Amtseinführung im Bundestag:So wahr ihr Gott helfe

Warum muss Angela Merkel immer wieder neu vereidigt werden?

Von Heribert Prantl

Sie hat den laut Verfassung für den "Bundeskanzler bei der Amtsübernahme" zu leistenden Eid schon dreimal geleistet - 2005, 2009 und 2013. Warum wird Angela Merkel am Mittwoch dann noch einmal vereidigt? Verfällt so ein Eid nach vier Jahren? Verflüchtigt er sich? Unterliegt er dem Diskontinuitätsprinzip? Gilt beim Amtseid der Spruch, dass doppelt, dreifach und vierfach genäht besser hält?

Im Grundgesetz gibt es darauf keine Antwort. Es ist halt so parlamentarische Praxis; und ein irgendwie feierliches und gewohntes Ritual ist es auch. Die Kommentare zum Grundgesetz halten die Immer-wieder-Vereidigung für "verfassungsrechtlich unbedenklich": Also werden alle Regierungsmitglieder zu Beginn einer Amtsperiode erneut vereidigt, auch wenn sie schon vorher Kanzler oder Minister waren. Wirklich logisch ist das nicht. Bei einer Regierungsumbildung, einem Ressortwechsel, Ressorttausch oder einer Ressortmitübernahme unter bereits vereidigten Ministern wird nämlich kein weiterer Eid für notwendig gehalten.

Der Eid auch für Regierungsmitglieder ist etwas Neues in der deutschen Verfassungsgeschichte: In der Weimarer Republik hatte nur der Reichspräsident den Eid zu leisten. Nach dem Grundgesetz sind nicht nur der Bundespräsident, sondern auch Kanzler und Minister verpflichtet, den Eid abzulegen - der in seinem Wortlaut jeweils identisch ist; wer den Eid nicht leistet, muss vom Bundespräsidenten entlassen werden. Eine besondere rechtliche Bedeutung hat der Eid gleichwohl nicht; er begründet keine eigenständigen Rechte, Pflichten oder Kompetenzen; seine Bedeutung liegt nur auf dem Gebiet der politischen Moral. Einen strafbaren Meineid gibt es hier nicht.

Auf großes öffentliches Interesse stößt es regelmäßig, ob der Eid mit oder ohne die Abschlussformel "So wahr mir Gott helfe" geleistet wird. In der Weimarer Republik war die religiöse Beteuerung nicht vorgeschrieben, sondern nur zulässig, also eigentlich die Ausnahme. Friedrich Ebert legte den Eid ohne, Paul von Hindenburg mit Gottesformel ab. Das Grundgesetz machte dann die religiöse Beteuerung zum Regelfall, fügte aber an, dass es auch ohne sie geht. Gerhard Schröder war bisher der einzige Kanzler, der auf das "So wahr mir Gott helfe" verzichtet hat. Helmut Schmidt, auch SPD, hatte dagegen, wie er später erklärte, "keinerlei Gewissenszweifel, den Amtseid unter Anrufung Gottes zu schwören". Er bezweifelte jedoch, "dass Martin Luther oder der Vatikan mich als Christen anerkennen würden". Zweifel daran, ob der Eid noch "zeitgemäß" ist, hat es immer wieder gegeben; sehr viel Echo hatte diese Kritik aber nie.

Was ist der Sinn der religiösen Formel? Wer sich ihrer bedient, verflucht sich für den Fall des Rechtsverstoßes nicht etwa selbst (wie es älteren Vorstellungen von der Bedeutung des Eides entsprach); er stellt seine religiöse Überzeugung in den staatspolitischen Dienst. Roman Herzog, der verstorbene Verfassungsrechtler und Bundespräsident, meinte dazu: "Dass es gerade ein weltanschaulich neutraler Staat ist, der sich der Gläubigkeit seiner wichtigsten Amtsträger bedient, um diese sich weit über die Rechts- und Verfassungsbindung hinaus binden zu lassen, entbehrt nicht jeder Pikanterie."

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