Süddeutsche Zeitung

Anfragen staatlicher Stellen:Behörden interessieren sich immer öfter für Konten

Gerichtsvollzieher und Finanzämter fordern immer öfter Auskunft über Konten - 2013 sogar doppelt so oft wie im Vorjahr. Viel zu viel, sagen Datenschützer: Sie wollen die Abfragen auf ein "erforderliches Maß" beschränken.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Staatliche Behörden haben in den vergangenen 15 Monaten private Konten so oft durchleuchtet wie noch nie. Dies geht aus Zahlen des Bundesfinanzministeriums hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Besonders häufig ließen neben den Finanzämtern Gerichtsvollzieher prüfen, wer über welche Konten oder Wertpapierdepots verfügt.

2013 verzeichnete das zuständige Bundeszentralamt für Steuern knapp 142 000 dieser Kontenabfragen. Sie haben sich damit im Vergleich zu 2012 verdoppelt. Im ersten Quartal des neuen Jahres wuchs ihre Zahl ähnlich stark - von gut 24 000 auf mehr als 48 000.

Seit 2005 haben Behörden die Möglichkeit, Kontodaten abzufragen, um zum Beispiel Sozialbetrüger oder Bürger, die Steuern hinterziehen, zu ertappen. Die Anfragen können Steuerbehörden genauso stellen wie die für die Hartz-IV-Empfänger verantwortlichen Jobcenter oder Ämter, die für die Genehmigung von Bafög, Sozialhilfe und Wohngeld zuständig sind. Sie können Name, Geburtsdatum, Adresse und Kontonummer des Bankkunden, nicht aber den Kontostand in Erfahrung bringen. "Kontobewegungen werden nicht abgefragt", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums.

Anstieg geht auf Gerichtsvollzieher zurück

Die Zahl dieser Anfragen hat seither kontinuierlich zugenommen. 2013 wuchs das Interesse der Steuerbehörden an den Daten. Sie fragten in fast 69 000 Fällen Kontodaten ab, das sind 7000 mehr als 2012. Im neuen Jahr ist die Zahl ihrer Anfragen leicht rückläufig. Bei den Kontoabrufen der anderen Behörden ist der Anstieg in den vergangenen 15 Monaten nach Angaben des Finanzministeriums "nahezu vollständig" auf die Gerichtsvollzieher zurückzuführen. Sie können seit Anfang 2013 Auskünfte bei der Rentenversicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern und beim Kraftfahrt-Bundesamt über Arbeitsverhältnisse, Konten und Fahrzeuge einholen, wenn sich die Ansprüche des Gläubigers auf mehr als 500 Euro belaufen. Dieses Instrument werde vor allem bei unkooperativen Schuldnern genutzt, die keine Vermögensauskunft vorgelegt haben, sagte Detlef Hüermann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Gerichtsvollzieherbunds.

Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sieht die amtliche Neugierde kritisch. Prüfungen der Aufsichtsbehörden hätten ergeben, dass oft sogar die Begründungen für den konkreten Abruf fehlten und die Betroffenen nicht benachrichtigt werden. Sie sieht den Gesetzgeber deshalb "in der Pflicht, die Befugnis zum Kontenabruf zu überprüfen und auf das unbedingt erforderliche Maß zurückführen". Dies gelte für die "Anzahl der Abfragen und auch den Umfang der abgefragten Datenmenge", sagte sie.

Bei der Finanzaufsicht Bafin hatten sich die Kontenabfragen zuletzt auch erhöht. Sie kletterten 2013 um sieben Prozent auf 122 664. Bislang gab es 2014 ebenfalls einen leichten Anstieg. Die meisten Anfragen, die bei der Bafin nur aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen möglich sind, stammten von Polizei und Staatsanwaltschaften.

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SZ vom 25.04.2014/odg
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