Süddeutsche Zeitung

Andrea Nahles im Porträt:Die starke Frau der SPD

Gegen große Bedenken in der Parteispitze hat Nahles die Operation "Gesine Schwan" in die Hand genommen und erfolgreich beendet. Bei Beck, Steinmeier & Co. wächst der Respekt vor der kontakt- und konfliktfreudigen Kollegin.

Susanne Höll

Im Raum 3.06 des Nürnberger Messezentrums dürfte an diesem Samstag großer Andrang herrschen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles diskutiert dort mit der Parteibasis über gute und schlechte Arbeit, mithin um Mindestlöhne.

Über Nahles' Arbeit und Stellung in der SPD wird offiziell nicht geredet, insgeheim aber schon. Die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kürte die 37-Jährige zur heimlichen Vorsitzenden der Sozialdemokraten und nährte damit tückisch das ohnehin große Misstrauen in den roten Führungsreihen.

Dass man sie mit so etwas überschätze, sagen nicht nur Sozialdemokraten vom rechten und linken Flügel, das sagt auch Nahles selbst. Doch hat sich die erklärte Linke, die Oskar Lafontaine vor seiner Flucht aus der SPD einmal als "Gottesgeschenk" titulierte, in der jüngsten Zeit in der Partei, der Bundestagsfraktion und auch der Öffentlichkeit den Respekt und die Aufmerksamkeit erworben, die sie sich selbst vielleicht schon früher gewünscht hätte.

Operation "Gesine Schwan"

Die ebenso ambitionierte wie konfliktfreudige frühere Juso-Chefin fühlte sich als Frau in der engeren Führungsriege mit Kurt Beck, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier angeblich nicht immer ganz ernst genommen.

So auch in der Frage, ob die SPD einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufstellen solle. Zwei- oder dreimal habe sie im kleinen Kreis darüber diskutieren wollen, sei aber vom Vorsitzenden Beck abgewiesen worden, heißt es in der SPD.

Daraufhin übernahm sie kurzerhand die Operation Gesine Schwan, die die SPD-Frauen und einige Bundestagsabgeordnete in Gang gebracht hatten und setzte sich schließlich auch durch.

"Nahles kann Partei"

Geholfen haben ihr ihre zahlreichen Kontakte und Verbindungen, die sie in ihrem inzwischen 20 Jahre langen politischen Leben konsequent geknüpft und gepflegt hat, weit über den linken Flügel hinaus. Kritiker sagen ihr durchaus neidvoll nach, sie könne wie kein Zweiter in der SPD Landesvorsitzende, Ortsvereinsmitglieder, Gewerkschafter und Frauen mobilisieren - zugunsten Dritter oder zum eigenen Nutzen.

So etwa bei ihrer Kandidatur für das Amt der Generalsekretärin 2005, die mit dem Rücktritt des damaligen Parteichefs Müntefering endete. Auch weiß sie um Stimmungen und Sorgen an der Basis und in den vielen SPD-Zirkeln, weil sie oft unterwegs ist. "Nahles kann Partei", heißt das auf sozialdemokratisch.

Sie bewies zuletzt aber auch politische Uneigennützigkeit. Im Streit um die Bahnprivatisierung warb und stritt sie schlussendlich für den Teilprivatisierungs-Kompromiss, den sie selbst lieber abgelehnt hätte. Damit erwarb sie sich Achtung in der SPD-Spitze; an ihrer Arbeit als Fraktionssprecherin für Arbeit und Soziales hat der Vorsitzende Peter Struck nichts auszusetzen.

Dass Nahles sich irgendwann einmal noch weiter oben in der Führungsriege sieht, in der Post-Beck-Zeit, wenn sich das Verhältnis der SPD zur Linkspartei besser klären lässt, darf als sicher gelten. Ob sie das Zeug hat, als erste Frau den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei zu übernehmen, müsse sich allerdings erst noch erweisen, meinen ihr Wohlgesonnene.

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SZ vom 31.05.2008/mb
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