Süddeutsche Zeitung

Status als Körperschaft:Hessen stellt Moscheeverband auf eine Stufe mit Kirchen

Es ist ein Stück Religionsgeschichte: Hessen erkennt zum ersten Mal in Deutschland eine muslimische Vereinigung als Körperschaft öffentlichen Rechts an. "Ahmadiyya Muslim Jamaat" steht damit auf einer Ebene mit den großen Kirchen. Steuern will die Gruppe aber vorerst nicht erheben.

Von Roland Preuß

Abdullah Uwe Wagishauser hat schon ein paar Ideen, was er nun machen will. Nach diesem Ritterschlag der Bürokratie. "Ein eigener Friedhof, in Frankfurt oder Hamburg, das brennt vielen Mitgliedern unter den Nägeln", sagt der Bundesvorsitzende der "Ahmadiyya Muslim Jamaat" (AMJ).

Und auch neue Moscheen könne man nun einfacher bauen. Eine Entscheidung der hessischen Landesregierung beflügelt die Phantasie des 63-jährigen Herren mit Baskenmütze und gepflegtem Bart: das Kultusministerium hat vor Kurzem die AMJ als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, als erste muslimische Gemeinschaft in Deutschland. An diesem Donnerstag will Ahmadiyya seine Pläne offiziell in Frankfurt vorstellen.

Hessen schreibt damit ein Stück Religionsgeschichte. Seit langem versuchen die großen muslimischen Religionsverbände, wie etwa der Zentralrat der Muslime oder der Islamrat, als Körperschaft anerkannt zu werden. Der Status bringt Vergünstigungen und Privilegien mit sich, zum Beispiel müssen Körperschaften weniger Steuern zahlen und dürfen sogar selbst Steuern erheben wie die großen Kirchen.

Muslim-Vertreter beklagen sich seit langem, dass zwar die Russisch-Orthodoxe Kirche, die Heilsarmee und die Zeugen Jehovas zur Körperschaft geadelt wurden, nicht aber viel größere Moscheeverbände. Ihnen fehlen nach Einschätzung der Behörden die nötigen Voraussetzungen wie registrierte Mitglieder und eine Hierarchie. Auch Rechtstreue ist nötig, womit extremismusverdächtige Verbände herausfallen.

Nun steigt überraschend die wenig bekannte Ahmadiyya-Gemeinschaft auf Augenhöhe mit den Kirchen auf, eine nur mittelgroße Gruppe: nach eigenen Angaben hat sie bundesweit 35.000 Mitglieder in 240 Gemeinden. Auch in anderen Bundesländern hat AMJ damit gute Chancen, Körperschaft zu werden.

Dafür können die Ahmadiyya-Gemeinden eine Organisation vorweisen, die den großen Kirchen ähnelt: Es gebe eine formale Mitgliedschaft, aus der man ein- und austreten könne, eine klare religiöse Lehre und eine Hierarchie, sagt Wagishauser. "Wir haben keinen politischen oder radikalen Flügel. Wir verstehen uns als rein religiöse Gemeinschaft", sagt der Vorsitzende.

Das Selbstverständnis der Gemeinschaft hebt sich denn auch wohltuend von der finsteren Ideologie von Salafisten und anderen ab, die den Koran wörtlich und politisch nehmen. Die AMJ versteht sich als islamische Reformbewegung, jede Zeit bringe ihre Herausforderungen mit sich, deshalb müsse die Religion von Zeit zu Zeit erneuert werden, so die Logik.

Ahmadiyya-Anhänger berufen sich dabei auf Mirza Ghulam Ahmad, der die Gemeinschaft Ende des 19. Jahrhunderts in Indien gründete. Er wird als Prophet verehrt. Ein Prophet, der von den großen islamischen Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten freilich nicht akzeptiert wird, viele erkennen die weltweit Millionen Ahmadiyya-Anhänger nicht als richtige Muslime an.

Als Körperschaft darf AMJ nun wie die Kirchen seine eigenen Angelegenheiten selbst regeln, etwa im Arbeitsrecht. Zuvor hatte Hessen bereits entschieden, dass AMJ beim Islamischen Religionsunterricht in dem Land mitwirken darf, so wie die christlichen Kirchen. "Der neue Status ist aber vor allem ein Reputationsgewinn", sagt der Juraprofessor Janbernd Oebbecke, der in Münster Öffentliches Recht lehrt.

Steuern will die AMJ auf absehbare Zeit nicht erheben, versichert Wagishauser. Er sieht übrigens im Aufbau der Ahmadiyya durchaus Parallelen zur katholischen Kirche. Nur dass Frauen offenbar mehr zu sagen haben: Jede Gemeinde leiten zwei Vorsteher, ein Mann und eine Frau. Und: es gibt ein geistliches Oberhaupt, Mirza Masrur Ahmad. Er nennt sich Kalif, und residiert zwar nicht in Rom, aber auch in Europa: in London.

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