. Das mag einer der Gründe gewesen sein, warum Merkel auf der Sicherheitskonferenz in München über die internationale Politik sprechen konnte, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.

Und das unterscheidet sie ganz gewiss von vielen ihrer europäischen Kolleginnen und Kollegen, die nicht die nächste (Wieder-)Wahl aus dem Auge verlieren dürfen, an vorderster Stelle Emmanuel Macron, der wegen seiner innenpolitischen Nöte schon nicht nach München kam und auch in Ägypten fehlen wird.

München war die Kür, ein Auftritt Merkels, um anderen Klarheit über die eigenen Positionen zu verschaffen - und auch sich selbst über die eigene verbleibende Bedeutung. Scharm el-Scheich, das erste Gipfeltreffen der EU und der Arabischen Liga, ist die Pflicht, der mühselige Teil der Außenpolitik. München war die Theorie: Es ist wichtig, miteinander zu reden, lautete Merkels Kernaussage, für die sie viel Applaus bekam. Scharm el Scheich ist die Praxis, dort redet sie auch mit dem autoritären ägyptischen Präsidenten, mit den mutmaßlich mörderischen Saudis und noch mit anderen Potentaten.

Begegnungen, für die man selten Beifall erhält

Merkels Außenpolitik ist wahrlich kein Ritt von Triumph zu Triumph. Als Erfolg musste gerade in den vergangenen Jahren schon gelten, wenn es gelang, Schlimmeres zu verhindern. Das Minsker Abkommen zum Ukraine-Konflikt ist dafür ein Beispiel, wie auch Merkels gesamte Migrationspolitik: Die Zuwanderung ist reduziert worden, aber der Druck nicht beseitigt; in Europa erzielt die Kanzlerin kaum Fortschritte, dafür muss sie im Süden auf Helfer setzen, von denen man ungern abhängig ist. Merkels neue Bewegungsfreiheit kommt ihrem staubtrockenen Realismus, wonach man sich seine Partner nicht aussuchen kann, durchaus entgegen.

Der Applaus von München galt Merkels Plädoyer für den Multilateralismus, weil viele das als Gegensatz zum Egoismus von Nationalisten wie Donald Trump oder Wladimir Putin verstanden. Das hatte etwas Aufmüpfiges im Habitus und zugleich etwas Vertrautes im Denken. Ein Gipfel wie Scharm el Scheich aber ist auch Multilateralismus. Hier erlebt eine Kanzlerin Begegnungen, für die man selten Beifall erhält. Und bei den Vereinbarungen wäscht manchmal eine Hand die andere, ohne dass beide dabei sauber werden.

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