Verkehrsministerium:Schlagergate im Maut-Ausschuss

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Schlagersänger mit Fans im Verkehrsministerium: Roland Kaiser bei einem Auftritt in Potsdam. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Wollte ein Spitzenbeamter aus Scheuers Ministerium Manager einspannen, um an VIP-Karten für ein Roland-Kaiser-Konzert zu kommen? Skurrile Vorwürfe lösen im Untersuchungsausschuss des Bundestages Empörung aus.

Von Markus Balser, Berlin

Was ihm in den entscheidenden Maut-Gesprächen auffiel? Manager Alexander Ruoff fällt es am 15. Januar im Bundestag schwer, sich kurz zu fassen. Er wolle von vorne beginnen, holt der Spitzenmann des Mautbetreibers CTS Eventim bei seiner Zeugenvernehmung aus. Er erinnere sich sehr gut an den "ganz entscheidenden Einschnitt" und jenes Treffen von Managern, Minister und Spitzenbeamten am 19. Juni 2019 im Führungstrakt des Verkehrsministeriums, nur einen Tag nachdem der EuGH das CSU-Prestigeprojekt gestoppt hatte. Ein Treffen, das Ruoff auch wegen einer skurrilen Bitte in Erinnerung blieb.

Denn als Karl-Heinz Görrissen, graue Eminenz des Verkehrsministeriums und seit einem guten Jahrzehnt dort Chef der Leitungsabteilung, in den Besprechungsraum kam, habe er noch schnell etwas klären wollen, berichtet der Zeuge. Ob er ihm nicht behilflich sein könne, VIP-Tickets für ein Roland-Kaiser-Konzert in der Berliner Waldbühne zu beschaffen, habe Görrissen Firmenchef Klaus-Peter Schulenberg, Deutschlands wichtigsten Ticketvermarkter, im Vorgespräch gefragt. So geht es aus einem vorläufigen wie vertraulichen stenografischen Protokoll des Bundestags hervor. Und so berichten es auch mehrere weitere Teilnehmer des Gesprächs der Süddeutschen Zeitung. Er habe diesen Gesprächsauftakt für "bemerkenswert, um nicht zu sagen: ziemlich unangemessen" gehalten, erinnert sich Manager Ruoff.

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"Dreist und taktlos"

Gemessen an möglichen Schäden für Steuerzahler von weit über einer halben Milliarde Euro wegen der geplatzten Maut wirkt die Anekdote wie eine Randnotiz. Er habe bei der Vernehmung schallend gelacht, sagt der Grünen-Obmann im Ausschuss, Oliver Krischer. Doch es gehe da um mehr als eine Posse. "Beim Kündigungsgespräch nach Roland-Kaiser-Karten zu fragen, ist nicht nur dreist und taktlos", sagt Krischer. Es stehe auch für die Mentalität im Verkehrsministerium. Wenn der mächtigste Beamte selbst die Situation der Kündigung auszunutzen versuche, wolle man sich nicht vorstellen, "um was er bei Vertragsverhandlung nachgefragt hat", sagt Krischer. "Der Vorgang enthüllt das Sittengemälde einer CSU-Führungsclique im Ministerium, die den Staat als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen sieht", sagt Krischer. Auch bei der FDP wächst der Ärger: "Ein hoher Leitungsbeamter im BMVI sollte in der Lage sein, die gewünschten Tickets privat und selbständig zu bestellen", sagt der Verkehrspolitiker Oliver Luksic.

Im Verkehrsministerium beantwortet man Fragen zu dem Vorgang anfangs einsilbig. Ob das Ressort die Vorgänge bestätigen könne, will Luksic am 21. Januar in einer offiziellen Anfrage wissen. "Nein", antwortet der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger per Brief. Auf Nachfrage der SZ bestätigt das Ministerium dann, dass das Konzert von Roland Kaiser Thema war. Allerdings lediglich "zur Auflockerung der Gesprächsatmosphäre und vor dem Eintreffen des Ministers". Görrissen habe Schulenberg auf ein Roland-Kaiser-Konzert in der O2-Arena angesprochen, sagt eine Sprecherin. Dabei habe er sein Bedauern darüber geäußert, dass es nicht mehr möglich sei, eine "kombinierte Karte für den Besuch des Konzerts sowie die Teilnahme an einem Buffet im Restaurant der O2-Welt zu buchen". Diese Kombination für behinderte Rollstuhlfahrer sei nicht mehr möglich gewesen. Görrissen, der auf Barrierefreiheit angewiesen ist, und seine Frau hätten daraufhin vom Erwerb einer Karte abgesehen. Die Aussage von Herrn Ruoff sei falsch, so das Ministerium. An einem Open-Air-Konzert habe er als Rollstuhlfahrer "mit Blick auf die Witterung" gar kein Interesse. Die Botschaft: Um das Besorgen von Tickets sei es gar nicht gegangen. Wäre ja auch peinlich.

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Donnerstag wird Scheuer als Zeuge vernommen

Doch das Roland-Kaiser-Gate ist damit nicht zu Ende. Denn CTS will den Vorwurf der Lüge nicht auf sich sitzen lassen und dreht den Spieß um: Alexander Ruoff halte an seiner Aussage fest, sagt ein Sprecher Anfang dieser Woche. Es ging der neuerlichen Erklärung zufolge nicht nur um einen Hinweis Görrissens. Der habe danach gefragt, ob Herr Schulenberg "ihm nicht behilflich sein könne, VIP-Tickets für Roland Kaiser in der Waldbühne zu beschaffen", teilt das Unternehmen mit. Auch weitere Teilnehmer des Gesprächs bestätigen diese Version. Möglicherweise kann Verkehrsminister Scheuer selbst bei der Aufklärung der Posse helfen. Er wird am Donnerstag als letzter Zeuge vor dem Maut-Ausschuss vernommen.

Klar ist: An die begehrten Tickets gekommen ist der Spitzenbeamte auf diesem Weg nicht. Der Ticketvermarkter verspürte offenbar nur wenig Lust, dem Ministeriumsmann noch zum Konzert zu verhelfen. Der langjährige CSU-Mitarbeiter Görrissen hätte ohnehin einem politischen Konkurrenten zuhören müssen. Kaiser ist seit 2002 Mitglied der SPD.

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