Büttenredner Andreas Schmitt:"Hört endlich uff mit dem Gedöns"

Generalprobe von Mainz bleibt Mainz

Wenn ihm neue Reime einfallen, nimmt er sie mit dem Smartphone auf: Büttenredner Andreas Schmitt.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Mit seiner Büttenrede gegen Rechts erhält Andreas Schmitt in Mainz viel Beifall. Es ist nicht das erste Mal, dass er gegen die AfD wettert.

Von Dunja Ramadan

Wenn die Büttenrede eines rheinischen Messdieners zum Internethit wird, dann ist das wohl ein weiterer Beleg dafür, wie ungewöhnlich die Zeiten in Deutschland gerade sind. Nur wenige Stunden nach dem rechten Terroranschlag in Hanau ausgelassen Karneval feiern - ein Politiker wie Cem Özdemir von den Grünen wird dafür in sozialen Netzwerken kritisiert. Doch Andreas Schmitt, der für die SPD im Stadtrat von Nieder-Olm sitzt, wird genau dafür gefeiert. Denn am Freitagabend nutzt er die angeheiterte Stimmung im Kurfürstlichen Schloss in Mainz für eine bitterernste Brandrede gegen rechte Hetzer. Er beginnt soft, mit kleinen Spitzen wie etwa, dass jede Fußballmannschaft ihre Seniorenmannschaft habe, "die alten Herrn" eben. Dann schwenkt er um ins Politische. Auch Parteien hätten so was, "bei der AfD denkt so mancher, dort war's die SS".

Und dann redet sich der Endfünfziger in Rage, reimt: "Die Demokratie, die werden wir schützen, eure Gesinnung wird euch nix nützen. Unsere Kinder werden nicht mehr für euch erfrieren, auf keinem Schlachtfeld mehr krepieren, und auch nicht kämpfen bis zuletzt, während ihr euch in den Führerbunker setzt." Den aufkeimenden Applaus gebietet Schmitt mit erhobenen Händen Einhalt - will heißen: ich bin noch lange nicht fertig. Er wird eindringlicher, haut mit der flachen Hand mehrmals aufs Rednerpult, als er sagt: "Die Morde von Hanau, die Schüsse auf die Synagoge in Halle - ob Juden, Christen, Muslime, das war ein Angriff auf alle. Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphieren, dieses Land werdet ihr niemals regieren."

Die Matrosen, Weinköniginnen und Ölscheichs im Publikum, die gerade noch fröhlich hin- und her schaukelten, reißt er damit in die Höhe. Standing Ovations. Schmitt, den Youtube-Star Rezo später einen "nicen Typ" nennen wird, schiebt seine Brille zurück ins Gesicht. Jetzt darf geklatscht werden. Der zweifache Familienvater ist seit 2014 Fastnachter in der Rolle des Obermessdieners und Sitzungspräsident bei der Fernsehsitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht". Im echten Leben arbeitet Schmitt beim Bischöflichen Ordinariat Mainz in der EDV-Abteilung. Wenn ihm neue Reime einfallen, dann schreibt er sie nicht mehr ins Notizbuch, sondern nimmt Sprachnachrichten auf dem Smartphone auf, wie er in einem Interview mit der Allgemeinen Zeitung verriet. Die Sendung wird seit 1973 ausgestrahlt. In diesem Jahr sahen 5,46 Millionen Zuschauer zu.

Und es war nicht das erste Mal, dass Schmitt gegen die AfD wettert. 2017 reimte er: "Wenn Pegida und AfD zum Aufmarsch gehe / so viel Dummheit auf ei'm Haufe hat noch keiner gesehe" oder "vom Gauland zum Gauleiter ist es gar nicht so weit". Mit solchen Aussagen bewegte er in den vergangenen Jahren den ein oder anderen AfD-Politiker im Publikum zum frühzeitigen Verlassen der Livesendung. Das machte ihn zur Zielscheibe von rechts. Es gebe Einschüchterungsversuche der Art "wir wissen, wo du wohnst", sagte Schmitt schon 2018. Oft seien es AfD-Politiker selbst, die ihre Anhänger auf Büttenredner wie ihn hetzen, und nannte etwa einen Facebook-Eintrag des AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen.

Doch es ist nicht nur die AfD, die Schmitt regelmäßig auseinandernimmt. Im vergangenen Jahr riet der Katholik der Kirche, den Zölibat abzuschaffen: "Erneuert die Kirche, ehrt so seinen Namen, gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit, Amen!" und warnte genauso vor falsch verstandener Toleranz, etwa wenn Weihnachtsmärkte in "Winter-Open-Airs" umbenannt werden sollen. "Hört endlich uff mit dem Gedöns, der Dom bleibt der Dom und Meenz bleibt Meenz."

Wenn Schmitt mal nicht auf der Bühne steht, fährt er in seine zweite Heimat. Nach Bayern ins Allgäu. Dort wird er oft von wildfremden Menschen erkannt, die sich dann mit ihm fotografieren lassen wollen. Das könnten nun noch ein paar mehr werden.

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