Hannover (dpa/lni) - In Niedersachsen sind bereits mehrere Tausend Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angekommen, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche - wie viele genau, ist jedoch weiter unklar. Ministerpräsident Stephan Weil erklärte am Dienstag im Landtag, die Landesaufnahmebehörde habe mehr als 11.500 Flüchtlinge registriert. Tatsächlich dürften jedoch noch sehr viel mehr Menschen angekommen sein, weil die Ukrainer keine Registrierungspflicht haben, betonte der SPD-Politiker.
Viele Ukrainer hätten private Anlaufstellen - das sei gut für die Betroffenen, erschwere aber die Lageeinschätzung, sagte Weil. Über kurz oder lang würden jedoch alle Flüchtlinge öffentliche Unterstützung benötigen, und in diesem Zusammenhang werde auch eine Registrierung stattfinden.
Unter den Migranten sind nach Angaben des Regierungschefs auch rund 1600 Schülerinnen und Schüler, die an Niedersachsens Schulen schon jetzt aufgenommen worden sind. Das Land strebe deswegen die Einstellung von Pädagogen aus der Ukraine sowie von Pensionären und Studierenden an, erklärte Weil.
„Wir werden einen nationalen Kraftakt benötigen“, forderte der Regierungschef mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs. Dabei gehe es etwa auch um die Energieversorgung, Unterstützung für die Kommunen und die Ausstattung der Bundeswehr.
Eine unmittelbare Gefährdung der Sicherheitslage durch Flüchtlinge aus der Ukraine oder Menschen, die mit falschen Identitäten einreisen, besteht nach Einschätzung der Landesregierung nicht. „Wir haben keine Informationen darüber, dass mit den Flüchtlingen aus der Ukraine auch eine berichtenswerte Anzahl gewaltbereiter Menschen oder Gefährder mit einreisen“, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ (Dienstag). „Die Situation ist nicht vergleichbar mit 2015/16.“ Selbst im Fall von Registrierungen könne es jedoch keine lückenlose Kontrolle geben, sagte Pistorius. Im Landtag würdigte der Innenminister das ehrenamtliche Engagement zahlreicher Flüchtlingshelfer in Niedersachsen.
Justizministerin Barbara Havliza machte derweil auf Hilfsangebote für Frauen und Mädchen aus der Ukraine aufmerksam, die gezielt von Kriminellen angesprochen werden. Betroffene Frauen sollten nicht zögern, die Straftaten zu melden, sagte die CDU-Politikerin. Die Webseite des Opferschutzes in Niedersachsen werde dafür in dieser Woche ins Ukrainische übersetzt. Außerdem stelle das Land einen übersetzten Flyer mit Ansprechpartnern zur Verfügung.
Ein von den Grünen beantragtes Sondervermögen von fünf Milliarden Euro zur Bewältigung der Kriegsfolgen stieß im Landtag fraktionsübergreifend auf Ablehnung. Mit Krediten solle das Land den Kriegsflüchtlingen helfen, die Kommunen unterstützen, den Zivil- und Katastrophenschutz verbessern, soziale Entlastungen angesichts steigender Energiepreise finanzieren und den Ausbau erneuerbarer Energien ankurbeln, so die Grünen. Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) wies den Vorschlag jedoch als „Schnellschuss“ zurück: Die veranschlagte Summe von fünf Milliarden Euro basiere nicht auf konkreten Berechnungen und gehe zulasten künftiger Generationen.
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