Süddeutsche Zeitung

Angebliche Falschaussage zu Stasi-Kontakten:Koalitionspolitiker erhöhen Druck auf Gysi

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"Stimmen die Vorwürfe, ist Gysis Rücktritt unausweichlich": FDP-Politiker Patrick Kurth fordert den Linksfraktionschef zur Amtsniederlegung auf - wenigstens, solange das Verfahren um angebliche Stasi-Kontakte läuft. CDU-Generalsekretär Gröhe spricht von einem bedenklichen Verhalten Gysis. Der weist die Vorwürfe zurück - und verzichtet auf seine Teilnahme am politischen Aschermittwoch.

Linksfraktionschef Gregor Gysi steht nach neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit angeblichen Stasi-Kontakten weiter in der Kritik. Der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für den Aufbau Ost, Patrick Kurth, legte ihm nahe, "bis zur Klärung der Vorwürfe seine Ämter ruhen zu lassen".

Kurth sagte der Mitteldeutschen Zeitung weiter: "Stimmen die Vorwürfe, ist Gysis Rücktritt unausweichlich." Gysi müsse entscheiden, "ob die hohen moralischen Maßstäbe, die er an andere anlegt, auch für ihn selbst gelten". Der SED-Opferverband "Bund der stalinistisch Verfolgten" hatte sich zuvor ähnlich geäußert und Gysi aufgefordert, bis zur Klärung der Vorwürfe sein Amt als Fraktionsvorsitzender ruhen zu lassen.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Gysi ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Dabei geht es um die Frage, ob der Linken-Politiker im Zusammenhang mit einer NDR-Dokumentation zu seiner Vergangenheit eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

Gysi habe darin versichert, "zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet" zu haben, berichtete die Welt am Sonntag und schrieb, diese Aussage könne falsch gewesen sein. Diese Vorwürfe wies Gysi zurück. Er habe "niemals eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben", schrieb er auf Facebook.

Gysi sagt Termine ab

Seine Teilnahme am politischen Aschermittwoch hat Gysi abgesagt. Er müsse am Montag wegen eines Skiunfalls operiert werden, teilte die bayerische Linkspartei mit. Gysi könne "deshalb in der nächsten Woche keine Termine wahrnehmen". Alle größeren deutschen Parteien kommen am Aschermittwoch traditionell in Bayern zu Treffen zusammen, die Linke versammelt sich in Jacking bei Passau.

Die Linke wies die Vorwürfe gegen Gysi als "schmutzigen Wahlkampf" zurück. "Gysi ist unser bester Mann", die Partei stehe geschlossen hinter ihm, sagte der Vorsitzende Bernd Riexinger der Berliner Zeitung. Ein Sprecher der Linksfraktion bestätigte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die Aufhebung von Gysis Immunität.

Linkspartei-Fraktionsvize Ulrich Maurer spricht von einer "Hexenjagd" gegen den Fraktionschef. "Der schmutzige Teil des Wahlkampfs hat begonnen. Herr Gysi wird seit 20 Jahren gejagt", sagte Maurer am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Verfahren gegen Gysi eingestellt werde. Die westdeutschen Landesverbände der Linkspartei stünden hinter Gysi.

"Unklares Verhältnis zum Unrechtscharakter der DDR"

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichnete am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" Gysis Verhalten als höchst bedenklich. Er führte an, schon 1998 habe der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages mit einer Zweidrittelmehrheit eine Stasi-Mitarbeit von Gysi für erwiesen erachtet. Seine Erwartungen hinsichtlich der Ermittlungen seien hoch, sagte Gröhe.

Gysis Partei, der Linken, warf der CDU-Politiker zudem ein nach wie vor unklares Verhältnis zum Unrechtscharakter der DDR vor. "In diesen Zusammenhang passt sich das Verhalten von Gregor Gysi ein", sagte Gröhe.

Rückendeckung erhielt Gysi auch vom Vorsitzenden des Beirats der Stasi-Unterlagen-Behörde, Richard Schröder. Aus dessen Sicht habe Gysi "nicht gegen seine eidesstattliche Versicherung verstoßen", sagte Schröder der Berliner Zeitung. "Nicht jeder Verdacht, der heute geäußert wird, hat Substanz", fügte er hinzu.

Der Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, begrüßte aber die von der Staatsanwaltschaft Hamburg eingeleiteten Ermittlungen. "Es ist immer gut, Klarheit in strittigen Fragen zu bekommen", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. Die Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft könnten helfen, "die unterschiedlichen Darstellungen über mögliche Kontakte von Gregor Gysi mit dem Ministerium für Staatssicherheit aufzuklären". Seine Behörde werde bei Bedarf und auf gesetzlicher Grundlage Akten bereitstellen, kündigte Jahn an.

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