Inauguration:Wie Präsident Trump die USA umkrempeln könnte

Vor der Amtseinführung Trumps

Donald Trump mit Frau und Tochter am Tag vor der Amtseinführung am Lincoln Memorial in Washington

(Foto: dpa)

Der neue Präsident will sein Land radikal verändern. Wie weit wird Donald Trump gehen können? Ein Überblick.

Analyse von Matthias Kolb und Johannes Kuhn, Washington

Revolution, T-Day, Zeitenwende: Die Vereidigung des 45. Präsidenten der USA hat bereits viele Namen, bevor Donald Trump überhaupt die Hand zum Schwur auf die Lincoln-Bibel legt. Jeder weiß: Es wird sich viel verändern. Doch was genau, das weiß niemand.

Russisches Hacking, Taiwan-Kontroverse, Twitter-Eskapaden, Interessenkonflikte und Streit mit Prominenten: Seit der Wahl hat es an Schlagzeilen über Trump nicht gefehlt und auch wegen des Dauer-Trubels bleibt er äußerst unbeliebt. In den Tagen und Wochen nach der Inauguration werden seine konkrete Pläne und politischen Strategien in den Vordergrund rücken - und auch mögliche Probleme, die ihm den Start erschweren.

Ein Überblick, was in den kommenden Wochen wichtig wird:

Welche Obama-Gesetze kippt Trump sofort?

Im Wahlkampf tönte Trump oft, dass er von "Day 1" seiner Amtszeit an Amerika umkrempeln wolle. Erste wichtige Entscheidungen werden bereits für den kommenden Montag erwartet. Er wird wohl per Präsidialdekret ("executive orders") Auflagen zum Klimaschutz lockern und mehr Fracking erlauben. Am Kongress vorbei könnte Trump anweisen, mehr illegale Einwanderer abzuschieben (etwa die jungen Dreamer, denen Obama Aufenthaltsrecht gab) und den "Sanctuary Cities" staatliche Hilfen streichen (hier werden illegale Einwanderer nicht nach Papieren gefragt). Der Protest wäre sicher enorm, denn diesen Schutz gewähren Metropolen wie New York, Los Angeles, San Francisco oder Chicago.

Wenn Trump sein Wort hält, müsste er auch sofort das transpazifische Freihandelsabkommen TPP stoppen. An den Präsidialdekreten wird sich bereits relativ gut ablesen lassen, wie nachhaltig, substanziell er agiert - ob er sich zumindest zunächst auf Symbolpolitik beschränkt oder sehr schnell sehr weitreichende Entscheidungen fällt.

Wie schnell ist Trumps Regierung handlungsfähig?

Der Präsident als CEO: Trump wolle seinem Kabinett "ungewöhnlich viel Spielraum geben", heißt es in Politico. Im Moment allerdings gibt es vor allem Spielraum bei der Besetzung wichtiger Posten: Bislang wurde noch kein Kabinettsmitglied vom Senat bestätigt. 690 Schlüsselpositionen - viele davon im diplomatischen Bereich - muss der Senat insgesamt absegnen, der Nichtregierungsorganisation "Partnership for Public Service" zufolge hatte das Team Trump in der Woche der Amtseinführung erst für 28 davon Nominierungen eingereicht. Vorerst sollen deshalb einige hohe Beamte aus der Obama-Regierung weiter Dienst tun. Dass Trump nach dem Einzug ins Weiße Haus das Tempo erhöht, ist auch deshalb nötig, weil er für die angekündigte Rücknahme von Obama-Erlassen eigene Gewährsmänner in Ministerien und der Bürokratie braucht.

Wie radikal ändert Trump Amerikas Außenpolitik?

Das Verteidigungsbündnis Nato findet Trump "obsolet" und zugleich "wichtig". China nutzt die USA aus, schimpft Trump, und nennt den Handelspartner "Vergewaltiger". Mit Russland möchte er eng zusammenarbeiten, um den Islamischen Staat "auszulöschen" (über diese Dschihadisten-Miliz weiß er angblich mehr als seine eigenen Generäle). Einfache Fakten (wie viele Mitglieder hat die EU?) sind ihm ebenso wenig wichtig wie diplomatische Gepflogenheiten - siehe das umstrittene Telefonat mit Taiwans Präsidentin.

Die Welt muss sich daran gewöhnen, dass der US-Präsident der Idee der Stabilität wenig abgewinnen kann und den eigenen Geheimdiensten nicht zu trauen scheint. Ob es den Karriere-Diplomaten gelingt, Trump die Komplexität der globalen Ordnung nahezubringen, ist ebenso offen wie der künftige Einfluss seines Wunsch-Außenministers. Rex Tillerson hat sich gemäßigter und pragmatischer präsentiert als erwartet, aber lässt ihn Trump überhaupt agieren? Hier gilt ebenso: Erst wenn Trump konkrete Schritte einleitet (etwa die angedrohten Strafzölle), werden Tendenzen sichtbar. Auch möglich: Eine Außenpolitik, die aus permanenter Improvisation besteht.

Trump und die Republikaner: Wer verändert hier wen?

