Angeklagter im Sauerland-Prozess:"Man hat mich keiner Gehirnwäsche unterzogen"

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Die Angeklagten packen aus: Im Sauerland-Prozess beschreibt der mutmaßliche Rädelsführer Fritz Gelowicz, wie er von Dschihadisten in einem pakistanischen Terror-Camp für Anschläge in Europa trainiert wurde. Er gibt offen zu: "Sie mussten mich nicht sehr überzeugen."

Die mutmaßlichen Sauerland-Terroristen Fritz Gelowicz und Adem Yilmaz haben sich während ihrer Ausbildung in einem Terror-Camp in Pakistan zu Anschlägen in Deutschland entschlossen. "Ich war ziemlich schnell von der Idee überzeugt", sagte der mutmaßliche Rädelsführer Gelowicz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. "Wir waren uns einig, dass es unsere Pflicht sei, diese Möglichkeit zu nutzen."

Fritz Gelowicz mit seinem Verteidiger vor Gericht. (Foto: Foto: Getty)

Der 29-jährige zum Islam konvertierte Deutsche sagte am Monatg als erster Angeklagter umfassend aus. Ursprünglich seien sie in das Lager im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gefahren, um sich in der Region am Dschihad zu beteiligen, sagte Gelowicz: "Es war unsere Absicht, dort zu kämpfen." Doch sei es dort weit schwieriger, einen Anschlag zu begehen, bei dem Amerikaner zu Schaden kämen.

Daher sei ihnen von einem der Anführer die Rückkehr nach Europa nahegelegt worden: "Mit weniger Aufwand könnten wir einen viel größeren Schaden erreichen." Man habe ihn aber nicht überreden müssen, erklärte Gelowicz: "Er hat mich keiner Gehirnwäsche unterzogen."

Schießübungen in Pakistan

Die vier Angeklagten sollen eine deutsche Zelle der Islamischen Dschihad-Union (IJU) gegründet und Anschläge mit Autobomben in Deutschland geplant haben. Die Anklage lautet unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags.

Gelowicz sagte, Yilmaz und er seien zunächst nicht sicher gewesen, ob sie zu den Anschlägen in der Lage seien: "Wir haben uns aufgrund unserer Fähigkeiten eigentlich nicht als geeignet gesehen." In dem Lager sei ihnen jedoch Unterstützung versprochen worden - die Dschihadisten hätten ihnen gesagt: "Wir können euch alles beibringen, was nötig ist."

Gelowicz saß bei seiner Aussage anders als sonst nicht hinter einer Glasscheibe, sondern am Zeugentisch mitten im Saal. Er schilderte auch seine erste Begegnung mit Yilmaz, den er zusammen mit dem Mitangeklagten Atilla Selek 2005 in Mekka traf.

Er beschrieb danach ohne jedes Zögern oder Stocken die komplizierte Anreise zu dem Lager im Jahr 2006 - demnach flogen er und Yilmaz mit einem Weggefährten über die Türkei in den Iran, ließen sich nach Pakistan einschleusen und kamen nach einer mehrtägigen Reise mit Bussen und Autos schließlich in dem Lager an. Dort lernten sie alles Nötige für den bewaffneten Kampf: "Alles in allem dauerte die Ausbildung drei Monate."

Begonnen habe man mit Waffenunterricht, sagte Gelowicz. Danach erhielten die Männer Sicherheitsunterricht, bei dem es unter anderem um sichere Kommunikation und die Tarnung ging. Schon dabei habe er den Eindruck gehabt, dass einige Inhalte sich speziell für Terror-Anschläge eigneten, sagte Gelowicz. Auch Sprengstoffunterricht und Elektronikunterricht hätten er und Yilmaz erhalten.

Umfassende Geständnisse

Das Geständnis von Gelowicz soll nach Aussagen seines Verteidigers Dirk Uden den Zeitraum von 2004 bis zu seiner Verhaftung im September 2007 umfassen. Gelowicz könnte einem Spiegel-Bericht zufolge die Rädelsführerschaft bei den Planungen einräumen. Sein Verteidiger Dirk Uden hatte angekündigt, Gelowicz werde "einen Gesamtüberblick" geben.

In den vergangenen Wochen hatten Gelowicz und seine drei Mitangeklagten bereits gegenüber den Vernehmungsbeamten des Bundeskriminalamts gestanden. Diese auf rund 1000 Seiten festgehaltenen Aussagen müssen nun in das Verfahren vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht eingebracht werden.

Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling zeigte sich beeindruckt vom Umfang und von der Offenheit der Aussagen. "Wir werden das Verfahren schneller abschließen können", kündigte er an. "Wir haben den Eindruck, die Karten wurden ungezinkt auf den Tisch gelegt."

Die Angeklagten waren nach der Ankündigung ihrer Geständnisse wochenlang von Beamten des Bundeskriminalamts vernommen worden. Die Fortsetzung des im April begonnenen Prozesses wurde deshalb mehrfach verschoben, um ihnen Raum für umfassende Aussagen zu geben. Die Männer waren nach monatelanger Überwachung im Herbst 2007 in einem Ferienhaus im Sauerland festgenommen worden.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AP/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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