Angela Merkel am Hindukusch:Die Kanzlerin und der Krieg

Der Tod eines Soldaten überschattet Merkels vorweihnachtlichen Besuch bei den deutschen Truppen. Am Ende ist nicht klar, ob sich die Kanzlerin ihre Worte für den Afghanistan-Einsatz bereits vor dem Flug überlegt hat.

Daniel Brössler, Kundus und Masar-i-Scharif

Die Kanzlerin steht in der Lagerkantine von Kundus vor einem Weihnachtsbaum und hat gesagt, was gesagt werden musste. Sie hat des 21-jährigen Soldaten gedacht, der am Vorabend unter "tragischen Umständen" ums Leben gekommen ist. Sie hat gesagt, dass sie als Bundeskanzlerin doch "ein wenig Bescheid" wissen müsse, was vor Ort vor sich gehe und dass die Bevölkerung zu Hause vom Einsatz in Afghanistan nicht überzeugt, aber auf die Soldaten doch stolz sei. Und sie hat "Dankeschön" gesagt. "Dankeschön für einen Einsatz, der zum Schwersten gehört, was wir haben."

German Chancellor Angela Merkel, Defence Minister Karl-Theodor zu Guttenberg and German Bundeswehr armed forces soldiers observe a moment of silence for fallen comrades during Merkel's visit in Kunduz

Die Bundeskanzlerin zu Besuch im Feldlager Kundus: An der Seite von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg findet Angela Merkel selten deutliche Worte für den Truppeneinsatz in Afghanistan.

(Foto: REUTERS)

Doch Angela Merkel lässt es dabei nicht bewenden, diesmal nicht. "Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat", sagt die Kanzlerin. Den Weg der deutschen Politik in die afghanische Realität war lang. Nun, während Merkels vorweihnachtlichem Überraschungsbesuch, kommt das Ziel nach neun Jahren in Sicht. Zu Hause könne das, was die Soldaten erlebten, kaum jemand nachvollziehen, sagt Merkel, am ehesten noch die Großeltern.

Es ist nicht ganz klar, ob die Kanzlerin sich diese Botschaft für ihren Überraschungsbesuch bei der Bundeswehr in Afghanistan vorher genau überlegt hat. Der Entschluss, so deutlich zu werden, könnte auch gereift sein beim Gespräch mit dem Stabsgefreiten Stefan B. aus Bayern, der ihr vor einem gepanzerten Fahrzeug von viertägigen Gefechten in Dschardara berichtet. Vier Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Gefecht. Das sei etwas, entgegnet Merkel, das man ja nur aus Kriegsfilmen kenne. Es sei sehr schwer, stelle sie sich vor. "Man lebt da rein", sagt der Stabsgefreite.

Angela Merkel war zuletzt im April 2009 bei der Bundeswehr in Afghanistan. Sie fand, dass es nun wieder höchste Zeit sei und wollte die aus Sicherheitsgründen bis zuletzt geheim gehaltene Reise unbedingt noch vor Weihnachten antreten. Vom usbekischen Termes aus muss sie im Helikopter weiterfliegen. Die Ladeluke bleibt offen, die Soldaten sind mit ihren Maschinengewehren in ständiger Alarmbereitschaft. Auf der Reise wird die Kanzlerin auch von Karl-Theodor zu Guttenberg begleitet, was die Woche für den Verteidigungsminister abrundet. "Für mich ist es eine Freude, hier eine wunderbare Dame begleiten zu dürfen. Sie werden mich ja hier nicht los", ruft Guttenberg in Kundus den versammelten Soldatinnen und Soldaten zu. Ein Lacher. Zu Wochenbeginn war Guttenberg ja in Begleitung seiner Gattin zur Truppe an den Hindukusch gereist. "Dass er in einer Woche zwei Mal mit einer Frau nach Afghanistan kommt, dass geschieht nicht oft." Lacher. "Es geschieht wieder", verspricht Guttenberg.

Man darf das so verstehen, dass der Minister zufrieden ist mit seiner afghanischen Woche. Einer Woche, in der ihm viel Kritik entgegengeschlagen ist wegen der Anreise mit Frau und des - gemessen an der Zuschauerzahl gefloppten Auftritts mit Talkmaster Kerner. Die Kanzlerin hält das alles trotzdem für gut, jedenfalls vermeidet sie jeden anderen Eindruck. "Toll" finde sie es, dass Guttenberg mit seiner Gattin zu den Soldaten gereist sei, versichert sie. Den Minister lobt sie auch, weil er so oft die Truppe besucht und die kriegerischen Zustände früh beim Namen genannt hat.

Auch im ziemlich offensichtlichen Konflikt zwischen Guttenberg und Außenminister Guido Westerwelle ist zumindest zu spüren, dass sie eher zum CSU-Mann als zum FDP-Chef hält. Der hatte sich in einer Regierungserklärung im Bundestag auf den Beginn des Abzugs der Bundeswehr Ende 2011 festgelegt - eine Festlegung von der Guttenberg nichts hält. "Wir haben keinen genauen Termin", sagt Merkel in Masar-i-Scharif, ihrer zweiten Station. Es gebe aber den Wunsch Ende 2011 oder 2012 mit dem Abzug zu beginnen. Wer sich keine ehrgeizigen Ziele setze, werde auch nichts erreichen. Das sei "eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung".

Von Abzugsterminen ist wenig später im Protokollzelt des Kommandeurs, nach Landessitte verziert, nicht die Rede. Der afghanische Präsident Hamid Karsai und General David Petraeus, der Oberbefehlshaber der internationalen Truppen, sind zufällig in der Gegend und nutzen die Gelegenheit für ein Treffen. Der Tagungsraum, sagt Karsai im Anschluss, habe ihm gefallen - "ein deutsches Zelt mit afghanischer Dekoration." Ohnehin sei die Kanzlerin "als Freundin" stets willkommen. Ausklingen sollte Merkels Tag eigentlich heiter mit dem Besuch eines "Weihnachtsmarktes" im Lager. Daraus kann wegen des Todes eines Soldaten am Vorabend - der vermutlich durch einen Unfall beim Reinigen der Waffe geschah - nichts werden. Anberaumt werden muss stattdessen - wie bei so vielen Politikerbesuchen zuvor - die Gedenkfeier für einen Toten.

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