Der 70-Jährige beginnt in einer komfortablen Lage: Seine Partei hat sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit. Allerdings verdrängen viele Republikaner, dass Trump kein typischer Konservativer ist und viele seiner Ideen republikanischen Dogmen widersprechen. Sein Plan, Obamacare durch eine "Krankenversicherung für alle" zu ersetzen, begeistert die Demokraten. Aus konservativer Sicht wäre er äußerst teuer und würde den Einfluss des Staates im Alltag der Bürger zementieren. Es zeichnen sich harte Kämpfe ab.

Zu Trumps Populismus gehört eine Ablehnung des Freihandels - dabei werben die Republikaner seit Jahrzehnten für unregulierte, unbegrenzte Märkte. Hier soll Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kompromisse finden. Ähnlich umstritten ist Trumps möglicher Schmusekurs gegenüber Russland. Wenn er etwa Sanktionen streichen will, können republikanische Senatoren mit großen Ego und eigener Agenda, zum Beispiel John McCain, dies verhindern oder verschleppen. Klar scheint: Durchregieren und rasend schnelles Tempo ist nicht zu erwarten, denn "im Senat sind schon viele Regierungen untergegangen", wie die Washington Post erinnert.

Wie formiert sich die Opposition?

Während progressive Aktivisten rund um die Inauguration mit ersten Protesten ein Zeichen des Widerstands setzen wollen, stehen die Demokraten im Kongress vor einer Grundsatzentscheidung: Gehen sie wie einst die Republikaner unter Obama in die Total-Opposition oder sind sie in Einzelfällen zur Zusammenarbeit bereit? Mit zwei Projekten könnte Trump versuchen, aus den Reihen der Demokraten Zustimmung zu finden: bezahlter Mutterschutz und ein staatliches Infrastrukturprogramm. Falls er mehr Elemente als erwartet von Obamas Gesundheitsreform übernehmen möchte, wäre dies ebenfalls ein Signal für Kompromissbereitschaft.

Aktueller Stand: Mit seinen Angriffen auf den schwarzen Bürgerrechtler und Kongressabgeordneten John Lewis hat Trump sich keine Freunde gemacht. Deutlichstes Zeichen: Fast 70 Demokraten aus Senat und Repräsentantenhaus werden der Amtseinführung nicht beiwohnen. (Die Trump-Gegner auf der Straße dürfen sich wiederum darauf gefasst machen, dass der Präsident gegen die "bezahlten Unruhestifter" Stimmung macht. Sollte es häufiger zu Ausschreitungen kommen, sind härtere Gesetze nicht auszuschließen.)

Wie konservativ wird der neue Supreme-Court-Richter?

Im Februar 2016 starb Richter Antonin Scalia, für viele Republikaner eine Legende. Seither hat der Oberste Gerichtshof nur acht Mitglieder: Vier liberalen Juristen stehen vier eher konservative gegenüber. Weil die Republikaner im Senat Obamas Kandidaten schlicht ignorierten, kann Trump Ende Januar seinen eigenen Favoriten präsentieren.

Sobald sein Justizminister Jeff Sessions vereidigt ist, dürfte Trump den Namen verkünden - im Wahlkampf hatte er eine Liste mit 21 Namen publiziert. Je konservativer der Kandidat oder die Kandidatin, umso wahrscheinlicher ist eine Dauerblockade der Demokraten. Allerdings: Die Machtbalance ändert sich nicht, wenn ein Rechtsaußen-Richter durch einen Gleichgesinnten ersetzt wird. Doch angesichts des Alters mehrerer Richter, könnte Trump die Chance haben, in seiner ersten Amtszeit weitere Kandidaten zu nominieren.

Funktioniert die Volkstribun-Masche auch im Weißen Haus?

Im Wahlkampf gab Trump auf Veranstaltungen den Volkstribun, der seine Anhänger anheizte, häufiger auch aufhetzte und per Jubel über Ideen und Slogans ("Legt den Sumpf in Washington trocken") abstimmen ließ. Im Weißen Haus ist diese emotionale Verbindung gekappt, Trump ist von Beratern umgeben, offiziell Staatsmann und Präsident aller US-Amerikaner. Diverse Tweets aus der Zeit zwischen Wahl und Vereidigung lassen erwarten, dass der 70-Jährige trotzdem nicht an einem Rollenwechsel interessiert ist. Wenn er in 140 Zeichen Anhänger gegen politische Gegner in Stellung bringen sollte, sich über Kleinigkeiten aufregt oder diplomatische Krisen auslöst, wird er dafür aber von allen US-Bürgern bewertet - als Präsident. In den kommenden Wochen wird Trump den Ton setzen und erleben, ob sich die Bevölkerung daran gewöhnt oder es ihm sehr schnell schaden wird.

Trumps ungewöhnlicher Wahlkampf, sein überraschender Wahlsieg und das Auftreten als President-elect in der Übergangsphase haben gezeigt: Prognosen sind riskant. Der neue US-Präsident prahlt damit, "unberechenbar" sein zu wollen, um so, als genialer Dealmaker, die besten Ergebnisse zu erzielen. Also lautet die seriöseste Prognose für die kommenden Wochen: Es wird nicht langweilig werden und Trump wird alle überraschen.

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